Ukraine-Beratungen: Soll Russland die Krim bekommen?

In London beraten am heutigen Mittwoch Vertreter der Ukraine und wichtiger europäischer Verbündeter über eine mögliche Friedenslösung. Die USA schicken den Sondergesandten Keith Kellogg. Reichlich Diskussionsstoff bieten dabei US-Medienberichte, wonach Washington bereit wäre, die 2014 von Moskau annektierte Krim als russisch anzuerkennen. Auch solle eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen bleiben.

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Glavkom (UA) /

USA brechen eigene Regeln

Die Anerkennung der Krim als russisches Gebiet würde außenpolitischen Grundsätzen der USA widersprechen, betont Politologe Wiktor Schlintschak in einem von Glavkom übernommenen Facebook-Post:

„Bevor die USA von der Ukraine eine 'Lösung' für die Krim fordern, sollten sie sich zunächst öffentlich von der 2018 unterzeichneten Krim-Deklaration lossagen (die übrigens nicht während der Amtszeit des 'verhassten' Biden, sondern unter der ersten Trump-Administration verabschiedet wurde). Darin wurde insbesondere die Nichtanerkennung der Annexion der Halbinsel durch Russland bekräftigt. ... Diese Deklaration stützte sich auf die Stimson-Doktrin, die besagt, dass die USA gewaltsame Gebietsgewinne unter keinen Umständen anerkennen. Dieser Grundsatz ist fast einhundert Jahre alt.“

Berlingske (DK) /

Nicht vorschnell verzichten

Berlingske hält territoriale Zusagen für verfrüht und deshalb falsch:

„Wenn die Krim oder andere Teile der besetzten ukrainischen Gebiete ins Spiel kommen sollten, dann nur als Verhandlungsmasse und nicht als bloßes Geschenk an Russland ... Vorstellbar ist auch ein Kompromiss, der darin besteht, dass man sich über die umstrittenen Gebiete nicht einig ist und eine endgültige Entscheidung auf spätere Verhandlungen vertagt. Ein verfrühter Verzicht auf die Krim würde jedoch bedeuten, den Druck auf den Angegriffenen im Krieg zu erhöhen. Die USA und Europa sollten sich einig sein, genau das Gegenteil zu tun, aber wir müssen uns der Realität stellen.“

The Daily Telegraph (GB) /

Krim und Nato-Beitritt abschreiben

Die ukrainische Führung sollte endlich von unrealistischen Maximalforderungen für ein Friedensabkommen abrücken, rät The Daily Telegraph:

„Sind die Forderungen an Kyjiw, auf die Krim und eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten, grobe Verletzungen der ukrainischen Souveränität? Zweifellos. … Doch ist es dem Land militärisch oder diplomatisch überhaupt möglich, die Krim zurückzugewinnen? Und hat Kyjiw angesichts der Einwände vieler wichtiger Nato-Staaten eine realistische Chance, dem Militärbündnis als Vollmitglied beizutreten? Die Antwort auf beide Fragen lautet Nein. Praktisch gesehen verliert die Ukraine durch die Anerkennung des neuen Souveränitätsstatus der Krim oder die Akzeptanz der eigenen Neutralität nichts, was sie nicht bereits verloren hat.“

Neatkarīgā (LV) /

Werden Grenzen verschiebbar?

Für Neatkarīgā geht es bei der Frage der Zugehörigkeit der Krim ums Prinzip:

„Seit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975, die die Unverletzlichkeit der Grenzen vorsieht, hat es bis heute weltweit keine einzige völkerrechtlich anerkannte Grenzänderung gegeben. ... Nirgendwo kam es jemals zum Anschluss des Territoriums eines Landes an ein anderes. Würde der Anschluss der Krim an Russland international anerkannt, würde dies das Ende des geltenden Prinzips der Unverletzlichkeit von Grenzen bedeuten, wodurch wiederum eine neue Welle von Grenzverschiebungen weltweit drohen würde. Mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Daher ist es schwer vorstellbar, dass die Ukraine und Europa zu einem solchen Schritt bereit wären. Anders als Trump, für den weder Gesetze noch Lehren aus der Geschichte gelten.“

Alexandr Kochetkov (UA) /

Eskalation des Krieges ist programmiert

Die Ukraine und die EU müssen sich auf eine Intensivierung der russischen Angriffe einstellen, schreibt Blogger Olexander Kotschetkow auf Facebook:

„Selenskyj könnte ein solches Friedensabkommen nur im Flugzeug unterzeichnen – auf dem Weg ins dauerhafte Exil, aus dem er nicht ausgeliefert werden kann. Er wird es also nicht tun. Deshalb muss man mit einer Verstärkung der russischen Aggression rechnen, einschließlich einer Intensivierung der Raketen- und Drohnenangriffe auf unsere Städte. Ob die Frontlinie relativ stabil bleibt, wird davon abhängen, wie gut es uns und den Europäern gelingt, neue Lieferketten für Waffen und Munition ohne US-Beteiligung aufzubauen.“