Trump und Putin einigen sich auf partielle Feuerpause – und nun?
Im Telefonat mit US-Präsident Donald Trump hat Wladimir Putin einem Verzicht auf Angriffe gegen Energie-Infrastruktur für 30 Tage zugestimmt, nicht jedoch der von Washington und Kyjiw zuletzt vorgeschlagenen umfänglichen Waffenruhe. Laut Trump wollen nun beide Seiten weiter "schnell an einem vollständigen Waffenstillstand arbeiten". Europas Medien beleuchten das Resultat des Gesprächs.
Minimaler Erfolg
Für Avvenire wurde wenig bewegt - aber immerhin mit positivem Vorzeichen:
„Nach drei Jahren Krieg ist jede nicht abgefeuerte Rakete, jede nicht abgeworfene Bombe ein begrüßenswertes Ergebnis. Das lange Telefongespräch deutet jedoch darauf hin, dass eine Annäherung zwischen Washington und Moskau leichter sein wird als ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine. Der 30-tägige Stopp der Angriffe auf die Energieinfrastruktur, dem der Kremlchef auf Vorschlag des US-Präsidenten zustimmte, ist die erste selbst auferlegte Einschränkung der russischen Kriegshandlungen seit Beginn des Konflikts. Es wird sich bald zeigen, ob damit auch ein Rückgang der Angriffe auf andere zivile Ziele einhergeht.“
Der erste Testlauf für Friedensgespräche
Die Umsetzung der begrenzten Feuerpause wird wichtige Erkenntnisse für langfristige Vereinbarungen liefern, schreibt Politologe Wolodymyr Fessenko auf Facebook:
„Demnächst müssen detaillierte Verhandlungen über eine Waffenruhe bei Häfen und Energieinfrastruktur beginnen. Das sollten schon direkte Gespräche zwischen Expertengruppen aus Russland, der Ukraine und den USA sein. ... Das wird der erste Test sein – wie schnell und effizient eine Einigung über eine solche Waffenruhe erreicht werden kann. Auch werden die Verhandlungsmechanismen und -verfahren in der Praxis erprobt. Und dann steht die Hauptprüfung an: Wie wird diese Vereinbarung umgesetzt? Davon wird die Zukunft der Verhandlungen über einen vollständigen Waffenstillstand abhängen.“
Moskau spielt mit dem Feuer
Russland hat aktuell eine gute Verhandlungsposition, sollte Trumps Wohlwollen aber nicht überstrapazieren, ist bei Capital zu lesen:
„Die Rückeroberung fast aller von der Ukraine besetzten Gebiete in der Region Kursk und der langsame, aber stetige Vormarsch im Donbass machen Moskau recht zuversichtlich. ... Putin dürfte entschlossen sein, Trumps 'Einfühlungsvermögen' auszunutzen. In diesem Sinne könnte die Strategie des russischen Präsidenten darin bestehen, sich in den wesentlichen Punkten unnachgiebig zu zeigen, um ein Friedensabkommen zu erreichen, das den russischen Forderungen entgegenkommt. ... Doch hier könnte Moskau mit dem Feuer spielen. Russische Hybris könnte in der Tat zu einer Änderung der US-Politik gegenüber der Ukraine führen - zum Nachteil Moskaus.“
Für Putin ist alles Verhandlungsmasse
Politologe Ihar Tyschkewytsch liest in Unian drei Pfeiler von Moskaus Verhandlungsstrategie heraus:
„Erstens den Versuch, das Feld der Diskussion zu erweitern, indem man den USA Dienste in anderen Regionen anbietet und im Gegenzug Zugeständnisse in Bezug auf die Ukraine verlangt. Zweitens die 'Fragmentierung' der Fragen des Krieges in der Ukraine, indem man versucht, einzelne Bestandteile zu eigenständigen Verhandlungspfaden zu machen – so etwa die Frage des Schwarzen Meeres, in Zukunft vielleicht auch die Energiefrage. Drittens: Den USA werden wirtschaftliche Vorteile (oder einfach Ressourcen) als Gegenleistung für bestimmte politische Zugeständnisse angeboten. Russlands Positionierung gegenüber China wurde bislang noch nicht auf den Tisch gelegt. Aber ich denke, dass Putin diesbezüglich sowohl mit Washington als auch mit Peking feilschen wird.“
Ukraine war nicht das einzige Thema
Der in Israel lebende Politologe Abbas Galliamow benennt auf Facebook auch den Iran als bedeutsamen Gegenstand des Telefonats:
„Putins Verhandlungsstrategie liegt der Versuch zugrunde, die Anzahl der zu besprechenden Fragen zu erweitern - mit dem Ziel, eigene Zugeständnisse bei anderen, für ihn weniger wichtigen Themen (wie etwa den Nahen Osten) gegen Zugeständnisse von Trump in Sachen Ukraine einzutauschen. Allerdings sollten die Ukrainer noch keinen Groll auf den US-Präsidenten hegen: Putins Hauptforderung, während einer Waffenruhe die Ukraine nicht aufzurüsten, hat er abgelehnt. Genau deshalb ist kein großer Waffenstillstand zustande gekommen. Aber dank dem Thema Iran ist es gelungen, sich nicht zu zerstreiten.“
Es geht eben nicht ruckzuck
Die Süddeutsche Zeitung ist vorsichtig optimistisch:
„[D]em Kommuniqué zufolge, veröffentlicht nach Ende des Telefonats, haben die beiden keinen Schaden angerichtet und sich in vorsichtigen Schritten dem Problem genähert. Vor allem der Verweis auf einen Waffenstillstand im Bereich der Energie-Infrastruktur lässt hoffen. ... [O]ffenbar scheinen die ukrainischen Nadelstiche gegen russische Raffinerien ihre Wirkung zu entfalten. Vielleicht hat Russland auch Respekt vor dem neu entwickelten ukrainischen Marschflugkörper, der kurz vor dem Einsatz steht. Dann also weitere Verhandlungen, in Saudi-Arabien. Auch das ist eine gute Nachricht, weil die Komplexität des Krieges nicht im Handumdrehen wegzuwischen ist.“