Rumänien: Verfahren gegen Georgescu eingeleitet

Der Streit um die annullierte Präsidentschaftswahl in Rumänien geht weiter. Der im nun ungültigen ersten Wahlgang siegreiche Rechtspopulist Călin Georgescu wurde vorübergehend festgenommen und verhört. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm u. a. die Anstiftung zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und falsche Angaben zur Wahlkampffinanzierung vor.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Der Fall wirft unangenehme Fragen auf

Der Tages-Anzeiger hinterfragt sowohl das Verhalten der Trump-Regierung als auch jenes der rumänischen Justiz:

„Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach Vertreter der US-Regierung hinter verschlossenen Türen Druck auf Rumänien ausüben, um Georgescu den Wiederantritt bei der Neuwahl im Mai zu sichern – was auch im Sinne Putins wäre: Georgescu fordert, das Nato-Mitglied Rumänien solle seine Unterstützung für die benachbarte Ukraine einstellen. ... Zugleich muss sich auch die rumänische Justiz sehr kritische Fragen zu ihrer Rolle im Fall Georgescu gefallen lassen. Das Vorgehen des Verfassungsgerichts, das dessen Wahlsieg in erster Runde zunächst explizit bestätigte und dann doch annullierte, wirkte in Teilen erratisch.“

Hotnews (RO) /

Bitte auch stichhaltige Beweise liefern

Hotnews gibt zu bedenken:

„Wichtig ist nicht so sehr, was die Anführer der USA – seien es Vance, Musk oder Trump – über Rumänien posten. Die Gefahr besteht nicht in der US-Reaktion, sondern in der Beschaffenheit des Falles. Sollte die Beweislage gegen Georgescu nicht stichhaltig genug sein, dann haben Vance und Musk einen Treffer gelandet. Das Beispiel Rumäniens, das gegen einen Präsidentschaftskandidaten auf Grundlage dünner Beweise ermittelt, würde dann wohl bei allen künftigen Treffen mit EU-Politikern hervorgekramt. 'Wenn so die europäische Demokratie aussieht, dann habt ihr kein Recht, uns zu kritisieren. Ihr habt viel größere Probleme', werden Trumps Leute sagen.“

Tygodnik Powszechny (PL) /

Hypnotisierender Außenseiter

Georgescu hat Qualitäten, die viele Rumänen bei anderen Kandidaten vermissen, wirft Tygodnik Powszechny ein:

„Im Vergleich zu den meisten rumänischen Politikern scheint Georgescu - gut gekleidet, gepflegt und in schönstem Rumänisch sprechend (auf eine geradezu hypnotisierende Weise!) - einfach eine neue Qualität darzustellen. Offensichtlich war die Wahl eines von den tonangebenden Gruppen unabhängigen und radikalen Kandidaten, der als 'respektlos' wahrgenommen wurde und dessen Rhetorik nationalistische und patriotische Gefühle anspricht, für viele Rumänen die Chance, ihren Verdruss über das seit Jahrzehnten bestehende politische System zum Ausdruck zu bringen.“

The Times (GB) /

Eine gefährliche Mischung

The Times versucht das Phänomen Georgescu mit Vergleichen einzuordnen:

„Würde man eine künstliche Intelligenz damit beauftragen, den Macho-Nationalismus von Präsident Putin, amerikanische Verschwörungstheorien und die bizarren Gesundheitstipps von Robert F. Kennedy Jr. zu kombinieren, käme vielleicht jemand wie Călin Georgescu heraus. Wenn er nicht gerade in Videos zu sehen ist, in denen er auf Pferden reitet oder im Putin-Stil Judo-Gegner über die Schulter wirft, hat der Präsidentschaftskandidat Zeit, ein Vorwort für die rumänische Ausgabe eines Kennedy-Buchs zu schreiben, in dem die Covid-Impfstoffe kritisiert werden.“

Deutsche Welle (RO) /

Warum nicht früher?

Der Rumänische Dienst der Deutschen Welle wundert sich, dass den Vorwürfen erst jetzt nachgegangen wird:

„Eine ganze Reihe von Indizien legen nahe, dass die rumänischen Strafverfolgungsbehörden alles über die Verbindungen des extremistischen Präsidentschaftskandidaten zu den Söldnern von Horațiu Potra wussten. ... Auch Georgescus Verbindungen zu Russland waren bekannt. Die rumänischen Geheimdienste wussten über alles Bescheid, auch über den aktuellen Vorwurf der Staatsanwaltschaft eines geplanten Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung. Mit anderen Worten: Călin Georgescu wird beschuldigt, einen Staatsstreich geplant zu haben. Warum die einheimischen Geheimdienste darüber nichts vor der Annullierung des ersten Wahlgangs gesagt haben, bleibt eine unbeantwortete Frage.“

republica.ro (RO) /

Rumänischer Staat hat noch Antikörper

Wenn die staatliche Immunabwehr wirklich funktioniert, ist noch etwas Hoffnung, lobt republica.ro:

„Seit ein paar Tagen scheint der rumänische Staat aufgewacht zu sein. Es gibt Anzeichen, dass er sich wehrt, dass er Antikörper hat. Und dass er seine Entscheidungen nicht an den Reaktionen der Anhänger von Călin Georgescu ausrichtet, sondern nach dem Gesetz. Und wenn sich dieser Staat, der offenbar jetzt einige Schritte unternimmt, seine Bürger zu schützen, in den kommenden Tagen nicht noch einschüchtern lässt, dann haben wir noch Hoffnung. Die Hoffnung, dass wir zur Normalität zurückkehren und dann dem Rechtsstaat frischen Wind einhauchen können. Einen, den er dringend braucht, denn in den vergangenen zwei Monaten hatte er aufgehört zu atmen.“

G4Media.ro (RO) /

Musk will auch hier Chaos säen

Dass Elon Musk die kurzzeitige Festnahme von Georgescu auf X als "messed up" kritisiert, beschäftigt das Portal G4Media.ro:

„Mit drei Posts in nur wenigen Stunden ist Elon Musks Absicht sehr eindeutig: Er will die Öffentlichkeit in Rumänien aufwiegeln, die Ermittlungen verteufeln, Călin Georgescu zum Opfer machen. Das Gleiche hat Elon Musk in Deutschland mit der rechtsextremen AfD gemacht und es hat teilweise funktioniert. ... Es besteht die große Gefahr, dass die Straßenproteste eskalieren könnten und Călin Georgescu zum Märtyrer wird. Die kommenden Stunden und Tage werden für den rumänischen Staat entscheidend sein.“