Hat das Fliegen noch Zukunft?
Die Luftfahrtbranche ächzt unter der Corona-Krise. Da die Menschen nicht mehr fliegen, kämpfen Airlines und Flugzeugbauer um ihre Existenz. In vielen Ländern Europas wird derzeit diskutiert, ob der Staat einspringen und die Flugindustrie retten soll. Kommentatoren debattieren diese Frage im Hinblick auf Arbeitsplätze, Passagierrechte und Klimaschutz.
Bitte keine Wiederbelebung
Regierungen sollten umweltschädliche Industrien einfach scheitern lassen, fordert Journalist und Umweltaktivist George Monbiot in The Guardian:
„'Nicht wiederbeleben.' Ein Etikett mit dieser Aufschrift sollte an der Öl-, Luftfahrt- und Autoindustrie angebracht werden. Regierungen sollten die Arbeitnehmer betroffener Unternehmen finanziell unterstützen. Gleichzeitig sollten sie aber neue Arbeitsplätze in anderen Bereichen schaffen. ... Sie sollten nur jene Wirtschaftszweige stützen, die dazu beitragen, das Überleben der Menschheit und allen anderen Lebens auf diesem Planeten zu sichern. Regierungen sollten die umweltschädlichen Industrien entweder aufkaufen und sie auf klimafreundliche Technologien umstellen oder das tun, was sie oft fordern, aber nie wirklich wollen: den Markt entscheiden lassen. “
Staatsbeteiligung als Chance für Klimaschutz
Die Frankfurter Rundschau argumentiert gegen die Bedenken an einer Beteiligung des deutschen Staats an der Lufthansa:
„Richtig ist, der von der Bundesregierung angestrebte Anteil an der Airline von rund 25 Prozent würde den Vorstand zum Teil entmachten. Über eine Sperrminorität könnten wichtige strategische Entscheidungen blockiert werden. Außerdem hätten im Aufsichtsrat die Arbeitnehmer zusammen mit den Vertretern der Bundesregierung eine Mehrheit. Das würde die Führungsriege um Vorstandschef Carsten Spohr zu neuen Kompromissen zwingen - orientiert an den Arbeitsplätzen. ... Das kann Langfrist-Strategien anstelle kurzfristiger Knalleffekte mit hohen Gewinnen beflügeln - etwa beim Ausbau einer Flotte mit sparsamen Flugzeugen, was Spritkosten spart. Das kann den Klimaschutz voranbringen.“
Lappland von Flugverkehr abhängig
Der finnische Staat muss die Fluggesellschaft Finnair durch die Krise bringen, fordert Lapin Kansa:
„Sorge bereitet die Lage in Lappland. Der Norden ist weit entfernt und die Erreichbarkeit für den Tourismus hier entscheidend. Deshalb ist die Provinz völlig abhängig von den Flugverbindungen, die vor der Epidemie mit viel Mühen eingerichtet wurden. Jetzt besteht die Gefahr, dass alles zusammenbricht. ... Auch Tourismusunternehmen kämpfen ums Überleben. Früher oder später wird die Krise vorbei sein und die Reiselust zurückkehren. Je weniger Schäden die Epidemie anrichtet, umso schneller wird die Rückkehr zur Normalität gelingen.“
Europas Luftfahrt retten
Schnelles und ausgeglichenes Eingreifen fordert La Vanguardia von der EU:
„Die Situation kann für die europäischen Fluggesellschaften einen Einbruch der Einnahmen in Höhe von 82,4 Milliarden Euro in diesem Jahr bedeuten und 6,7 Millionen Arbeitsplätze gefährden. ... In den USA hat die Trump-Regierung ein Rettungspaket verabschiedet, dass den Fluglinien durch direkte Anleihen aus dem Staatshaushalt hilft, die gegen Aktien getauscht werden. Die EU sollte mit derselben Schnelligkeit reagieren, wenn sie ihre Luftfahrtbranche nicht untergehen lassen will. In jedem Fall aber müssen bei diesem Plan die Hilfen ausgeglichen und gerecht unter den Fluglinien aufgeteilt werden.“
Recht auf gutes Reisen ist bedroht
Die Flugindustrie zu retten ist auch im Sinne der Passagiere, macht Laura Vol vom Passagierrechts-Unternehmen Air Indemnité in Les Echos aufmerksam:
„Besonders bedroht ist das Recht für alle, (gut) zu reisen. Ohne eine starke Solidarität wird das Flugangebot sich gewiss verschlechtern, so dass die Reisebedingungen für niemanden mehr hinnehmbar sein werden. Viele Fluggesellschaften werden sterben und die Ticketpreise könnten in die Höhe schnellen. ... Wenn die Airlines pleitegehen, haben die Passagiere fast nie die Möglichkeit, ihr Geld zurückzuerhalten. ... Die Einrichtung eines Passagierfonds wurde bei der EU-Kommission beantragt. Die Finanzierung wird zwar noch untersucht, aber sein Grundsatz ist zu begrüßen. Indem er es den Fluggesellschaften erlaubt, finanzielle Schwierigkeiten zu verhindern, bietet er den Passagieren eine gewisse Garantie und Sicherheit.“
Staatshilfen nur gegen Mitspracherecht
Der Staat sollte Fluglinien wie die Lufthansa nur retten, wenn er dafür mitreden darf, fordert Die Presse:
„[D]ie Fliegerei wird ja lang nicht zu alter Pracht zurückkehren. Bei einem zu tiefen Griff in die Beihilfenkasse besteht also durchaus die Gefahr, dass nicht haltbare Überkapazitäten mit Steuergeld konserviert werden. Insofern ist das Vorhaben der deutschen Regierung, die Rettung auch mit Eigenkapital - Cash gegen Aktien - zu versuchen, ein guter Weg. Sofern er wirklich mit stimmberechtigten Aktien gegangen wird. ... Österreich ... sollte auch diesen Weg gehen. ... Es ist der einzig marktwirtschaftliche. Und der einzige, der garantiert, dass - wenn sich das Unternehmen wieder erholt und der Aktienkurs steigt - die Steuerzahler nicht auf der gesamten Rechnung sitzen bleiben.“
Nach der Krise wartet ein unberührter Markt
Auf die überlebenden Airlines wartet nach der Krise ein Riesengeschäft, kommentiert wPolityce.pl:
„Derzeit kämpft die Luftfahrtindustrie ums Überleben. Für die, die es schaffen, heute mehr Geld zu erhalten und zu überleben, wird sich nach der Pandemie ein fast unberührter Markt eröffnen, den es zu erobern gilt. In ihrem Fall wird sich das investierte Geld wahrscheinlich zurückzahlen. Dies können wir auch daran sehen, dass schon heute die Aktienkurse von Lufthansa und Air France-KLMsteigen. Daher wäre es toll, wenn auch die polnische Lot zu den Überlebenden zählen würde.“