Ökonomie als Schlüssel zum Klimaschutz?
Die neue Klimastrategie der EU-Kommission soll die EU bis 2050 klimaneutral machen, vor allem durch eine Abkehr von Öl, Kohle und Gas. Während einige Medien vor dem Klimagipfel in Katowice darauf pochen, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten sich noch stärker engagieren, setzen andere auf die umweltpolitische Läuterung des Menschen.
Klimapolitik geht nur global
Beim Klima sind nationale Alleingänge fehl am Platz, mahnt der Energie-Experte Wojciech Jakóbik in der Rzeczpospolita:
„Selbst nach der vollständigen Umsetzung des Pariser Abkommens würde sich die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,3 Grad Celsius erwärmen. Wir brauchen also eine globale Führung, die neue Instrumente und Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels schafft. ... Der Gipfel in Katowice gibt Gelegenheit, darüber zu sprechen. … Wer wird die Klimadiskussion wohl gewinnen, Multilateralisten oder Globalisierungsgegner?“
Das muss auf die Agenda zum Europa-Wahlkampf
Die EU-Wirtschaftspolitik muss verstärkt den Klimaschutz fördern, fordern die Ökonomen Michael Vincent und Ollivier Bodin im Onlineportal euractiv:
„[Die aktuellen Haushaltsregeln] bieten einen gewissen Spielraum, der es erlaubt, bestimmte Investitionen vor dem Abgleich des Defizits mit der Norm herauszurechnen. Dieser Spielraum sollte daraufhin überprüft werden, wie Investitionen und Ausgaben gefördert werden können, die die Wirtschaft nachweislich grüner machen. Die nach der Finanzkrise eingeführten Verfahren zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedsstaaten tragen der Dringlichkeit, mit der der Klimawandel bekämpft werden muss, nicht mehr ausreichend Rechnung. Das Prozedere muss dringend überarbeitet werden. Vor der Debatte über fachliche Details brauchen wir eine politische Debatte als Teil des Europawahlkampfes.“
Kinderverzicht wäre Kapitulation
Die sich ausweitende Gink-Bewegung (Green Inclinations, No Kids) will das Klima durch einen Verzicht auf Nachwuchs retten. Libération ermutigt zu einer hoffnungsvolleren Weltanschauung:
„Dieser Auffassung zufolge schadet der Mensch nur, da er konsumiert und somit CO2 freisetzt. Die Zukunft sei zwangsläufig apokalyptisch. Eine sehr düstere Vorstellung von der Menschheit. … Man kann das Gedankenspiel auch umkehren. Und die Hoffnung nähren, dass die künftigen Generationen, die besser über die Herausforderungen für Umwelt und Wirtschaft Bescheid wissen und umfassender über Chancen und Risiken des technologischen Fortschritts informiert sind, sich daran machen, das zu reparieren, was wir zurzeit gefährden. Diese Hoffnung wird nicht von naivem Optimismus getragen, sondern beruht ganz einfach auf dem tiefen Vertrauen in die Wandlungsfähigkeit des Menschen.“
Haushaltsdisziplin ist hier fehl am Platz
Den UN-Klimaexperten zufolge muss die Welt ihre Anstrengungen verdreifachen, will sie den Klimawandel abbremsen. Solche apokalyptischen Warnungen funktionieren nicht mehr, stellt De Morgen fest:
„Der emotionale Ansatz und die moralische Züchtigung unseres Verhaltens erweisen sich als unzureichend und sogar kontraproduktiv. Man sollte stattdessen auf die rationale Entscheidung für Wissenschaft und technologische Erneuerung setzen. ... Zu Recht sagt der Ökonom Paul De Grauwe, dass die Europäische Kommission, die nun den Kontinent bis 2050 klimaneutral machen will, dieselbe Instanz ist, die wie ein Buchhalter jede große staatliche Investition haushaltspolitisch bestraft. Wir müssen uns entscheiden: Entweder die Haushaltsnormen von EU, OECD und IWF oder alles fürs Klima. Eigentlich sollte die Entscheidung schnell gemacht sein.“
Leidtragende leben woanders
Den Klimawandel anhand der wirtschaftlichen Folgen zu diskutieren, hat Vorteile, aber auch einen Haken, erklärt Die Presse:
„Diese Debatte ist gut, weil sie den Finger in die Wunden ineffizienter planwirtschaftlicher Energiewenden legt und den Weg zur marktnahen Lösung weist: einer CO2-Steuer, die andere Steuern ersetzt. Aber sie ist auch gefährlich: Wir können uns die Klimasünden ökonomisch nämlich tatsächlich leisten – wenn man mit 'wir' die reichen Bewohner der Industriestaaten meint. Die wahren Opfer des Klimawandels sitzen in den Savannen und Slums von Afrika. Sind wir also doch wieder bei der Moral?“
Die Armen können es nicht alleine schultern
Mit Blick auf die Proteste der Gelben Westen in Frankreich stellt sich Expressen die Frage, wie nachhaltige Klimapolitik aussieht:
„Die Europäische Kommission hat gestern einen Plan für ein Erwärmungsziel von 1,5 Grad vorgestellt. Dieser Strategie zufolge wird die Welt bis 2050 klimaneutral sein. Die Ziele sind ehrgeizig und langfristiger als die bisherigen Pläne (bis 2030), und die vorgeschlagenen Maßnahmen sind konkret. Es könnte tatsächlich funktionieren. Viele politische Führer der Welt müssten es wagen, so unpopulär zu sein wie Macron. Die Maßnahmen der Europäischen Kommission sind mit erheblichen Belastungen verbunden. Gleichzeitig muss erkannt werden, dass Klimaschutzmaßnahmen, die nur die Arbeiterklasse treffen, nicht nachhaltig sind. Es werden noch viele Schaufenster kaputt gehen, wenn sich Reich und Arm nicht bald die Last der Klimakrise teilen.“
Polen macht sich lächerlich
Gazeta Wyborcza schließlich schimpft über Polens Selbstdarstellung vor dem Klimagipfel:
„Es ist großartig in Polen. Polen ist eine Oase der Normalität und der sauberen Luft, mit grünen Wiesen, üppigen Wäldern, Windparks und Elektroautos. Zumindest im Werbespot vor dem UN-Klimagipfel am 3. Dezember. ... Das ist ein schlechter Witz. Der einzige wahre Satz darin ist: 'Das ist unser Zuhause, aber wir können es verlieren, wenn wir uns nicht darum kümmern.' Gut, dass sich die Regierung zumindest dessen bewusst ist. Schade, dass sie nichts tut, um sich wirklich um dieses Zuhause zu kümmern.“