COP28: Wie viel Klimaschutz kann in Dubai gelingen?
Seit Donnerstag läuft die 28. UN-Klimakonferenz in Dubai. Bisher wurde ein Klimaschäden-Fonds arbeitsfähig gemacht, für den etwa die VAE, Deutschland, UK, die USA und Spanien bereits feste Zusagen gegeben haben. Fast 120 Länder wollen die Produktion von Ökostrom bis 2030 verdreifachen, 20 Länder wollen auch die Kernenergie ausbauen. Größter Streitpunkt ist der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, den Saudi-Arabien, Russland und Irak ablehnen.
1,5 Grad bleiben eine Fata Morgana
Correio da Manhã erklärt, wie die Interessen der Golfstaaten die Klimaziele in Gefahr bringen:
„Zwar unternehmen einige der größten Ölproduzenten der Golfregion wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate Schritte, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, aber ein plötzlicher Verzicht auf die Quelle des Reichtums, die ihnen eine beneidenswerte Lebensqualität beschert hat, würde Risiken für den nationalen Zusammenhalt mit sich bringen, die sie offensichtlich nicht eingehen wollen. ... Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, eine Fata Morgana bleiben.“
Sperrvertrag zur Nutzung fossiler Brennstoffe jetzt!
Klimaschutz braucht ein verbindliches und gerechtes Vertragswerk, fordert The Guardian:
„Fossile Brennstoffe sind die Massenvernichtungswaffen von heute und stellen eine existenzielle Bedrohung dar. Deshalb gibt es Parallelen zum Atomwaffensperrvertrag von 1968. Ein Teil der Lösung des Klimaproblems besteht sicherlich in der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien, aber ebenso wichtig ist es, die Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe zu stoppen – und zwar nicht nur mit dem vagen Versprechen, dass die Emissionen künftig verringert werden sollen. Reichere Länder, die am meisten von der Kohle-, Öl- und Gasförderung profitiert haben, sollten sich verpflichten, die Ära fossiler Brennstoffe auf gerechte Weise zu beenden. “
Die Zeit läuft uns davon
Atomkraft ist keine Lösung für die akuten Klima-Probleme, betont La Repubblica:
„Gehört die Kernenergie perspektivisch zu den möglichen Ersatzstoffen für fossile Brennstoffe? Ja. Kann uns die Atomenergie sofort aus der Klimakrise helfen, in die wir uns durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in den letzten zweihundert Jahren gebracht haben? Nein. Diese beiden Antworten, die von Klimaforschern und führenden internationalen Energieagenturen geteilt werden, muss man im Hinterkopf haben, um die gestrige Ankündigung aus COP28 zu beurteilen. ... Zwischen der Planung eines Kraftwerks und seinem Anschluss an das Stromnetz vergeht mindestens ein Jahrzehnt, wenn alles gut läuft. ... Wenn es dann Probleme gibt, und davon gab es in Europa schon viele, steigen Zeit und Kosten.“
Rechtsextreme Skeptiker nutzen Spannungen
Die ökologische Krise verursacht neue Konflikte in Europa, erläutert El País:
„Wir sehen das in Deutschland. ... Die Regierung ist in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt, weil sie sich der im Grundgesetz verankerten Schuldengrenze unterwerfen muss. Oder in Großbritannien, dessen Premier gerade in Dubai gesagt hat, dass man die Fristen für die Erreichung der Emissionsfreiheit verlängern sollte. ... Und wo Spannungen spürbar werden, sind die rechtsextremen Parteien zur Stelle. ... Das haben wir gerade in den Niederlanden gesehen, wo der Klimaskeptiker Wilders gesiegt hat. ... Und der Albtraum eines Trump-Comebacks bedeutet Rückschritte in der Klimapolitik. Zur Angst vor dem Klimawandel kommt die Angst vor der Zerstörung der Demokratie.“
UN-Klimagipfel verlieren zunehmend an Bedeutung
Wo wirklich entschieden wird, erläutert Politologe Luis Rivera-Vélez in The Conversation:
„Die Rettung des Klimas erfordert Macht, Ressourcen und Aufmerksamkeit der Bürger. Das Thema kann man auf der Agenda lassen, doch die echte Macht liegt in der Hand der Staaten, die die Entscheidungen treffen. Wie viele Experten der Klimaverhandlungen der UN zusammenfassen, sind die COPs inzwischen mehr Show als eine echte Orchestrierung guter Beschlüsse. Wie das Beispiel bilateraler Verhandlungen zwischen den USA und China gut veranschaulicht, werden die großen Entscheidungen zunehmend hinter den Kulissen getroffen, außerhalb der UN-Arena. Die Global Governance des Klimas könnte an Bedeutung einbüßen, wenn es ihr nicht gelingt, die globalen Probleme zu lösen.“
Scheckbuchpolitik statt Abschied vom Öl
La Vanguardia sieht enorme Widersprüche:
„Nie war den Wissenschaftlern und der Gesellschaft klarer, dass der Planet vor der Klimakrise gerettet werden muss. Gleichzeitig fordern immer mehr Regierungen und Unternehmen, dass alle die gleichen Maßnahmen treffen, um unlauteren Wettbewerb zu vermeiden. Europäische Unternehmen trauen sich mittlerweile zu sagen, dass sie nur dann dekarbonisieren, wenn es auch die chinesischen Unternehmen tun. Und wegen der vom Krieg in der Ukraine verursachten Energieknappheit werden Verpflichtungen wieder gebrochen. ... Der erste Konferenztag brachte immerhin die gute Nachricht, dass ein Fonds für die schwächsten Länder eingerichtet werden soll. ... Das Scheckbuch zu zücken, ist eben einfacher, als sich von den fossilen Brennstoffen zu verabschieden.“
Subventionierter fossiler Brennstoff ist das Problem
Die in Dubai als Erfolg gefeierten Errungenschaften lenken vom wichtigsten Thema ab, meint Financial Times:
„Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate wird sich mit ihren Investitionen in erneuerbare Energien schmücken. ... Auch die UN-Initiativen zur Eindämmung von Methanlecks, zur Reduzierung des Kohleverbrauchs und zur Bereitstellung von (etwas) mehr Geld für grüne Energie in armen Ländern werden viel Beachtung finden. ... Doch inmitten dieser lauten Geschäftigkeit herrscht bei einem Thema nahezu Schweigen: den Subventionen, die Regierungen derzeit für fossile Brennstoffe bereitstellen, indem sie den Verbrauchern und Unternehmen Benzin oder Kohle zu künstlich niedrigen Preise anbieten.“
Die 'neue grüne Welt' hat einen langen Weg vor sich
Naftemporiki ist pessimistisch:
„Statt wegen des 'Gaskrieges', der mit der russisch-ukrainischen Krise ausgebrochen ist, und der Risiken neuer Konflikte um Öl, die im Nahen Osten aufgeflammt sind, den Übergang zu erneuerbaren Energiequellen voranzutreiben, wird er untergraben. Die 'neue grüne Welt' wird sich leider langsamer und begrenzter herausbilden. Nicht wenige befürchten, dass ein weiterer Weltklimagipfel nur eine PR-Veranstaltung in der Wüste von Dubai sein wird. Die Tatsache, dass die BBC kürzlich aufdeckte, wie die Gastgeber des Gipfels den Klimagipfel nutzen wollen, um Geschäfte mit fossilen Brennstoffen zu machen, passt da sehr gut ins Bild.“
Mehr Optimismus, bitte!
Weltuntergangsszenarien sind wenig nützlich, warnt Ouest-France:
„Apokalyptische Kommunikation ist nicht ungefährlich. Die Angst, die durch das Reden über den Weltuntergang geschürt wird, kann zu besonders kontraproduktiven Extremen führen. Sie hat in der Vergangenheit zur Wahl großer Klimaskeptiker wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien beigetragen und könnte neuen Populisten vom Format eines Javier Milei in Argentinien oder Geert Wilders in den Niederlanden den Weg ebnen. Es wäre ratsam, auch von den positiven Fortschritten der letzten Jahre zu sprechen. ... Denn es gibt nicht nur Grund zur Verzweiflung. Nur weil die COP aktuell in einem Land stattfindet, in dem das Öl regiert, heißt das nicht zwangsläufig, dass sie scheitern wird.“
Schlechte Aussichten mit Öl-Lobby und ohne Biden
Dass ausgerechnet Dubai Tagungsort und Sultan Al-Jaber der Tagunspräsident ist, der einigen Regierungs- und Staatschefs neue Projekte zur Öl- und Gasförderung vorgeschlagen haben soll, findet Politiken völlig daneben:
„Der Skandal ist ebenso traurig wie vorhersehbar. Es war von Anfang an eine bizarre Idee, einen Klimagipfel in Dubai abzuhalten. Die Antwort des Nahen Ostens auf Las Vegas, eine Wüstenstadt, die für ihre riesigen Einkaufszentren mit künstlichen Indoor-Skipisten und Aquarien berühmt geworden ist, die so groß sind, dass man darin einen Tauchschein machen kann. ... Mit Dubai als Gastgeberstadt und einer unverantwortlichen Absage des ansonsten klimafreundlichen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, ist es schwierig, übermäßig optimistisch zu sein.“
Fortschritte sind nicht ausreichend
Respekt ist begrenzt optimistisch:
„Nicht, dass sich die Dinge überhaupt nicht zum Besseren ändern würden. Während die Welt im Jahr 2010 auf eine Erwärmung von fast vier Grad zusteuerte, sind es nun – auch dank des 2015 geschlossenen Pariser Abkommens – 'nur' etwa 2,5 Grad. Zumindest unter der Voraussetzung, dass die Staaten alles einhalten, was sie versprochen haben. Mit der Entwicklung erneuerbarer Energien dürften die jährlich steigenden globalen Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichen und dann zu sinken beginnen. Aber hier endet die gute Nachricht. Die Geschwindigkeit, mit der die Emissionskurven nach unten gehen müssten, um die 1,5-Grad-Erwärmungsgrenze nicht zu überschreiten, ist atemberaubend.“
Jetzt bei den schwierigen Partnern anklopfen
Sultan Al-Jaber ist nicht unbedingt der schlechteste Gesprächspartner für eine Ökowende, glaubt Libération:
„Angesichts der relativen Erfolge einiger vorheriger COPs, die in klimatisch weniger kritischen Ländern veranstaltet wurden, kann man auch direkt zum Ziel schreiten und mit denen sprechen, die sich am vehementesten gegen einen Wandel sträuben. Der Mann ist ein Pragmatiker, der sich große Mühe gegeben hat, ein Unternehmen für erneuerbare Energien zu gründen. Masdar, das auch Namenspate der grünen Stadt ist, die er bei Abu Dhabi zu errichten versucht. … Er kennt sich also immerhin aus mit erneuerbaren Energien. Nun müssen er und die vielen Lobbys und Beraterfirmen, die ihn umgeben, nur noch zur Sparsamkeit bekehrt werden. Nicht einfach, aber eine schöne Herausforderung.“
Dekarbonisierung auch wirtschaftlich sinnvoll
Susi Dennison, Direktorin des European Power Programms des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR), deutet in El Mundo die Rolle der EU:
„Europa kann viel profitieren, wenn es weiterhin eine treibende Kraft des weltweiten grünen Wandels bleibt. Um die Chancen zu nutzen, muss der europäischen Öffentlichkeit jedoch vor Augen geführt werden, dass die EU in der Lage ist, als grüner Mitstreiter in der Weltwirtschaft erfolgreich zu sein. ... Es geht darum, ein politisches Narrativ zu entwickeln, das deutlich macht, warum es in einer dekarbonisierten Welt langfristig wirtschaftlich sinnvoll ist, die Energiewende anzugehen. Sonst droht nach der US-Präsidentschaftswahl 2024 auf der COP29 die Gefahr, dass es nicht darum geht, das Pariser Abkommen am Leben zu erhalten, sondern darum, was aus seinen Resten gerettet werden kann.“
Vom Mammutformat wegkommen
De Standaard hält diese Art Konferenzen für überholt:
„Grundlegender ist vielleicht die Frage, ob die heutige Form des Treffens dem angestrebten Ziel dient. Vor jeder renommierten COP finden in aller Abgeschiedenheit und Diskretion vorbereitende Treffen in Bonn statt, dem Sitz des UN-Klimasekretariats UNFCCC. Ein jährliches Treffen von geringem Umfang in dieser deutschen Stadt, um die Entscheidungen zu bestätigen, würde vielleicht weniger Prestige und Aufmerksamkeit bringen. Aber auch weniger Ausstoß an Treibhausgasen. Und ob das Ergebnis so anders wäre, muss man auch bezweifeln.“
Immer noch nicht auf dem richtigen Weg
Ein Kurswechsel ist dringend notwendig, fordert Avvenire:
„Die jüngsten Daten, die von der Uno gerade in diesen Tagen veröffentlicht wurden, sind nicht ermutigend. Die Treibhausgasemissionen sind – nachdem sie aufgrund der Pandemie zurückgegangen waren – wieder angestiegen. Trotz der erhöhten Sensibilität und der unbestreitbaren Fortschritte in den letzten Jahren verfolgt die Welt immer noch nicht den richtigen Weg. … In dem Bericht finden wir eine sehr klare Zahl: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung sind für 50 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, die ärmsten 50 Prozent für 12 Prozent. Dies bestätigt, dass falsche Konsummuster und Lebensstile die Ursache für unsere Probleme sind.“
Konferenz der Widersprüchlichkeiten
Die Salzburger Nachrichten wundern sich, dass der Klimagipfel ausgerechnet in Dubai stattfindet:
„Die Widersprüchlichkeiten verursachen fast körperliches Unbehagen: Kommende Woche fliegen mehrere Zehntausend Teilnehmer zur UN-Klimakonferenz. ... Schon die Anreisen lassen die CO2-Emissionen, über die beim Treffen dann so heftig diskutiert wird, kräftig steigen. Mit Dubai ... baut der diesjährige Veranstalter zudem im wahrsten Sinne des Wortes auf fossile Energie. Der Vorsitzende der Klimakonferenz ist gleichzeitig ein führender Ölmanager des Landes - in einem Film würde man diese Konstellation wohl für heillos überzeichnet halten.“
Nicht auf Scheitern setzen
Die problematischen Bedingungen der Klimakonferenz befreien nicht von Verantwortung, mahnt der Wirtschaftswissenschaftler Christian de Perthuis in Le Monde:
„Die Vereinigten Arabischen Emirate sind in vielerlei Hinsicht der Ort, an dem die Frage nach dem Ausstieg aus fossilem Öl und Gas auf den Tisch kommen sollte. Denn ihre Position als fossiler Profiteur wirkt wie ein Zerrspiegel, der die Existenzfrage, die sich uns allen stellt, verstärkt. … Die Organisation der COP28 in Dubai ist zweifellos nicht perfekt und die Wahl ihres Vorsitzenden ist fragwürdig. Aber wir sollten nicht im Voraus auf ihr Scheitern setzen und dabei unsere eigene Verantwortung für die Fortsetzung des Öl- und Gasabenteuers vergessen.“
China wird sich kaum sperren wollen
Peking könnte durchaus eine konstruktive Schlüsselrolle spielen, hofft The Economist:
„China ist im Bereich grüner Energietechnologie mittlerweile führend. Auch ist der Rest der Welt weitgehend von den chinesischen Lieferketten für Solarmodule und Batterien abhängig. Dieses Jahr ist China zum größten Autoexporteur der Welt aufgestiegen und hat damit Japan überholt – was auch der chinesischen Dominanz bei Elektrofahrzeugen zu verdanken ist. Es besteht also eine gewisse Hoffnung, dass China auf dem Klimagipfel in Dubai eine konstruktive Rolle spielen möchte. Mit seinen Ambitionen, den globalen Süden anzuführen, wird es nicht den Eindruck erwecken wollen, dass es ein Thema vernachlässigt, das für viele Amtsinhaber in Entwicklungsländern Priorität hat.“