Friedensinitiative: Welche Absichten hat Peking?
Nach Ankündigung der chinesischen Friedensinitiative für die Ukraine in München hat Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi die Pläne auch in Moskau unterbreitet. Am 24. Februar sollen sie offiziell vorgestellt werden. Russlands Außenministerium gab an, es schätze Chinas Bemühungen. Aus der Ukraine hieß es, der eigene Friedensplan habe Priorität, man sei aber offen für Ideen. Die Presse diskutiert vor allem die Motive Pekings.
Es geht um chinesische Interessen
Walerij Pekar, Publizist und Professor an der Kyiv-Mohyla Business School, erwartet auf seiner Facebook-Seite nicht viel von Pekings Plänen:
„China ist definitiv nicht auf der Seite Russlands. China wird auch niemals auf der Seite der Ukraine stehen. China ist auf der Seite von China. ... Mit seinem 'Friedensplan', der gar keiner sein wird, sendet China allen Parteien nur eine Botschaft: Das Land ist ein wichtiger Akteur, und es muss alles getan werden, damit seine Interessen berücksichtigt werden. Wie die Interessen Pekings zu berücksichtigen sind, ist eine andere Frage. Wir werden China nicht auf unsere Seite bringen, aber wir können es auf die Seite des Nachkriegsfriedens bringen. Den Frieden nach unserem Sieg.“
Geduld mit Russland ist strapaziert
Kommersant erörtert, welches Ziel Wang Yi verfolgte:
„Es besteht darin, Moskau ein klares Signal zu geben, dass die anhaltende Konfrontation zwischen Russland und dem Westen um die Ukraine für China zunehmend schmerzhaft und problematisch wird. Peking, das durch die Unterbrechung globaler Handelsketten und zahlreiche Restriktionen Verluste erleidet, fühlt sich sichtlich unwohl. Die vom Westen aufgestellten 'roten Fähnchen', die nicht überschritten werden dürfen, zwingen China ein ums andere Mal zu Überlegungen, wie man sie umgehen kann. Deshalb will Peking nicht abwarten, bis sich die Situation von selbst löst; es will die Lösung schnellstmöglich vorantreiben.“
Billige Rohstoffe sind nicht alles
China wird Russland gegenüber zurückhaltend bleiben, ist Polityka sicher:
„In Peking wachsen die Sorgen, dass die europäischen Hauptstädte Chinas Beziehungen zu Russland als Beweis für Pekings zunehmende Ambitionen und gleichzeitig als Bedrohung für Taiwan ansehen. Auch schenken die europäischen Länder den Argumenten Washingtons eher Gehör, z. B. in Bezug auf das Kontrollregime für Chiptechnologien, das Chinas Wirtschaft und internationale Position direkt beeinträchtigt. Mit anderen Worten: Die billigen Rohstoffe aus Russland und die Öffnung des russischen Marktes für chinesische Exporte wiegen die Risiken nicht auf, die durch die Beschränkung des Zugangs Chinas zu westlichen Märkten und Technologien entstehen.“
Der Westen sollte sich nicht täuschen lassen
Sinologe Märt Läänemets glaubt in Postimees, dass China alles tun wird, damit der Krieg für seinen strategischen Partner Russland positiv ausgeht:
„Einerseits strengt sich China an, um Russland zu retten, andererseits versucht es, den Handel mit dem Westen aufrechtzuerhalten und zu steigern. Daher auch die kontrollierte Rhetorik und scheinbar neutrale Position. Der Westen sollte sich aber nicht täuschen und einschläfern lassen. ... Der Krieg hatte von Anfang an eine globale Dimension, und China könnte am Ende entscheidend sein. Für den Westen ist es eine Frage von Leben und Tod, wer diesen Krieg gewinnt. Daher müssen wir unsere China-Politik nicht nur überdenken, sondern auch Schritte unternehmen, um sie anzupassen.“
Bootet China die USA aus?
Cumhuriyet hält die Initiative für aussichtsreich:
„Chinas Friedensplan, der interessanterweise auch mit den Führungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens besprochen wurde, hat bei der US-Regierung große Besorgnis ausgelöst: Der 'globale Süden' ist aufgrund der begleitenden finanziellen diplomatischen Unterstützung viel offener für die chinesische Diplomatie und wird den Friedensplan daher eher annehmen. In diesem Fall könnte sich das Argument 'Putin wird isoliert' in 'die USA werden isoliert' verwandeln.“
Keine guten Voraussetzungen
Der China-Korrespondent der taz Fabian Kretschmer erwartet wenig:
„Rational betrachtet ist Pekings Vorstoß ... kaum mehr als der Versuch, als sich nach einem katastrophalen Imageverlust auf internationaler Bühne als verantwortliche Staatsmacht zu präsentieren. ... Dass Peking zudem von der derzeitigen Situation profitiert, ist offensichtlich. Russland ist zunehmend abhängig von der chinesischen Wirtschaft. Und Peking erhält von Moskau preiswert Öl, moderne Kampfflugzeuge und politische Rückendeckung beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Beide Staaten eint zudem der Wille, die westliche Dominanz – angeführt von den USA – zu durchbrechen. ... Gute Voraussetzungen für eine neutrale Vermittlerrolle sind das nicht.“
Peking kann konstruktive Rolle spielen
Als strategischer Partner Russlands hat China eine Schlüsselrolle, glaubt dagegen The Spectator:
„China hat viel mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn es sich offen auf die Seite Moskaus stellt – nicht zuletzt, weil Peking jährlich mehr als 1,5 Billionen Dollar an Handel mit den USA und nur 100 Milliarden Dollar mit Russland tätigt. Für Präsident Xi besteht kluges Vorgehen darin, Moskau weiterhin ernsthafte militärische Unterstützung vorzuenthalten und stattdessen zu versuchen, eine konstruktive Rolle in einem Nachkriegsabkommen einzunehmen. In einem solchen könnte Peking als eine Art wichtiger militärischer Garant für die zukünftige territoriale Integrität Russlands fungieren. Dies würde Putin einen gesichtswahrenden Ausweg aus seinem katastrophalen ukrainischen Feldzug bieten.“
Auf dem Weg zur politischen Großmacht
China könnte von seiner Initiative massiv profitieren, meint EU-Parlamentarier Bernard Guetta in La Repubblica:
„Peking würde einen brüsken Stillstand des internationalen Handels abwenden, der schwerwiegende Auswirkungen auf seine Wirtschaft und seine politische Stabilität hätte. Doch ist das noch nicht alles. Wenn es gelingt, die Waffen in Europa zum Schweigen zu bringen, würde China gleichzeitig in den Status einer Großmacht aufsteigen - nicht mehr nur wirtschaftlich und militärisch, sondern auch politisch. Seine internationale Vormachtstellung würde so erheblich gestärkt, dass es im ersten Viertel dieses Jahrhunderts mit den Vereinigten Staaten gleichziehen und zur zweiten von zwei Supermächten werden würde.“