Iran: Schneiden sich USA ins eigene Fleisch?
US-Präsident Trump hat Unternehmen davor gewarnt, trotz US-Sanktionen Handel mit dem Iran zu treiben. "Jeder, der mit dem Iran Geschäfte macht, wird KEINE Geschäfte mit den Vereinigten Staaten machen", schrieb Trump auf Twitter. Von Kommentatoren muss er dafür viel Kritik einstecken.
Frontalangriff auf die Souveränität anderer Länder
Trump erpresst Europa, warnt der Brüssel-Korrespondent von La Repubblica, Andrea Bonanni:
„Letztendlich hat Trumps Herausforderung des Iran, auch wenn sie rein wirtschaftlich weniger einschneidend scheint, politisch eine weitaus größere Schlagkraft als der Handelskrieg, den er mit dem Rest der Welt führt, von Kanada über China bis nach Europa. Ziel des Zollkonflikts ist es, ein Gleichgewicht wiederherzustellen, das die USA auf dem Markt verloren haben. Der Konflikt um die iranischen Sanktionen hingegen zielt darauf ab, die Souveränität anderer Mächte über ihre eigene Außenpolitik, ihre eigene Handelsstrategie und letztlich ihre eigenen Unternehmen zu zerstören. “
Trump verspielt transatlantisches Bündnis
Mit seinem Alleingang brüskiert der US-Präsident die europäischen Verbündeten, klagt De Volkskrant:
„Trump zermalmt den breiten Konsens über das Eindämmen iranischer Atom-Ambitionen und schont dabei weder Freund noch Feind. Wer so etwas tut, sollte besser wissen, dass er Recht hat und dass sein Handeln die Lage nicht verschlechtern wird und zum Beispiel zur Wiederaufnahme des iranischen Kernwaffenprogramms oder einem eskalierenden regionalen Krieg führt. Aber davon kann keine Rede sein. ... Trump opfert einen internationalen diplomatischen Konsens und die Unterstützung der Verbündeten für ein reines Glücksspiel im Mittleren Osten. Und er wettet dabei auch mit europäischen Jetons - und das wird die Beziehung weiter belasten.“
Diesmal stehen die USA allein da
Die neuen Iran-Sanktionen werden die USA international weiter isolieren, glaubt Yeni Şafak:
„Für die Iran-Sanktionen, die sie sich in den Kopf gesetzt haben, scheinen Trump und seine Regierung diesmal anders als erwartet keine breite Allianz zu finden. ... So signalisieren fast alle am Atom-Deal beteiligten Länder und die EU, dass es keinen Grund gibt, das Abkommen aufzukündigen und sie weiter Handel mit dem Iran führen werden. ... Die Sanktionen gegen den Iran, ebenso wie die zuvor begonnenen Handelskriege mit China und der EU, sind ein Weg der USA, sich abzuschotten. Mit seinen Handelskriegen signalisiert das Land, dass es sich einigelt, und setzt mit Einschränkungen der freien Zirkulation von Kapital und Waren einen neuen Trend entgegen der Globalisierung. Dieser Trend wird niemandem nutzen, doch den größten Schaden wird niemand anderes als die USA davontragen.“
Signal der Selbstbehauptung
Der Deutschlandfunk begrüßt die Reaktion der EU:
„EU-Unternehmen wird mit dem jetzt in Kraft tretenden Blockade-Statut untersagt, Geschäftsbeziehungen mit dem Iran wegen der US-Sanktionsdrohung abzubrechen. Aber wie will man im Einzelfall prüfen, warum ein Unternehmen ein Geschäft nicht abschließt? ... Klarer Fall, die Reichweite des Blockade-Statuts ist sehr begrenzt, mag sein, dass Washingtons Sanktionen doch den wirtschaftlichen Absturz des Iran bewirken. Aber Europas Gegenwehr sendet ein wichtiges Signal aus. Nach Washington, aber auch in den Rest der Welt. 'So lassen wir mit uns nicht umspringen!', so heißt das Signal. Es ist ein Signal der Selbstbehauptung. Ein Signal, dass die EU auch künftig ein verlässlicher Partner sein will.“
Vertragstreue kann wehtun
Die EU darf nicht zum Erfüllungsgehilfen der USA werden, fordert auch die Wiener Zeitung:
„Die Europäische Union kann nicht akzeptieren, dass die Regierung in Washington entscheidet, mit welchen Ländern Unternehmen aus EU-Ländern Geschäfte machen und mit welchen nicht. Dass das Regime in Teheran alles andere als ein guter Partner für Europa ist, ist allen Beteiligten bewusst: Die Mullahs wollen die Auslöschung Israels, fördern Terrororganisationen wie die Hamas oder die Hisbollah und haben ihre Hände in Stellvertreterkriegen vom Jemen bis Syrien im Spiel. Regimegegner, kritische Intellektuelle, Journalisten und Künstler riskieren genauso wie Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsaktivisten ihre Freiheit, ihre Gesundheit oder gar ihr Leben. Dennoch: Der Iran hat sich bisher an alle Punkte des Abkommens gehalten und keinen Grund geliefert, die Sanktionen wieder einzusetzen.“
EU leider nicht am längeren Hebel
Die EU kann noch so oft beteuern, dass sie die Handelsbeziehungen mit Teheran aufrecht erhalten will, am Ende könnte sie machtlos bleiben, fürchtet Politikberater Radu Ghelmez auf seinem Blog bei Adevărul:
„Leider haben die großen europäischen Wirtschaftsgiganten schon erklärt, dass sie die Beziehungen mit dem Iran beenden werden, um nicht den Zugang zum riesigen amerikanischen Markt zu verlieren. Einen Zugang, den die Schutzmaßnahmen der EU nicht garantieren können. Es kann sein, dass wir in eine Lage geraten, in der die EU zwar Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran zulässt und ermutigt, doch kein europäisches Unternehmen dieses Risiko eingehen will. Dann haben auch die Iraner keinen wirklichen Grund mehr, im Nuklearabkommen zu bleiben und werden darauf verzichten.“