Iran und Pakistan beschießen sich mit Raketen
Der Iran hat mit Raketen Ziele in Pakistan angegriffen - nach eigenen Angaben, um dort Terroristen einer Rebellenmiliz zu töten. Auch gab es Angriffe auf Erbil im irakischen Kurdengebiet und auf Ziele in Syrien. Pakistan feuerte seinerseits Raketen auf iranisches Territorium. Europas Presse schaut auf die Motive Teherans und taxiert die Gefahr einer neuen Eskalation in Nahost.
Muskelspiel der Revolutionsgarden
Teheran muss aus internen Gründen Stärke demonstrieren, erklärt Avvenire:
„Eine Reihe verheerender Terroranschläge und unverhohlener israelischer Angriffe auf die militärische Führung der mächtigen Pasdaran, deren Streitkräfte in der Region stationiert sind, haben Teheran in den letzten Wochen gedemütigt und der Welt seine Verwundbarkeit sowohl außerhalb als auch innerhalb des Landes gezeigt. Eine unhaltbare Situation für die mächtigen Revolutionsgarden, die heute das stärkste Element des Regimes darstellen: Ihr Aufstieg, der auf geopolitischen und militärischen Erfolgen im Ausland aufbaut, wird durch die ständigen Schläge im Inneren des Landes unterminiert.“
Angriffe auf Irak kann sich Iran leisten
Der Iran möchte mit wenig Aufwand von seinen inneren Problemen ablenken, meint auch Independent Türkçe:
„Wann immer das Teheraner Regime in die Klemme gerät und das Bedürfnis nach einem Manöver verspürt, versucht es, seinen internen Druck zu mindern und die Probleme, mit denen es konfrontiert ist, zu vertuschen, indem es einen Angriff auf einen Ort startet, gegen den seine Macht ausreicht. ... Der Angriff auf Erbil birgt für den Iran keine Kosten. Außerdem bestraft er auf diese Weise die PDK [Demokratische Partei Kurdistans] dafür, dass sie sich ihm widersetzt und nicht kapituliert hat. Der Iran will die Region nach seinen Vorstellungen gestalten. Es gibt nicht mehr viele Kräfte und Machtzentren im Irak, die ihm Widerstand leisten könnten.“
Teheran will überall mitmischen
El Periódico de Catalunya hält den Iran für schwächer, als er sich gibt:
„Der Eifer, mit dem er Widerstand gegenüber seinen zahlreichen Feinden demonstrieren will, könnte zu unerträglichen Vergeltungsmaßnahmen führen. Viele Akteure schüren die Flammen im Nahen Osten (allen voran Israel und die Hisbollah) und im Mittleren Osten (allen voran die Huthis). Teheran kann sie nicht alle nach eigenem Gutdünken kontrollieren. Es entsteht der Eindruck, dass man dort bei allen Ereignissen in diesen Regionen präsent sein will und das Bedürfnis hat, eine Stärke zu beweisen, die man nicht hat. Der Iran greift zweitrangige Ziele an, in der Hoffnung, so nicht diejenigen zu verärgern, die ihm das Leben noch mehr vergällen können.“
Vorab vereinbartes Vorgehen?
Diena hält die gegenseitigen Raketenangriffe für ein abgekartetes Spiel:
„Zwischen Iran und Pakistan besteht keine Meinungsverschiedenheit über die Notwendigkeit eines entscheidenden Kampfes gegen die radikalen Separatistengruppen auf beiden Seiten der Grenze. ... Es ging in diesem Fall bei allen Demarchen nur um die Tatsache, dass Teheran einen Raketenangriff auf das Territorium Pakistans unternahm, ohne Islamabad vorher zu informieren. ... Solche Aktionen passen perfekt zu den Methoden der traditionellen orientalischen Diplomatie und werden in der Region regelmäßig als Deckmantel für vorab vereinbarte Pläne genutzt. Auch die letzten Ereignisse sehen verdächtig nach solchen aus.“
Das könnte zu einer regionalen Eskalation führen
ABC hält die neue Strategie des Iran für gefährlich:
„Drei Länder - Irak, Syrien und Pakistan - wurden schon von Raketen aus Teheran getroffen. ... Mit dieser Machtdemonstration wollen die Ayatollahs ihrer Bevölkerung zeigen, dass sie in der Lage sind, auf den Anschlag in Kerman Anfang des Jahres zu reagieren. Die Region ist aber derart angespannt und instabil, dass eine Reaktion in drei Richtungen zu einer gefährlichen Eskalation führen könnte. ... Der Iran hat bisher mit Hilfe von Verbündeten (Hisbollah, Huthi, usw.) aus der Distanz gekämpft, um sein Territorium zu verschonen. Aber in den letzten Monaten musste er feststellen, dass dieser Aktivismus einen Preis hat. Kerman hat das gezeigt.“
So angespannt war die Lage noch nie
Die iranischen Luftangriffe auf Pakistan bereiten The Spectator Sorgen:
„Die Militäraktion Teherans steht in keinem direkten oder ersichtlichen Zusammenhang mit dem laufenden Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza, aber sie wird nicht dazu beitragen, die Befürchtungen zu zerstreuen, dass der gesamte Nahe Osten langsam in einen weitreichenden und unberechenbaren Konflikt hineingezogen wird. ... Es deutet alles auf ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Spannungen und gegenseitigem Misstrauen im gesamten Nahen Osten hin. Ein einziges Missverständnis, eine falsche Handlung könnten genügen, um einen umfassenden Krieg auszulösen: Der Libanon, das Rote Meer, der Jemen, Irak und Syrien haben sich durch den Gaza-Krieg zu Konfliktzonen entwickelt.“
Das Kriegsvirus breitet sich aus
Radio Kommersant FM beobachtet eine Zunahme von Konfliktlinien in Nahost:
„Auch die Türkei beschloss, ein wenig zu schießen, und zwar auch auf die Kurden, aber in Syrien. Einen großen Krieg scheint es im Nahen Osten nicht zu geben. Aber ruhig kann man die Lage natürlich auch nicht nennen. Das Kriegsvirus breitet sich eindeutig in der Region aus. Vormals schwelende Konflikte flammen allmählich wieder auf. Teheran stellt sich nicht offen gegen die westliche Koalition und Israel, sondern stillt seinen Rachedurst an denen, die schwächer sind und nicht so scharf reagieren können.“
Teil der iranischen Strategie
Teheran setzt mit seinen Aktionen darauf, den Westen zu schwächen, analysiert La Stampa:
„Das Ziel bleibt das gleiche. Der Feind soll gezwungen werden, seine Ressourcen auf eine Nebenfront zu verlagern. Den jemenitischen Milizionären ist dies auf spektakuläre Weise gelungen. Aber das Spiel in Kurdistan bleibt genauso entscheidend. So sehr, dass Washington beschlossen hat, weitere 1.500 Soldaten der Nationalgarde ins Grenzgebiet zwischen Irak und Syrien zu entsenden. Die Schachfiguren sind in Bewegung, der Krieg wird lang.“
Teheran in Allianz mit Moskau und Damaskus
Die Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran war ein schwerer Fehler, klagt Politologe Bernardo Pires de Lima in Visão:
„Der Iran ist heute mit Moskau, Damaskus und Pjöngjang Teil einer Allianz gegenseitiger Unterstützung. Das ist ein wachsendes Problem für jedes westliche Land, das im Abkommen zur Überwachung des iranischen Atomprogramms eine Chance sah, Teile der antitheokratischen Zivilgesellschaft zu binden und das Regime zu zerschlagen. Da das Abkommen von Trump zerrissen wurde und es keine europäische oder UN-Truppe gibt, die es aufrechterhalten könnte, ist Teheran nun verstärkt der Dreh- und Angelpunkt einer Achse der Unsicherheit.“