Was bringt Trumps Druck auf den Iran?
Die erneuten Sanktionen der USA gegen den Iran sind nach der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens ein weiterer Schritt Trumps, den Druck auf Teheran zu erhöhen. Kommentatoren erörtern, welche Auswirkungen die Strategie der Trump-Regierung auf das Land hat.
Frustrierte Bürger werden Regime stürzen
Der Unmut der breiten Masse könnte schon bald zu einer politischen Revolution im Iran führen, meint The Times:
„Die schlechte Regierung des Iran und vor allem die zentrale wirtschaftliche Rolle der Generäle der Revolutionsgarden, die sich selbst bereichern, wird letztlich zum Fall des Regimes führen. ... Am Ende liegt es an den Bürgern, eine verantwortungsvolle Regierung zu fordern statt einer, die korrupt ist und Kriegshetze betreibt. Jene, die sich gegen diesen ausgehöhlten theokratischen Staat stellen, müssen oft mit schrecklichen Strafen rechnen und dürfen keine fairen Gerichtsverfahren erwarten. Doch ihre Angst nimmt Tag für Tag ab.“
Revolutionsgarden verteidigen ihre Macht
Für unwahrscheinlich hält hingegen der Tages-Anzeiger einen Regimewechsel:
„Der Druck der Vereinigten Staaten wirkt also - die Frage ist jedoch, welche Wirkung genau er entfalten wird. Als die USA im Mai das Atomabkommen auf- und neue Sanktionen ankündigten, dauerte es nicht lange, bis in iranischen Medien offen über einen Sturz der Regierung debattiert wurde. Nicht etwa durch das hungernde Volk, das gegen seine Unterdrücker aufsteht - die Rede war davon, dass Rohani von einem Staatsstreich hinweggefegt werden könnte. Das politische System Irans mag verknöchert sein, eine dynamische Kraft gibt es aber in ihm, die ihre Macht verbissen verteidigen wird: die Revolutionsgarden, die nicht nur militärisch stark sind, sondern auch grosse Teile der Wirtschaft kontrollieren.“
Die Kunst des Verhandelns - wie sie Trump versteht
Trump handelt gegenüber dem Iran nach der "Trumpdoktrin", erklärt Paolo Mastrolilli, USA-Korrespondent von La Stampa:
„Den maximalen Druck anwenden, einschließlich haarsträubender Bedrohungen, um das bestmögliche Ergebnis am Verhandlungstisch zu erzielen. Bisher wurde das, was sich als 'Trumpdoktrin' in der Außenpolitik abzeichnet, Nordkorea, China, Russland, der Europäischen Union und nun dem Iran gegenüber angewendet. ... Die Linie geht auf das Buch 'The Art of the Deal' zurück, in dem Trump [1987] die Geheimnisse seines unternehmerischen Erfolgs umriss. Unter den goldenen Regeln gibt es zwei, die er nun auf internationale Beziehungen überträgt: Erstens, immer alle Hebel, die zur Verfügung stehen, nutzen. Zweitens, jederzeit bereit sein, vom Tisch aufzustehen, um zu zeigen, dass man auf eine Einigung verzichten kann und sich nicht mit dem erstbesten Kompromiss zufrieden gibt.“
Trump verspekuliert sich
Diesmal wird Trumps Strategie nicht aufgehen, prophezeit Le Figaro:
„Die Iraner scheinen für Trump die Koreaner am Golf zu sein. ... Also wird er mit ihnen genauso verfahren, nach dem gleichen Plan. Apokalyptische Drohungen, dann die Hand ausstrecken, dann ein spektakuläres Gipfeltreffen. Und Deal! Aber Teheran ist nicht Pjöngjang. Auch wenn es die Bombe besitzt, so ist Nordkorea doch ein einsiedlerisches Königreich, isoliert und wirtschaftlich ausgeblutet. Der Iran hingegen ist alles, nur nicht auf sich allein konzentriert. Das Land ist eine aktive regionale Macht, mit Alliierten und Vasallen überall im Nahen Osten, von Jemen bis Syrien und dem Libanon. Und es wäre naheliegend, dass die Zukunft des alten Persiens mehr Einfluss auf den Lauf der Welt haben wird, als die Nordkoreas. Trump spielt hier ein riskantes Spiel.“
Handel brächte den erhofften Wandel
Auch das Handelsblatt glaubt nicht, dass der Druck von außen Erfolge zeigen wird:
„Dafür ist das Land zu reich, sind die Reserven zu groß und ist die Bereitschaft, sich bei Bedrohungen von außen um die Führung zu versammeln, zu ausgeprägt. ... Es ist falsch, auf weitere Sanktionen und den Ausstieg aus dem Atomabkommen zu setzen. Wir sollten das Land in den internationalen Handel integrieren und die Früchte des Atomverzichts ernten lassen. Mit wachsendem Wohlstand fordern die Iraner dann mehr Partizipation ein. Schon jetzt waren die Reformer auf dem Vormarsch, die Sanktionen werden sie jäh stoppen. Das von Willy Brandt und der deutschen Wirtschaft entwickelte Konzept Wandel durch Handel hat den Eisernen Vorhang erweicht - das waren keine einseitigen US-Sanktionen.“
Washington lässt sich von niemandem was sagen
Europa ist angesichts des aggressiven Kurses Washingtons machtlos, konstatiert hingegen der Experte für Geopolitik Lucio Caracciolo in La Repubblica:
„Wir klammern uns an das Völkerrecht, um die sekundären Sanktionen der USA anzufechten, die unseren Handel mit dem Iran untergraben. Als ob das selbsternannte übergeordnete amerikanische Imperium auf die exterritoriale Anwendung seiner eigenen Gesetze verzichten oder den Verfügungen irgendeines 'internationalen Gerichtshofs' nachgeben würde. Vielleicht wird ein Krieg vermieden. Vielleicht auch nicht. Aber eine Minute vor Trumps Entscheidung, ob er in die Rolle des Oberbefehlshabers schlüpft, um die mächtigste Armee der Welt gegen den Iran zu schleudern, wird Netanjahu die einzige 'fremde' Führungskraft sein, deren Stimme Trump hören will.“