Brandenburg-Wahl: SPD siegt knapp vor AfD

Die SPD hat die Landtagswahlen in Brandenburg knapp vor der Rechtsaußen-Partei AfD gewonnen. Grüne und FDP kamen nicht in den Landtag, dafür aber die neue Partei BSW. Die Brandenburger Sozialdemokraten wollen sowohl mit dem drittplatzierten BSW als auch der viertplatzierten CDU Sondierungsgespräche führen. Kommentatoren beleuchten die Stimmung in Deutschland und die Rolle der Bundespolitik.

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Tygodnik Powszechny (PL) /

Deutschland rückt nach rechts

Eine Veränderung des Zeitgeistes im Nachbarland konstatiert Tygodnik Powszechny:

„Die Landtagswahlen im Osten waren ein großer Stimmungstest für die gesamte Bundesrepublik. In einem Jahr wird im [ganzen] Land neu gewählt. Schon jetzt zeichnet sich ein Rechtsruck in der gesamten Bevölkerung und eine Ablehnung des liberalen Migrationskurses der Regierung von Olaf Scholz ab. Klimapolitische Themen, die noch vor wenigen Jahren eine zentrale Rolle spielten, sind fast vollständig aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Den veränderten Zeitgeist haben die Christdemokraten der CDU erkannt. Ihr Kanzlerkandidat ist Friedrich Merz. Der konservative Politiker will mit der AfD um die Stimmen der rechten Wählerschaft kämpfen. Die nächsten zwölf Monate werden jenseits der Oder eine Zeit großer Veränderungen sein.“

G4Media.ro (RO) /

An anderen europäischen Radikalen orientieren

G4Media.ro wirft einen Blick auf die Sonntagsumfragen zur Bundestagswahl:

„Die von Friedrich Merz geführte CDU führt mit 31 bis 35 Prozent deutlich in den Umfragen, doch sein Dilemma ist, mit wem er regieren wird, wenn sich die Umfragen bestätigen. … Im rechten Flügel der CDU gibt es bereits Stimmen, die fordern, der AfD die Hand zu reichen, die wiederum eine Allianz mit der CDU als einzige Möglichkeit sieht, an die Macht zu kommen und eine strenge Einwanderungskontrolle durchzusetzen. Doch dafür müsste sich die AfD jedoch als rechtspopulistische Partei profilieren, ähnlich wie Fratelli d’Italia, der RN in Frankreich und die FPÖ in Österreich und jene Revisionisten in der Partei ausgrenzen, die sich von der nationalsozialistischen Vergangenheit angezogen fühlen.“

Birgün (TR) /

Auch Bundespolitik im Fokus

Birgün analysiert:

„Ein erheblicher Teil der Bevölkerung in den neuen Bundesländern ist gegen die Positionen der Regierung zur Ukraine, zu Russland und Israel. Die AfD und das BSW, die sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, die Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland, die Moskau oder auch weiter entfernte Ziele treffen können, die Embargos gegen Russland, die die Wirtschaftskrise verschärfen, wenden, haben die Wahlen gewonnen. ... Diese Themen liegen in der Verantwortung des Bundes, nicht der Länder. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Koalitionen mit dem BSW in Landesregierungen die Politik des Bundes beeinflussen werden.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Aufschub für den angeschlagenen Kanzler

Die Regierungskoalition in Berlin wurde schwer gebeutelt, schreibt Gazeta Wyborcza:

„Der Sieg von Woidke in Brandenburg ist eine gute Nachricht für Scholz, der einer Debatte darüber entgehen dürfte, ob er angesichts der schlechten Umfragewerte seiner Partei noch ein Mandat zum Regieren des Landes hat. Die SPD und die Grünen zahlen einen hohen Preis für die Koalition auf Bundesebene. Ebenso die Liberalen von der FDP, die bei den Wahlen in Brandenburg so schlecht abgeschnitten haben, dass sie in den Umfragen gar nicht erst aufgeführt wurden. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass nur vier Parteien in den Landtag einziehen, könnten sich die Verhandlungen zur Regierungsbildung als kompliziert erweisen. Der wichtigste Akteur wird dann wohl das Bündnis von Sahra Wagenknecht sein.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Unzufriedenheit deutlich gemacht

Die Neue Zürcher Zeitung verweist darauf, dass AfD und BSW zusammen fast die Hälfte der Stimmen errungen haben:

„Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ..., die AfD auf den zweiten Platz zu verweisen. Die Rechtspartei steht damit erneut im Zentrum der politischen Auseinandersetzung – und dies in Brandenburg, das lange ... als stabil linkslastig galt. ... Rechnet man die Stimmen hinzu, die das ... Bündnis Sahra Wagenknecht aus dem Stand errungen hat, gaben fast 45 Prozent der brandenburgischen Wähler den Parteien am linken und am rechten Rand ihre Stimme. Die ostdeutschen Wähler haben ihre Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und dem etablierten Politikangebot also erneut mehr als deutlich gemacht.“

The Economist (GB) /

Nochmal Glück gehabt

Das Ergebnis hat Scholz eine kleine Atempause verschafft, glaubt The Economist:

„Im Vorfeld der Wahl wurde in Berlin darüber gesprochen, dass er als Kandidat der SPD im Bundestagswahlkampf abgelöst werden könnte – ähnlich wie die Ablösung des wenig überzeugenden Joe Biden durch Kamala Harris in den USA. Das deutsche Pendant von Harris wäre wohl der beliebte Verteidigungsminister Boris Pistorius. Seine Zustimmungsrate liegt derzeit bei 53 Prozent, die von Scholz bei nur 18 Prozent. ... Der knappe Sieg der SPD in Brandenburg könnte Scholz eine Atempause von den Gerüchten um seine bevorstehende Ablösung als Kanzlerkandidat der Partei verschafft haben – zumindest vorübergehend.“

La Stampa (IT) /

Der eigentliche Gewinner ist Woidke

Das Wahlergebnis zeugt von einer wachsenden Polarisierung, klagt La Stampa:

„Die Gefahr, dass einem der Seufzer der Erleichterung im Halse stecken bleibt, ist nicht gering. Denn der eigentliche Gewinner dieser Wahlrunde ist der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke. ... Er hat gewonnen, obwohl sein Land objektiv nach rechts rückt und obwohl der Kanzler keine Hilfe war. ... Nicht nur das, sondern mit diesem Ruf zu den Waffen nach dem Vorbild Macrons – 'entweder ich oder die Rechten' – hat er zwar ein positives persönliches Ergebnis erzielt, aber er hat auch die politische Auseinandersetzung so weit polarisiert, dass er den Grünen und sogar der CDU (die noch nie so schlecht abgeschnitten hat) Wähler weggenommen hat.“

Salzburger Nachrichten (AT) /

Spiegelbild der Stimmung im Land

Für die Salzburger Nachrichten steht Brandenburg stellvertretend für ganz Deutschland:

„Das Bundesland, das Berlin umschlingt wie Niederösterreich Wien, ist ein guter Gradmesser für die Stimmung im Land. Im Speckgürtel von Berlin wohnt eine Mischung aus West- und Ostdeutschen, Ex-DDR-Elite ebenso wie Wendeverlierer, Altwestberliner ebenso wie zugezogene Westdeutsche. Die Erzählung über Ostdeutschland funktioniert hier nicht so wie in Sachsen und Thüringen. Insofern sind AfD- und BSW-Boom sowie Altparteienniedergang ein Spiegelbild für die gesamtdeutsche Gemengelage.“