Orbán spricht mit Putin über Ukraine-Krieg
Kurz nach seinem Besuch in Kyjiw hat der ungarische Premier und derzeitige EU-Ratspräsident Viktor Orbán überraschend Moskau besucht. Nach Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin über den Krieg gegen die Ukraine erklärte er, Europa brauche Frieden und der müsse von allen Seiten erarbeitet werden. Kommentatoren sind mehr als skeptisch.
In den Fußstapfen von Kim Jong-un
Népszava ist entsetzt:
„Orbán ist zwar nicht der einzige europäische Spitzenpolitiker, der Putin mit einem Besuch beehrt, sein österreichischer Amtskollege hatte dies bereits in den ersten Wochen des Krieges getan. Aber Österreich ist nicht Mitglied der Nato, Karl Nehammer war nicht der rotierende Präsident der Europäischen Union, und er hat auch nicht so getan, als würde er irgendjemanden außer sich selbst und seine Regierung vertreten. ... Der Premier Ungarns kann auf jeden Fall den zweifelhaften Ruhm einsacken, der erste EU-Führer zu sein, der direkt nach Kim Jong-un dem zur Fahndung ausgeschriebenen Kriegsverbrecher im Kreml die Hand schütteln konnte.“
Ausweitung seiner Kampagne
Sme analysiert die Motive Orbáns:
„Natürlich hat Viktor Orbán in Moskau keinen Frieden ausgehandelt. Nicht einmal ein Fragment eines Friedensabkommens. ... Sein Ziel war es, seine Propagandakampagne 'Kriegstreiber und Friedenstauben' über die Grenzen Ungarns hinaus zu verbreiten. Vor allem aber wollte er seinen vorherigen Besuch in Kyjiw ausbalancieren, damit niemand denken kann, Orbán sei plötzlich normal geworden. Natürlich hat er die EU-Ratspräsidentschaft, die sein Land gerade übernommen hatte, missbraucht. Wie bereits in den vergangenen zehn Jahren rechnet er jedoch damit, dass seine Reise nach Moskau, abgesehen von erregten Äußerungen westlicher Partner, keine schwerwiegenden Folgen haben wird.“
Echte Pendeldiplomatie
Radio Kommersant FM sieht politischen Nutzen in Orbáns weithin gescholtener Mission:
„Im Gegensatz zur EU schien die Nato über die Reise des ungarischen Regierungschefs im Bild gewesen zu sein. Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Kollegen seien bei der nächsten Sitzung des Militärblocks bereit, Orbáns Informationen über die Ergebnisse seiner Mission anzuhören. ... Der Moskau-Besuch von Viktor Orbán dürfte also unter den Begriff Pendeldiplomatie fallen. ... Orbán ist faktisch der einzige Vertreter der westlichen Gemeinschaft, der in die russische Hauptstadt reisen und dabei die öffentliche Verurteilung durch seine Verbündeten hinnehmen kann. Jedenfalls gibt es jetzt gewisse Bewegung in die richtige Richtung, auch wenn nicht ganz klar ist, welche das ist.“
Operation Anbiederung an Trump
Die Ukraine und der vermeintliche Friedenswunsch sind für Orbán nur ein Mittel zum Zweck, vermutet Ukrajinska Prawda:
„Für Ungarn ist nicht das Ergebnis wichtig, sondern der Prozess. Viktor Orbán ist sich wohl bestens darüber im Klaren, dass seine Bemühungen keine wirkliche Wirkung haben werden. Das Ziel ist ein anderes. Der heutige Regierungschef Ungarns richtet seine Außenpolitik traditionell an den Beziehungen zu den USA aus. Sein Verhältnis zu Biden ist seit Langem hoffnungslos zerrüttet, sodass Orbán entgegen der internationalen Etikette offen Donald Trump unterstützt, auf seinen Sieg setzt und alles tut, um einer von Trumps Hauptkontaktpersonen in Europa zu werden. Und die Ukraine ist nur ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.“