Orbán provoziert erneut in Siebenbürgen

Seit Jahren nutzt Ungarns Premier Viktor Orbán die Bühne der Sommeruni im rumänischen, aber überwiegend ungarischsprachigen Băile Tușnad für besonders provokante Reden. Auch in diesem Jahr übte er heftige Kritik an Brüssel, Washington und der neuen Regierung in Warschau. Mit scharfen Worten antwortete diesmal Polens Vizeaußenminister Władysław Teofil Bartoszewski: Orbán solle sich fragen, warum er eigentlich noch in der EU sei.

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Wprost (PL) /

Polnisch-ungarisches Verhältnis in Trümmern

Das Verhältnis zwischen Polen und Ungarn ist von Freundschaft zu Gegnerschaft gekippt, stellt Wprost fest:

„Von unserer romantischen Bruderschaft mit Ungarn sind nur noch historische Gefühle und enge zwischenmenschliche Beziehungen übrig geblieben, von denen zum Beispiel die zahlreichen gemischten Ehen in beiden Ländern zeugen. Auf politischer Ebene haben sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Kaczyńskis Polen und Orbáns Ungarn nach dem russischen Angriff auf die Ukraine von der Kühle eines kalten Krieges zu einer offenen Konfrontation zwischen Budapest und der Mannschaft von Donald Tusk entwickelt.“

Spotmedia (RO) /

Er wird langsam auch für Rumänien zur Gefahr

Das politische Regime des ungarischen Premiers muss isoliert werden, heißt es bei Spotmedia:

„Orbán ist den Zuweisungen aus Warschau zufolge ein Feind der EU, der skrupellos dem Kreml-Regime hilft, das einen unabhängigen Staat überfallen hat. Ein Sieg Putins in der Ukraine würde Orbán einen Grund mehr geben, den Trianon-Vertrag in Frage zu stellen. Das zeigt auch, wie wichtig es für Rumänien ist, sich schnellstens als regionaler Akteur zu etablieren, was die Sicherheit der Nato angeht, und die Beziehungen zu Polen und den baltischen Staaten sowie im Süden zu Bulgarien und Griechenland zu festigen, um einen Schutzwall gegen Russland zu bilden und das politische Regime von Viktor Orbán zu isolieren.“

Rzeczpospolita (PL) /

Visegrád ist tot

Die ursprünglich über das Visegrád-Bündnis gestärkte Zusammenarbeit zwischen Warschau und Budapest hat keine Zukunft, ist Rzeczpospolita überzeugt:

„Für Polen bedeutet der hitzige Streit mit Ungarn, dass es seine außenpolitische Strategie endgültig revidieren muss. Die Visegrád-Gruppe ist tot, und es müssen Alternativen für sie gefunden werden. Eine davon könnte das Weimarer Dreieck sein, aber die Lähmung der Regierung in Frankreich schränkt die Wirksamkeit dieses Formats stark ein. Eine andere Idee wäre, die Zusammenarbeit im Ostseeraum zu verstärken oder auf bilaterale Beziehungen insbesondere mit Tschechien oder Deutschland zu setzen.“

RFI România (RO) /

Warschau reagiert, Bukarest schweigt

Auch die rumänische Regierung muss deutliche Worte finden, fordert RFI România:

„Der direkte Angriff Warschaus an die Budapester Adresse ist indirekt auch eine Ohrfeige für Rumänien, das Land, das seit Jahren Gastgeber der traditionell revisionistischen, rassistischen, antiwestlichen und pro-russischen Rede von Viktor Orbán ist. Und ein Land, dessen Premier [Marcel Ciolacu] nichts Schlimmes an den Äußerungen von Viktor Orbán findet, solange sie nicht direkt Rumänien betreffen. Es scheint, als ob Rumänien nicht zur EU gehöre. Die Reaktion Polens - eines strategischen Partners Rumäniens - steht in krassem Gegensatz zum hartnäckigen Schweigen der Bukarester Behörden und der herzlichen Begrüßung Orbáns durch Ciolacu.“

Népszava (HU) /

Flirten mit Kaczyńskis PiS

Népszava sieht einen taktischen Schachzug:

„Was könnte Orbáns Motivation sein, außer seiner Antipathie gegenüber Tusk? ... Durch die Attacke auf Tusk möchte sich Orbán in Wirklichkeit Kaczyńskis Partei annähern, vielleicht in der Hoffnung, dass die PiS früher oder später ihre Meinung ändert und der Fraktion Patrioten für Europa beitritt. ... Diese Bestrebungen des ungarischen Regierungschefs deuten darauf hin, dass er und seine engsten Mitstreiter immer wieder mit der Tatsache konfrontiert werden, dass sie trotz ihrer schnoddrigen und selbstgefälligen Äußerungen letztlich bedeutungslose Akteure in Europa sind.“

Espreso (UA) /

Die Kluft wird größer

Espreso rekapituliert:

„Der Regierungswechsel in Polen und die Tatsache, dass in der Slowakei die Regierung von Robert Fico an die Macht kam, der in seinen Ansichten über die europäische Integration Orbán nahesteht, hat Warschau von der Notwendigkeit befreit, an der Unterstützung Budapests festzuhalten, und Budapest davon, Warschau weiter zu unterstützen. Nun kann Orbán damit rechnen, dass im Falle entschiedener EU-Maßnahmen gegen sein Land diese von Robert Fico blockiert würden. Und die polnische Regierung hat so gut wie nichts mit der ungarischen Regierung gemeinsam, denn die Ansichten von Donald Tusk und Viktor Orbán über die Werte der EU, über die europäische und euro-atlantische Integration sind diametral entgegengesetzt.“