Iran und USA: Kommt es zum Krieg?
Die Sorge vor einer Eskalation am Persischen Golf wächst: Während die USA Kriegsschiffe in die Region schicken, hat Teheran mit den Vorbereitungen zu einer gesteigerten Urananreicherung begonnen. US-Präsident Trump und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif lieferten sich ein Wortgefecht auf Twitter. Kommentatoren analysieren die Konfliktlinien und loten Lösungswege aus.
Kritiker werden leicht zu kämpfenden Patrioten
Die militärische Stärke Irans sollte man auf keinen Fall unterschätzen, analysiert Militärhistoriker Gwynne Dyer in Cyprus Mail:
„Die iranische Armee ist in etwa so groß wie die der Vereinigten Staaten. Aber durch zusätzliche freiwillige Kämpfer könnte sie sich schnell auf das Zehnfache vergrößern, wie dies während der von den USA unterstützten irakischen Invasion im Iran 1980-88 der Fall war. ... Würden sich die Iraner in einer solchen Anzahl freiwillig melden? Natürlich würden sie. Viele Iraner mögen das derzeitige Regime nicht, aber sie sind Patrioten. Eine US-Invasion würden sie genauso wenig begrüßen, wie die amerikanischen Liberalen eine ausländische Invasion unterstützen würde, die ihnen verspricht, sie von Donald Trump zu befreien.“
Alles konzentriert sich auf den Erzfeind Iran
US-Präsident Trump hat drei Fronten eröffnet, die als gemeinsamen Nenner der Hauptfeind Iran kennzeichnet, analysiert Kolumnist Gerardo Morina in Corriere del Ticino:
„Seit 2007 beschuldigen die Vereinigten Staaten Huawei-Mitarbeiter, über die Beziehung ihres Unternehmens zur iranischen Firma Skycom zu lügen, die offenbar fälschlicherweise behauptet, keine Tochtergesellschaft von Huawei zu sein. ... Das Hauptproblem ist also auch hier der Iran, wo Trump kürzlich seine zweite Front eröffnete und einen Flugzeugträger in den Golf schickte. Zudem fordert Washington den Iran auf, alle Atom- und Raketenprogramme einzustellen, seine Streitkräfte aus Syrien zurückzuziehen. Das ist die dritte Front. Außerdem soll der Iran die destabilisierende Politik im Irak, in Afghanistan und am Golf beenden und bewaffneten Gruppen wie Hisbollah, Hamas oder den Huthi die Unterstützung entziehen. All dies sind Voraussetzungen für ein neues Atomabkommen.“
Brüssel wird mal wieder tatenlos bleiben
Die EU müsste entschieden auftreten, um einen Krieg zu verhindern, fordert Delo:
„Weil die USA gemeinsam mit ihren Verbündeten immer lauter die Kriegstrommel schlagen und weil sich auch das irrationale Verhalten des Iran und dessen Verbündeten steigert, müsste in Anbetracht der aktiven militärischen Rolle Russlands im Nahen Osten und der klinisch toten Vereinten Nationen diesmal die EU die diplomatische Schlüsselrolle einnehmen: ähnlich wie beim iranischen Atomabkommen. Für die EU wäre das auch die Gelegenheit, sich mit Blick auf die Nahost-Politik endgültig von der verhängnisvollen US-Hörigkeit zu lösen. Doch weil die Zeit für EU-Standards knapp ist und weil viele europäische Länder zu den wichtigsten Waffenexporteuren gehören, ist es leider unwahrscheinlich, dass sich Brüssel einem eventuellen Angriff auf den Iran vehement entgegenstellt.“
Besonnene Stimmen dringen nicht durch
Schon einmal gab es eine mit heute vergleichbare Lage, erinnert Naftemporiki:
„Es wird eine ähnliche Situation geschaffen wie die im Jahr 2003, die zur Intervention der USA und Großbritannien im Irak geführt hat, unter dem Vorwand der Existenz von Atomwaffen, die nie gefunden wurden. ... Die Gefahr eines neuen Kriegs im Persischen Golf ist mehr als sichtbar. Und das alles inmitten wachsender regionaler Spannungen, US-Interventionsszenarien in Venezuela und zunehmender militärischer Präsenz im Südchinesischen Meer. Die Kriegstrommeln werden überall geschlagen, und die Stimmen der Besonnenheit und Diplomatie werden von Falken übertönt, die von schnellen Interventionen träumen, die für alle tödlich sein können.“
Riskante psychologische Kriegsführung
Das Muskelspiel zwischen Trump und Rohani kann leicht aus dem Ruder laufen, warnt die regierungstreue Star:
„Derzeit ist eine Politik der kontrollierten Spannung zu beobachten, die von Drohungen, Einschüchterungen und Kampfansagen getragen wird. ... Es ist durchaus möglich, dass Trump und Rohani Wege finden, um sich Handlungsspielräume in Grauzonen zu erschaffen. ... Doch sobald Dritte in diese gespannte Atmosphäre eintreten, ist unvorhersehbar, wohin sie führt. Es besteht immer die Gefahr, dass eine kontrollierte Spannung außer Kontrolle gerät. In dieser wegen Erdöl entbrannten Eskalation haben Saudi-Arabien und die Golfländer ihren Anteil. Zugleich weiß man, dass in dieser Phase Israel, das den Iran bis aufs Blut hasst, und die Israelfreunde in der US-Führung sehr einflussreich sind.“
Die Vorbereitungen sind eindeutig
Ein Krieg im Persischen Golf wird immer wahrscheinlicher, fürchtet der Journalist Iwan Jakowyna in Nowoje Wremja:
„Heute wird aus dem Irak berichtet, dass die US-Botschaft in Bagdad insgesamt evakuiert wurde. Die meisten amerikanischen Diplomaten haben die Botschaft schon verlassen, nur noch lebenswichtiges Personal bleibt dort. Anscheinend bereiten sich die Amerikaner darauf vor, dass diese Botschaft nach dem Beginn einer Militäroperation gegen den Iran das Ziel von Vergeltungsschlägen sein wird. Die militärischen Vorbereitungen dort werden offensichtlich, sodass im Herbst ein Krieg wahrscheinlich beginnen wird. Es sei denn, es passiert noch etwas Außergewöhnliches.“
Das kann nicht einmal Trump wollen
Militärhistoriker Gwynne Dyer warnt Trump in Cyprus Mail vor den Folgen eines Angriffs:
„Wenn die USA angreifen, wird niemand dem Iran helfen, obwohl die anderen Unterzeichner des Atomwaffenvertrags, den Trump gebrochen hat, wissen (und sagen), dass der Iran seine Verpflichtungen eingehalten hat. Die USA würden den Iran nur bombardieren, nicht vor Ort einmarschieren. Aber dann würde sich der Konflikt ausbreiten: Minen in der Straße von Hormus, Raketenangriffe der Hisbollah auf Israel, vielleicht ein Aufstand der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien. Viel Tod und Zerstörung ohne Chance auf ein glückliches Ende. Ich glaube wirklich nicht, dass Donald Trump dies wünscht. Vielleicht sollte es ihm jemand sagen.“
Washington droht nur
Washington will Teheran einschüchtern, aber keinesfalls angreifen, ist sich Milliyet sicher:
„Wir befinden uns derzeit nicht in einer Phase heißer Kriege zwischen Staaten. Noch vor ein paar Monaten wurden Befürchtungen laut, zwischen Nordkorea und den USA könne der Atomkrieg ausbrechen. Und was ist passiert? Man schloss Frieden. Hinzu kommt Trumps Motto 'America First'. Der US-Präsident möchte das internationale Engagement reduzieren und sich aufs Innere konzentrieren. Sein Militär wieder in Nahost anzusammeln, ist das Letzte, was er will. Genau deswegen verhängt er gegen Teheran eine Sanktion nach der anderen, verlegt seine Kriegsschiffe nach Basra und sagt zugleich offen 'Ruft mich an!'. ... Es ist klar, dass er nur weiter versucht, Teheran mit wirtschaftlichen und diplomatischen Angriffen in die Knie zu zwingen.“
Echtes Atomabkommen verhandeln
Iran sollte nachgeben und ein umfangreicheres Atomabkommen aushandeln, rät The Daily Telegraph:
„Man sollte sich daran erinnern, warum die Trump-Regierung vor einem Jahr aus dem Atomvertrag mit dem Iran ausstieg. Sie tat es, weil sie ein neues Abkommen aushandeln wollte, das alle Aspekte der iranischen Bemühungen zur Erlangung von Nuklearwaffen abdeckt und sich nicht vorwiegend auf die Anreicherung von Uran konzentriert. Daher sollte der Iran, wenn er seine Wirtschaft wieder in Schwung bringen will, Washingtons Angebot für neue Verhandlungen annehmen, anstatt eine erneute Konfrontation mit dem Westen zu provozieren, die er nie und nimmer gewinnen kann.“
Washingtons Kriegstreibern den Weg versperren
Europa tut gut daran, Abstand zu den Hardlinern im Weißen Haus zu wahren, mahnt die Wiener Zeitung:
„Washington mag in der Krise eine strategische Chance erblicken und hofft auf einen Regimewechsel. Ein solcher wäre der Bevölkerung des Iran zu wünschen, doch das Beispiel Irak (aber auch Libyen) zeigt, dass ein Regimewechsel durch externe Player nicht zum Erfolg führt. Für die EU wäre eine kriegerische Auseinandersetzung in direkter Nachbarschaft Europas eine Katastrophe. Also müssen die Europäer Allianzen gegen diese Pläne schmieden, aber zugleich Druck auf Teheran aufbauen, um Washington einen Weg in Richtung Iran-Krieg zu versperren.“
EU muss Koalition der Unwilligen bilden
Die EU darf sich weder spalten lassen noch ins scheinbar Unausweichliche fügen, mahnt auch die taz:
„Sie muss, wenn sie bei Trump auf taube Ohren stößt, dämpfend auf Saudi-Arabien und Israel einwirken, denen ein Krieg gegen Iran gelegen käme. Berlin hat ein recht gutes Verhältnis zu Teheran. Diese Regierung sollte nun endlich ihre seltsam ambitionslose, diffuse Außenpolitik beenden. Das heißt: in Teheran offensiv, gemeinsam mit Paris und London, vermitteln, trotz der Erpressung der USA weiter versuchen, Handelsbeziehungen mit dem Iran zu halten (und damit Einfluss) - und in Washington die Kosten eines Krieges klar machen. Trump ist wohl noch irrer als Bush und desinteressiert an Multipolarem. Das Mindeste für die EU ist - sich nicht auseinander dividieren lassen. Die EU muss die Koalition der Unwilligen sein. Es wäre was Neues.“
Zündeln am Pulverfass
Die Zuspitzung des Konflikts zwischen den USA und Iran kann schlimme Folgen haben, warnt Dnevnik:
„Obwohl ein neuer Krieg im Nahen Osten völlig irrational wäre, kann die Gefahr nicht ganz ausgeschlossen werden. Der britische Außenminister Hunt hat gestern, beim unerwarteten Besuch seines US-Amtskollegen Mike Pompeo in Brüssel, sehr richtig bemerkt, dass sich die USA und der Iran aus Versehen in einem Krieg wiederfinden könnten. Die Verlagerung der Waffen und des Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln in den Persischen Golf, die noch nicht geklärte Sabotage an den saudischen Tankern sowie die geopolitischen Konflikte, die sich sowieso im Jemen, in Syrien und den besetzten Palästinensergebieten manifestieren, und auch die erfolglose von Saudi-Arabien angeführte Unterwerfung Katars können die Lage schnell entzünden.“
Trump ließ Teheran keine Wahl
Warum das Vorgehen des Iran verständlich ist, erklärt Financial Times:
„Es war der US-Präsident, der im vergangenen Jahr einseitig aus dem internationalen Atomabkommen ausstieg. Dabei hatte es Jahre gedauert, bis dieses nach schwierigen Verhandlungen beschlossen werden konnte. Mit einer einzigen Tat schaffte es Donald Trump, die Weltordnung zu untergraben und das Atomabkommen mit dem Iran aufs Spiel zu setzen. ... Die Bemühungen Europas, die Handelskanäle mit der Islamischen Republik offen zu halten, haben sich als gänzlich ineffektiv erwiesen. Daher brachte es dem Iran nichts, sich an ein Abkommen zu halten, das darauf aufbaute, eine Beschränkung des Atomprogramms mit wirtschaftlichen Vorteilen zu belohnen.“
Europa muss Abkommen retten
Europas klugen Worten für den Erhalt des Atomabkommens müssen nun aber auch dringend Taten folgen, mahnt das Handelsblatt:
„Will sich die EU wirklich ihre Außenpolitik aus Washington diktieren lassen? Wenn das Atomabkommen ... 'unverzichtbar für unsere nationale und gemeinsame europäische Sicherheit' ist, braucht es mehr als blutleerer Erklärungen über die Sorge wegen der Folgen der unilateralen US-Politik. ... Der Iran muss wirtschaftlich stabilisiert und dann zu Verhandlungen über ein Sicherheitskonzept für die ganze Region gebracht werden. Sonst bewegt sich die Region bedrohlich schnell auf einen neuen Golfkrieg zu. ... Es ist dringend Zeit für Deeskalation und Handel, der gegenseitige Abhängigkeiten schafft und so verbindet. Dabei muss die EU eine geschlossene und entschlossene Haltung einnehmen.“
Von Anfang an ein dürftiger Deal
Dass der Iran der EU nun ein Ultimatum gesetzt hat, wertet De Telegraaf als Erpressung und folgert:
„Europa hat diese Erpressung sich selbst zuzuschreiben. Im vergangenen Jahr hätten die europäischen Führer die Seite der Amerikaner wählen müssen, als Präsident Trump aus dem schlechten Atomabkommen austrat. Stattdessen versuchte Europa, irgendwie den dürftigen Deal zu retten. Und das, obwohl die Inspektionen von Anfang an nicht streng genug waren und das Abkommen nur begrenzte Zeit gültig war. Durch die Unterstützung dieses Deals wurde der Führung in Teheran ein falsches Signal gegeben. ... Nur mit knallharten Sanktionen kann die iranische Atomgefahr eingedämmt werden, nicht jedoch, wenn man einer Erpressung nachgibt.“
EU war zu naiv
Die EU hätte im Umgang mit dem Iran von Anfang an misstrauischer sein sollen, findet auch ABC:
„Bei Verhandlungen mit Diktaturen ist die Hohe Vertreterin für Außenpolitik, die Sozialistin Federica Mogherini, zu naiv; vor allem gegenüber denjenigen Diktaturen, die offen gegen die Interessen der freien Welt verstoßen. ... Gestern sind auch die letzten Zweifel darüber verschwunden, ob der Iran wirklich die Absicht hat, auf Atomwaffen zu verzichten. Er nutzte die Antwort auf Washingtons Entscheidung, aus dem Atomvertrag auszusteigen, dazu, den USA und Europa direkt zu drohen.“
Ein Funke könnte Krieg entfachen
Am Persischen Golf kann der Konflikt zwischen den USA und dem Iran jeden Moment eskalieren, warnt Večernji list:
„Obwohl im Moment niemand mit einem Krieg größeren Ausmaßes zwischen dem Iran und den USA rechnet, fürchten Beobachter, dass schon ein Funke einen Krieg entfachen könnte. Denn beide Seiten versammeln Streitkräfte am Golf. Die USA haben mehrere B-52-Bomber an den Persischen Golf geschickt. ... Laut Pentagon basiert die Entsendung auf klaren Anzeichen, dass die iranischen Streitkräfte und ihre Anhänger einen Angriff auf die US-Kräfte planen. ... Die Iraner sind sich der amerikanischen Übermacht in der Region bewusst, weshalb sie laut Experten sicher auf eine Guerilla-Taktik auf dem Meer zurückgreifen würden.“