Europa: Wie umgehen mit Musks Einmischung?

Der Tech-Milliardär und künftige US-Berater für Behördeneffizienz Elon Musk mischt sich immer unverblümter in europäische Politik ein. Kurz vor der Bundestagswahl lobte er die AfD und bezeichnete Kanzler Olaf Scholz als "inkompetenten Trottel". Dem britischen Premier Keir Starmer warf er vor, in seiner früheren Position als Leiter der Staatsanwaltschaft einen Missbrauchsskandal nicht angemessen aufgeklärt zu haben.

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Irish Independent (IE) /

Bedrohung ernst nehmen

Demokratien müssen sich vor Einflussnahme schützen, meint Irish Independent:

„Musk hat die Angewohnheit, sich bei Gegenwind zurückzuziehen. Er wetterte gegen das Verbot von X durch den brasilianischen Obersten Gerichtshof, nachdem X gegen ein Desinformationsverbot verstoßen hatte, und zahlte dann stillschweigend die Strafe, um das Verbot aufheben zu lassen. ... Gewählte Regierungen sind nicht machtlos. Sie können Gesetze zur Parteienfinanzierung erlassen, um ausländische Einflussnahme zu verhindern. Sie können offizielle Regierungskonten auf X schließen. Sie können aufhören, öffentliche Aufträge an Musks Unternehmen zu vergeben. Musks Wahlbeeinflussung ist eine ernsthafte Bedrohung und muss ebenso ernsthaft bekämpft werden.“

RFI România (RO) /

Fingerspitzengefühl gefragt

Der Journalist Ovidiu Nahoi analysiert in RFI România:

„Das Problem ist, dass eine scharfe Sanktion die Europäer in Konflikt mit dem Weißen Haus bringen könnte, da Musk in weniger als zwei Wochen zur US-Verwaltung gehören wird. … Die EU sollte dennoch ihre Gesetze durchsetzen, aber gleichzeitig darauf achten, die Reibungen mit Trump möglichst klein zu halten. Die Europäer sollten X, aber auch andere Plattformen verpflichten, irreführende oder hasserfüllte Konten zu entfernen und Transparenz bei Werbepraktiken zu erzwingen. ... Und gleichzeitig zeigen, dass es nicht ihr Ziel ist, speziell Musk oder US-Firmen anzugreifen, sondern dass es ihr um den Schutz von Wahlen und die Integrität von Informationen geht, unabhängig davon, woher sie im Netz stammen.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Der Kontinent darf sich das nicht gefallen lassen

Diese Einmischung lässt sich nicht einmal mit unterschiedlich geprägtem Kommunikationsstil rechtfertigen, stellt Eesti Päevaleht klar:

„Elon Musk drückt sich mit Trump'scher Direktheit und ohne Beschönigung aus. Politische Korrektheit scheint ihm wenig wert zu sein. Die Dinge sind jedoch ein wenig aus dem Ruder gelaufen, weil seine Angriffe gegen europäische Länder und Politiker persönlich werden. In Europa macht man so etwas nicht. ... Kein Geschäftsmann, vor allem nicht in den USA, sollte das Recht haben, sich in die Politik europäischer Länder einzumischen, auch nicht auf die mildeste Art und Weise. Nur Europa selbst kann uns retten, und es ist Europa, auf das wir warten, um Vorschriften und Gesetze zur Verfolgung des Missbrauchs sozialer Medien zu erlassen.“

The Independent (GB) /

Mit Sachlichkeit gegen Hetze

The Independent kommentiert den Umstand, dass Starmer bei einer Pressekonferenz am Montag mit seiner bisherigen Strategie des Ignorierens gebrochen hat:

„Der Premier hat sich zu Recht gegen diese falschen Anschuldigungen gegen ihn gewehrt: Er zerlegte sie in ihre Bestandteile und wies sie geduldig und sachlich zurück. So verteidigte Starmer seine Rolle als Leiter der Staatsanwaltschaft, in der er weit davon entfernt war, muslimische Vergewaltigerbanden zu decken, sondern vielmehr eine führende Rolle bei ihrer Bekämpfung spielte – wobei er, wie er betonte, drei seiner fünf Jahre mit einem konservativen Generalstaatsanwalt zusammenarbeitete. ... Musks Schocktaktik wird Schlagzeilen machen, ob Starmer darauf reagiert oder nicht, insofern kann er ebenso gut versuchen, die Fakten darzulegen.“

Aargauer Zeitung (CH) /

Jetzt wird klarer, was Journalismus bedeutet

Der Kontrast zwischen Meinungsmache und journalistischer Arbeit wird jetzt deutlicher, meint die Aargauer Zeitung:

„Für die journalistischen Medien ist die Neuausrichtung von Facebook und X eine Chance. Ihre Unverzichtbarkeit tritt wieder klarer zu Tage. Sie werden von Profis gemacht, die nicht anonym, sondern greifbar sind; gerade im Regionaljournalismus kennt man sie oft. Sie sind der Wahrhaftigkeit verpflichtet, arbeiten nach qualitativen und ethischen Standards. Passieren Fehler, werden sie korrigiert, und es gibt die Möglichkeit, rechtlich gegen das Medium vorzugehen. Journalistische Medien sind weit davon entfernt, perfekt zu sein. Aber dass sie dereinst von Facebook & Co. überflüssig gemacht werden, erweist sich definitiv als Illusion.“