Datenpanne in Washington: Was lässt sich herauslesen?

Statt über speziell gesicherte Kanäle haben Vizepräsident J. D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Sicherheitsberater Mike Waltz vertrauliche Informationen in einer Signal-Chatgruppe geteilt, zu der auch ein Journalist hinzugefügt wurde. Dabei ging es unter anderem um Zeitplan und Ziele für den Luftangriff auf die jemenitische Huthi-Miliz am 15. März. Kommentatoren ziehen Schlüsse auf mehreren Ebenen.

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De Volkskrant (NL) /

Gefährlicher Leichtsinn

Ein solch fahrlässiger Umgang mit geheimen Informationen ist nicht nur für die USA eine Gefahr, warnt De Volkskrant:

„Durch die im Januar angeordneten Massenentlassungen von 160 erfahrenen Beamten des Nationalen Sicherheitsrates ist viel Know-how verloren gegangen. Dass das Vorgehen [der Chat-Mitglieder] tatsächlich so amateurhaft war, ist schockierend. Sogar die einfachsten Sicherheitsmaßnahmen werden mit Füßen getreten. ... Das ist für die Niederlande (erneut) eine deutliche Warnung: Die USA bringen Angehörige von Armee und Informationsdiensten in Gefahr. Wenn sie so leichtsinnig umgehen mit ihren eigenen Informationen und eigenen Menschen, dann gilt das sicher auch für die ihrer Verbündeten.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Auch als Dilettanten muss man sie ernst nehmen

Hospodářské noviny hält fest:

„Die derzeitige amerikanische Führung befindet sich in einer ähnlichen Situation wie die russische: Sie kann wegen ihrer Inkompetenz und ihres Dilettantismus verspottet werden. Das sollte aber nicht den falschen Eindruck erwecken, man dürfe die Trump-Jungs unterschätzen. Ihre Entschlossenheit, Amerika nach ihrem eigenen Image unter der Marke Make America Great Again zu verändern, und ihr offener Hass auf Europa müssen absolut ernst genommen werden – ebenso wie die russischen Drohungen und Putins Bemühungen, die Ordnung in Europa zu ändern.“

Deutschlandfunk (DE) /

Die Hybris ist beunruhigend

Für die Washington-Korrespondentin des Deutschlandfunks, Doris Simon, passt die Geschichte nur zu gut zum Dauergerede der Regierung über vorgebliche Effizienz und von Musks DOGE:

„Nicht lange fackeln mit dem umständlichen Weg über den Kongress oder den Rechtsweg. Stattdessen chaotische Kürzungen und Entlassungen mit dramatischen Folgen. Oder eben praktisch-schnelle Messenger-Nachrichten anstelle immer in den Keller zu müssen in den abhörsicheren Raum. Eine verschlüsselte App soll reichen für Angriffsplanungen, die in jedem Fall Menschenleben kosten: Die Hybris in dieser US-Regierung zwei Monate nach dem Amtsantritt von Donald Trump ist nicht nur für US-Bürger beunruhigend.“

El Mundo (ES) /

Offen feindselig gegenüber der EU

Die Wortwahl im geleakten Chatverlauf interpretiert El Mundo:

„Vizepräsident J.D. Vance zeigt sich in dem Gespräch offen feindselig gegenüber Europa. Als Vance bemerkt, dass er es 'hasst', europäischen Ländern helfen zu müssen, schlichtet Verteidigungsminister Pete Hegseth den Streit, indem er zugibt, dass er seine 'Abneigung' gegen 'Schmarotzer' teilt. ... In dieser vulgären und offensichtlich improvisierten Konversation wird deutlich, dass Trump von Europa nicht nur eine Verteidigungsanstrengung fordert, was verständlich sein könnte, sondern dass er eine offenkundige Feindseligkeit gegenüber der EU hegt. ... Das passt perfekt zu seiner Strategie der Stärkung der rechtsextremen Parteien, die die Innenpolitik der EU-27 destabilisieren.“

Jutarnji list (HR) /

Gilt Artikel 5 noch?

Die Art, in der US-Beamte über Europa kommunizieren, wirft Fragen zur Bündnistreue auf, meint Jutarnji list:

„Der alte Kontinent, inklusive des Kreml, hat nochmal schwarz auf weiß bestätigt bekommen, dass Washington seinem ältesten Verbündeten keinen Rückhalt mehr garantiert, egal ob diese angefangen haben, sich bis zu den Zähnen zu bewaffnen, um zu retten, was von den transatlantischen Beziehungen unter Donald Trump (und J. D. Vance) noch zu retten ist. Bleibt zu klären, ob das bedeutet, dass Artikel 5 der Nato nicht mehr gilt. ... Europa stellt sich diese Frage ungläubig und fürchtet die Konsequenzen für seine Zukunft. Russland stellt sich diese Frage enthusiastisch und kalkuliert seine nächsten strategischen Züge.“

Igor Eidman (RU) /

Das Weiße Haus ist zum Narrenschiff geworden

Für Soziologe Igor Eidman geht die Peinlichkeit über Datenschutzfragen hinaus, wie er auf Facebook schreibt:

„In den USA sind Schwachsinnige an die Macht gekommen, die die Folgen ihres Handelns nicht verstehen. Davon zeugt nicht nur die pathologische Sorglosigkeit bei der Besprechung der Geheimoperation, sondern auch deren Gehalt. Demnach erwarteten Trumps engste Mitarbeiter ernsthaft, ein Luftangriff auf die Huthi könnte die Bedrohung für den Schiffsverkehr durch den Suezkanal beseitigen. ... Nicht nur öffentlich, sondern auch in der geheimen Korrespondenz zeigen sie eine völlig verzerrte Wahrnehmung des Weltgeschehens und glauben wirklich an einfache Lösungen für hochkomplexe Fragen. Russland, China und der Iran können feiern. Das Weiße Haus hat sich in ein Narrenschiff verwandelt.“