Cannabis in Deutschland legal: Vorbild für Europa?
Nach jahrzehntelangen Debatten ist in Deutschland seit Kurzem der Besitz, private Anbau und Konsum von Cannabis für Erwachsene erlaubt, wenngleich auch weiterhin engen Regeln unterworfen. Medien anderer EU-Staaten vergleichen Erfahrungen und ziehen Schlüsse für die Politik im eigenen Land.
Bitte nicht nachmachen
Der Mediziner Hellmut Samonigg warnt vor den Gefahren und analysiert für die Kleine Zeitung:
„Die ... potenziell verhängnisvollen gesundheitlichen (sowie gesellschaftlichen) Auswirkungen durch Cannabiskonsum werden von den deutschen Gesetzgebern offensichtlich in Kauf genommen. Die Legalisierung wird u.a. damit gerechtfertigt, dass trotz bisherigem Verbot von Erwerb und Besitz, Cannabis zunehmend konsumiert werde. Dieser Umstand wird somit als gegeben hingenommen und eine Droge mit bedrohlichen Auswirkungen legalisiert. Aus medizinischer Sicht wäre eine allfällige Nachahmung durch den österreichischen Gesetzgeber höchst hinterfragenswert.“
Kaum Kontrolle möglich
Luxemburg hat die Erfahrung gemacht, dass einschränkende Regeln nicht immer kontrollierbar sind, kommentiert Le Quotidien:
„Unser großer Nachbar jenseits der Mosel hat es schließlich dem Großherzogtum nachgemacht, wo der private Cannabis-Anbau seit Juli 2023 erlaubt ist. Die luxemburgischen Konsumenten haben jedoch nicht die gleichen Freiheiten wie ihre deutschen Kollegen. Es bleibt an öffentlichen Orten strengstens verboten, einen Joint zu rauchen. … Man muss in den eigenen vier Wänden bleiben und darf keine Freunde dazu einladen. ... So sieht es zumindest das Gesetz vor. Aber es ist für die Polizei nahezu unmöglich zu kontrollieren, ob die Gras-Anbauer alle gesetzlichen Beschränkungen einhalten.“
Konsum nimmt trotz Verbot zu
Das Webportal Protagon schreibt:
„An griechischen Kiosken wird synthetisches Cannabis angeboten. Das legale Kiosk-Angebot fungiert als Ersatz und verführt Kunden zum Probieren des authentischen Produkts. ... Sollte auch Griechenland den Konsum entkriminalisieren? ... Schränkt das Verbot des Konsums seine Ausbreitung ein? Die Antwort lautet eindeutig nein. Die zweite Frage ist komplexer. Wird sich der Konsum ausweiten, wenn er legalisiert wird? Das kann nicht eindeutig beantwortet werden, aber es ist möglicherweise auch nicht relevant. Denn der Konsum nimmt so oder so zu. ... Sicher ist, dass bei einer Legalisierung in Griechenland große Teile der kriminellen Netze, die Schwarzgeld aus dem Cannabishandel einstreichen, sofort zerschlagen würden.“
Gemeinsamer Anbau als "Joint Venture"
Dänemark sollte dem Beispiel folgen, fordert Weekendavisen:
„Die Legalisierung wird eine Bestätigung der Normalität sein, wie sie immer mehr Dänen in Cannabis sehen. Es kann nicht länger die Aufgabe der Polizei sein, zu verhindern, was die Bürger aus freien Stücken für sich entscheiden. Kurz gesagt: Dänemark sollte die Legalisierung in Deutschland nutzen, um das restriktive Verhältnis zur euphorisierenden Pflanze zu überdenken. ... Die Legalisierung könnte auch der dänischen Landwirtschaft zugute kommen, die derzeit nicht die beste Presse hat. Hanfpflanzen haben im Gegensatz zu Kühen und anderen Nutztieren den Vorteil, dass sie CO2 aufnehmen, anstatt es auszuscheiden. Vielleicht können dänische Landwirte sogar mit deutschen Kollegen zusammenarbeiten. So als 'Joint Venture'.“
Vorreiter gegen Prohibitionismus
Deutschland hat in dieser Sache auch die EU vor sich her getrieben, lobt Il Manifesto:
„Im Gegensatz zu den Niederlanden, die den Verkauf und Konsum trotz eines gesetzlichen Verbots tolerieren, hat die Regierung Scholz den Weg der vollständigen Entkriminalisierung gewählt. ... Die Ampel-Koalition hatte nicht wenig Mühe, mit der Brüsseler Kommission zu verhandeln. Die war verärgert über den deutschen 'Druck', der den gesamten auf kompromisslosen Prohibitionismus basierenden EU-Vorschriftsrahmen in Frage stellte. Derweil war es kein wirkliches Problem, den Widerstand der CDU/CSU-Abgeordneten zu überwinden, die bis zum Schluss versuchten, auf parlamentarischem Wege das Gesetz zu blockieren - die einzigen, die zusammen mit den nationalistischen AfD-Abgeordneten gegen die Legalisierung waren.“
Verbot war ohnehin unwirksam
Polityka kann die Gründe für die Freigabe nachvollziehen:
„Die Entscheidung, Cannabis zu legalisieren, scheint zwar kontrovers, aber die Befürworter haben überzeugende Argumente für eine Reform. In erster Linie war die bisherige Drogenpolitik unwirksam: Der Konsum und der Handel auf dem Schwarzmarkt florierten, und die geringe soziale Schädlichkeit der Droge bedeutete, dass die Verfolgung von Haschisch keine polizeiliche Priorität gegenüber schwereren Straftaten hatte. Das Gesetz war also partiell wirkungslos.“
Anbieten statt verbieten
In Frankreich ist die Drogenpolitik in einer repressiven Ideologie gefangen, klagt Libération:
„Die Legalisierung – und nicht die Entkriminalisierung, die keine Auswirkung auf das Dealen hat – ist der einzige legitime Weg, damit der Staat endlich die würdige Rolle einer Regulierungsmacht spielt. Natürlich kann man sich damit begnügen zu sagen, dass Drogen schlecht sind und glauben machen, 'Krieg gegen Drogen' sei die Lösung, doch im Grunde handelt es sich dabei um eine wenig verantwortungsvolle Haltung. Der Staat wäre viel nützlicher, wenn er eine nationale Produktion in die Hand nimmt, die guter Qualität und günstiger als das illegal verkaufte Cannabis sein muss, und wenn er gleichzeitig Präventionskampagnen für die jüngsten Raucher durchführt. Das würde sich auch finanziell lohnen.“
Warum ist Wodka erlaubt, aber Gras tabu?
Der Rechtswissenschaftler Skirmantas Bikelis prangert in Delfi die Doppelmoral in seinem Land an:
„Im Vergleich zu Litauen haben die Deutschen einen Sieben-Meilen-Schritt hingelegt und bis zum Ende durchgezogen ... Nun können wir von außen beobachten, welche sozialen Folgen die deutsche Entscheidung haben wird. Die ersten werden schon bald sichtbar, wenn in Deutschland mehr als 100.000 Strafverfahren überprüft werden. In Litauen hingegen werden selbst Menschen im fortgeschrittenen Alter, die sich mit dem Rauchen von Cannabis entspannen wollen, weiterhin wie Kriminelle behandelt. Es sei denn, sie entscheiden sich für einen Schluck Wodka oder eine Zigarette. Dann würde unser Justizsystem ihnen keine Vorwürfe machen.“