Frankreichs neuer Premier: Bringt Bayrou Stabilität?

Nur wenige Tage nach dem Sturz der französischen Mitte-rechts-Regierung unter Michel Barnier hat Präsident Emmanuel Macron den Zentrumspolitiker François Bayrou zum neuen Premier ernannt. Inwieweit diesem nun eine regierungsfähige Mehrheit zuzutrauen ist und welche Aufgaben diese dann meistern müsste, erörtert Europas Presse.

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L'Opinion (FR) /

Pauschal kürzen und die Wogen glätten

L'Opinion rät zur Passivität:

„Herr Bayrou, Frankreich braucht Ihr sehr bewährtes Talent des Nichtstuns. … Für 2025 sollten Sie den Haushalt von 2024 übernehmen und ohne Ausnahme alle Ausgaben pauschal um 3 Prozent kürzen. Einerseits setzen sie Frankreich damit augenscheinlich wieder auf einen seriösen Kurs. … Andererseits verhindern Sie jede Art von Beschwerden, indem Sie kontern können: 'Alle sitzen im selben Boot. Punkt.' … Jede Ausnahme würde Polemiken heraufbeschwören und ein Misstrauensvotum bewirken. … Und vor allem, Herr Bayrou: Keine lauten Debatten mehr im Parlament! ... Zwei Jahre Ruhe im Parlament? Puh! Sie werden sehen, die Franzosen werden Sie dafür lieben.“

La Libre Belgique (BE) /

Die Nase voll von Stillstand

Bayrou muss mutig zur Tat schreiten, fordert hingegen La Libre Belgique:

„Mit einem Defizit, das das von Belgien übertrifft, einer schwindelerregend hohen Verschuldung und einer Bevölkerung, die zu 87 Prozent vom Niedergang des Landes überzeugt ist, ist der Bedarf an mutigen Entscheidungen größer denn je. … Der eingefleischte Zentrist François Bayrou muss versuchen, die Franzosen zu versöhnen und das Land aus dem politischen Treibsand zu befreien, in dem die Demokratie nach und nach versinkt. … Dazu muss er das volle Ausmaß erkennen und sich möglicherweise auf den wachsenden Unmut seiner Mitbürger über die Untätigkeit der Politiker stützen. ... Dieser Überdruss an politischen Spielen könnte ein unerwarteter Verbündeter der Bayrou-Regierung sein.“

Público (PT) /

Sparen wird auch für ihn sehr schwer

Público sieht mit einem Premier Bayrou keine grundlegend veränderten Rahmenbedingungen:

„Er wird wie Barnier mit rechts und links verhandeln müssen und befindet sich in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation mit einem Defizit von bis zu sechs Prozent und einer Staatsverschuldung, die bereits die von Spanien und Portugal übertroffen hat. ... Die Märkte zeigen bereits Warnzeichen. Die Franzosen mögen keine Sparmaßnahmen. Sie sind immer bereit, auf die Straße zu gehen. Mit anderen Worten: Frankreich scheint in die Falle einer politischen Blockade getappt zu sein, die von den Extremen garantiert wird und deren Ende nicht absehbar ist.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Wenn einer, dann er

Macron hat von vielen schlechten Optionen noch die beste gewählt, findet der Frankreich-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Oliver Meiler:

„Bayrou ist kein Macronist. Er war zwar zentral für Macrons Aufstieg an die Macht 2017, er gilt als Königsmacher. Doch Bayrou ist in erster Linie Bayrou. Bekannt und beliebt. Eine Persönlichkeit mit einer ganz eigenen politischen Prägung und einer langen Geschichte mit den Franzosen. Er war schon Zentrist, als Macron noch ein Kind war, aber ein echter. In wirtschaftlichen und sozialen Fragen steht Bayrou der Linken näher als den Liberalen. In gesellschaftspolitischen Belangen neigt der Katholik und Laizist eher zur Tradition. Wenn es jetzt einer fertigbringen könnte, sich etwas länger im Amt zu halten, trotz der Verwerfungen im Parlament, dann ist es er. Aber wie lange wohl?“

El País (ES) /

Macron hat sich wieder einmal taub gestellt

El País wägt ab:

„Bayrou ist ein für seine Dialogfähigkeit bekannter Politiker, was angesichts der Zersplitterung unerlässlich ist. ... Es bestehen jedoch große Zweifel an seinen tatsächlichen Möglichkeiten, mit einem Mindestmaß an Effizienz und Stabilität zu arbeiten. Das Wahlergebnis vom Juli legte nahe, dass ein gemäßigt Progressiver angemessener wäre, aber Macron hat sich wieder einmal taub gestellt. ... Bayrou ist eine fragwürdige Wahl, aber zum Wohle Frankreichs und der EU muss er versuchen zu regieren und dabei berücksichtigen, dass der progressive Block bei den Wahlen an erster Stelle stand. Das bedeutet, dass er Maßnahmen vorschlagen muss, die ihm die Unterstützung der konstruktivsten und verantwortungsbewusstesten Mitglieder Nouveau Front populaire sichern können.“

The Times (GB) /

Le Pen ist die Schlüsselfigur

Als Galionsfigur des Rassemblement National hat Marine Le Pen nun die Fäden in der Hand, meint The Times:

„Sie traf die Entscheidung, sich dem von einem Bündnis linker Parteien vorgeschlagenen Misstrauensantrag gegen Barnier anzuschließen. Das machte Barniers Hoffnungen auf eine Amtszeit über die kurzen drei Monate hinaus zunichte. ... Es ist unwahrscheinlich, dass sie sich einem weiteren Misstrauensantrag gegen Bayrou anschließt, der bereits von Jean-Luc Mélenchon, dem Vorsitzenden der radikalen Linken, angekündigt wurde. Damit würde sie ihr Image als verantwortungsbewusste Politikerin der Rechten, die im Interesse des Landes handelt und an dem sie ein Jahrzehnt gearbeitet hat, aufs Spiel setzen.“