Baltikum löst sich vom russischen Stromnetz
Ein lange vorbereiteter und technisch komplizierter Schritt soll an diesem Wochenende möglichst ohne Wirbel über die Bühne gehen: Estland, Lettland und Litauen wollen am Samstag die letzte Verbindung zum postsowjetischen Elektrizitätssystem, dem sogenannten Brell-Ring, kappen und ihre Stromnetze nach einigen Tests voraussichtlich am Sonntag mit dem übrigen Europa synchronisieren. Kommentatoren ordnen ein.
Die letzte Fessel kappen
Energieexperte Valdemar Fiodorovič beschwichtigt in IQ:
„Für Litauen und die anderen baltischen Staaten ist dies ein historischer Moment: die Abkopplung vom sowjetischen Energiering Brell. ... Es kursieren – oft von feindlichen Kräften befeuerte – Gerüchte, dass der Schritt zu massiven Stromausfällen oder drastisch steigenden Preisen führen könnte. Doch für die meisten Verbraucher wird sich kaum etwas ändern. ... Über Jahre hinweg war die Brell-Verbindung eine Art Nabelschnur, die Russland für energetische Erpressung nutzte – ähnlich wie bei Öl- und Gaslieferungen. Während die Abhängigkeit von letzteren Ressourcen bereits überwunden wurde, blieb die Stromverbindung eine der letzten Fesseln, die Litauen daran hinderte, die Kontrolle über sein eigenes Energiesystem vollständig zu übernehmen.“
Ein hoffentlich unauffälliger Riesenschritt
Der Chef des estnischen Netzversorgers Elering, Kalle Kilk, erklärt in Maaleht:
„Wenn alles nach Plan läuft, wird es niemandem auffallen, aber der Schritt ist von seiner Bedeutung her vergleichbar mit der Einführung der Krone [die 1992 den Rubel ersetzte und 2011 dem Euro wich] oder dem EU-Beitritt. Mit diesem lange vorbereiteten Schritt verringern wir die geopolitischen Risiken und machen uns völlig unabhängig von Russland, das immer noch einen gewissen Einfluss auf unser Stromnetz und unseren Markt hat. ... Wir haben uns seit Jahrzehnten darauf vorbereitet, das russische Stromnetz zu verlassen, besonders intensiv seit 2018-2019. Wir haben erhebliche Investitionen getätigt, um unser Stromnetz zu stärken, mit Hunderten von Millionen Euro an EU-Geldern.“