Joe Biden: Zweite Amtszeit mit 82?
Genau vier Jahre nach Bekanntgabe seiner ersten Kandidatur zu den US-Präsidentschaftswahlen hat Joe Biden in einem Video angekündigt, 2024 ein zweites Mal antreten zu wollen. Er schrieb dazu auf Twitter, jetzt sei der Zeitpunkt, für die Demokratie aufzustehen. "Lasst uns die Arbeit zu Ende bringen", beendete er den Tweet. Kommentatoren wiegen das Für und Wider dieser Entscheidung ab.
Keine Stärke, keine Dynamik
Alexis Papachelas, Chefredakteur von Kathimerini, macht Bidens Alter Sorgen:
„Das Bild eines so alten Präsidenten strahlt keine Macht, Kraft oder Dynamik aus. Die Chinesen und andere sehen ihn als ein weiteres Zeichen für den Rückgang des amerikanischen Einflusses. ... Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das Schicksal des Westens davon abhängt, ob ein heute 80-jähriger Politiker die Stufen des Präsidentenflugzeugs hinunterstürzt oder einen Herzinfarkt erleidet. Denn machen wir uns nichts vor, so etwas würde Bidens Wiederwahlchancen sofort sprengen. Und machen wir uns weiter nichts vor: Die Rückkehr eines unkontrollierbaren und allmächtigen Trumps an die Macht würde das Ende des Westens, wie wir ihn kennen, bedeuten.“
Gute Karten für den Amtsinhaber
In einem Wettkampf gegen Donald Trump hätte es Biden diesmal leichter, meint Spotmedia:
„Die Entscheidung eines erfahrenen Politikers wie Biden, sich auf das Amt zu bewerben, ist in Anbetracht des Kontextes kein Fehler. ... Wenn es keine großen Überraschungen gibt, wird die Aufgabe von Joe Biden dieses Mal viel einfacher sein als vor vier Jahren. Die Popularität von Donald Trump ist gesunken, wenn auch nicht entscheidend. Er hat nicht mehr die volle Unterstützung der Parteispitze und ist zudem im Mittelpunkt mehrerer Rechtsstreitigkeiten. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wäre es eine Katastrophe, wenn Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehren würde.“
Demokraten verpassen eine Chance
Bidens Kandidatur zielt zu sehr gegen Trump, beklagt Aktuality.sk:
„Sollte der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, die republikanischen Vorwahlen gewinnen, hätte er im Präsidentschaftsrennen mit Biden deutlich bessere Chancen als Trump. Nicht, weil er die bessere Wahl wäre, sondern einfach, weil er im Kampf mit dem 82-jährigen Biden frisch und entspannt wirken würde. Auch deshalb ist die Kandidatur des derzeitigen Präsidenten Joe Biden ein Fehler. Würde er nicht antreten, bekäme ein neuer Politiker die Chance, in den Vorwahlen der Demokraten aufzutauchen, der sowohl gegen Trump als auch gegen DeSantis eine Chance hätte. Damit verpassen die Demokraten die Chance, einen neuen, jüngeren Träger liberaler Ideale zu finden.“
Auch mit ihm droht mehr Protektionismus
Die Europäer sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen, warnt der Tagesspiegel:
„Mit seinem riesigen Klimapaket hat der ach so freundliche Herr Biden die Europäer bereits kräftig vor den Kopf gestoßen. Wer auch immer im Januar 2025 als Präsident vereidigt werden wird, ob Biden, Donald Trump oder Ron DeSantis: Er dürfte in den kommenden vier Jahren noch mehr Protektionismus betreiben als Biden von 2021 bis 2025.“
Zukunft der Ukraine steht auf dem Spiel
Für die Ukraine sind die US-Präsidentschaftswahlen 2024 von entscheidender Bedeutung, meint der frühere ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin auf seiner Facebook-Seite:
„Putin wird versuchen, bis zu den US-Wahlen 'durchzuhalten', in der Hoffnung, eine Einigung mit dem nächsten Präsidenten zu erzielen. Der Kreml wird einiges tun, um einen bequemeren Kandidaten zu bekommen. Idealerweise wäre das Trump. Es wird äußerst schwierig sein, mit Biden zu verhandeln, der viel in die Ukraine und unseren Erfolg investiert hat. Aber gleichzeitig wird es für Biden von entscheidender Bedeutung sein, diesen zu zeigen - und zwar nicht den Prozess, sondern ein Ergebnis. Ein Ergebnis, das den Amerikanern gefällt und keinen Anlass zur Kritik bietet. Und das sollen sie noch vor Beginn der aktiven Phase des Wahlkampfs sehen.“
Widersprüche offensichtlich
El País lobt den amtierenden Präsidenten und zweifelt gleichermaßen an ihm:
„Die eindeutig sozialdemokratische Bilanz ist seine beste Garantie: ... Er hat die größten Investitionen in Infrastruktur seit Jahrzehnten genehmigt, das Land endlich auf den Weg der Energiewende gebracht, die Arbeitslosigkeit ist auf einem historisch niedrigen Niveau. ... Wenn die republikanische Partei einen jungen und konkurrenzfähigen Ersatz findet, könnte Bidens Kandidatur jedoch wackeln, obwohl er bereit ist, die gleiche Botschaft wie 2020 und 2022 zu verbreiten: Der republikanische Extremismus gefährdet die Demokratie. Ob das ausreicht, um die auf Rache sinnenden Republikaner aufzuhalten, ist aber fraglich. Die Widersprüche einer Kandidatur mit 82 Jahren sind selbst für Bidens eigene Wähler offensichtlich.“
Die Demokraten haben keine Alternative
Biden bleibt gar nichts anderes übrig, meint der langjährige USA-Korrespondent Tomasz Zalewski in Polityka:
„Als Biden 2020 für das Weiße Haus kandidierte, sagte er, er wolle eine Brücke zur nächsten Generation sein, was als Andeutung verstanden wurde, dass er seine Präsidentschaft im Falle eines Sieges auf eine Amtszeit beschränken würde. Viele Kommentatoren fragen sich nun, warum er seine Meinung geändert hat. ... Einige führen seine patriotischen Beweggründe und seine Abscheu gegenüber Trump an. Aber der Hauptgrund ist meiner Meinung nach ein anderer: Es gibt derzeit in der Demokratischen Partei einfach keinen besseren Kandidaten für das Weiße Haus, der Aussichten hat, gewählt zu werden.“
Chance gegen republikanische Radikalisierung
Bidens Wiederwahl 2024 kann trotz niedriger Zustimmungszahlen selbst unter Demokraten gelingen, stellt Dagens Nyheter fest:
„Die Abtreibungsfrage wird die Republikaner verfolgen, egal ob der Kandidat des nächsten Jahres Donald Trump oder Ron DeSantis oder jemand anderes ist. Das gibt Biden eine Chance. Die Begeisterung für eine neue Amtszeit mag niedrig sein, auch in den eigenen Reihen. Aber der Eifer, gegen einen republikanischen Kandidaten zu mobilisieren, der seinerseits bei den Vorwahlen den immer extremeren Wählern entgegenkommen muss, um überhaupt eine Chance auf die Nominierung zu haben, ist extrem groß. Das kann viel bewirken, vor allem bei einer Wahl, die in sechs oder sieben Bundesstaaten entschieden wird.“
Kamala Harris wäre eine Hypothek
Für eine erfolgreiche Kampagne braucht Biden auf jeden Fall eine starke Vize, betont die Frankfurter Rundschau:
„Was ... wäre, wenn Biden eine zweite Amtszeit nicht zu Ende brächte? Diese Frage dürften sich viele Amerikaner stellen und besorgt an die Vizepräsidentin denken, die in diesem Fall nachrücken würde. Kamala Harris füllt schon ihr derzeitiges Amt in keiner Weise aus. Man kann daher nur hoffen, dass Biden den Mut findet, sein 'Running Mate' auszutauschen. Ein unverbrauchtes Gesicht, eine erfolgreiche Frau vom Schlage einer Senatorin Amy Klobuchar oder einer Gouverneurin Gretchen Whitmer könnte die Kampagne des Achtzigjährigen positiv beleben. Harris hingegen wäre eine Hypothek.“