Bidens Klimagipfel: Was sind die Versprechen wert?
Die USA wollen bis 2030 nur noch halb so viel Treibhausgase ausstoßen wie 2005. Das verkündete Präsident Biden während des von ihm initiierten Klimagipfels und rief die wichtigsten Industriestaaten auf, das Problem gemeinsam zu lösen. Auch der Staatschef des größten CO2-Verursachers China, Xi, bekannte sich zu einer Senkung des Ausstoßes, jedoch erst ab 2030. So reagiert Europas Presse.
Es geht auch ohne Verzicht
Ambitionierte Umweltpolitik muss nicht bedeuten, dass Konsumenten große Opfer bringen, wie die erfolgreiche Umsetzung des Montreal-Protokolls zum Verbot des Ozonkillers Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) zeigt, analysiert Financial Times:
„Wir können in dieser Frage von Montreal lernen. Der bemerkenswerteste Erfolg besteht in etwas, über das wir nie nachdenken: Wir haben immer noch Kühlschränke, Klimaanlagen und Spraydosen. Es gibt keinen Verbraucherkomfort, auf den wir verzichten mussten, um die Ozonschicht zu retten. Nach dem Verbot von FCKW wurden schnell Alternativen gefunden. Vielleicht stiegen die Kosten vorübergehend, aber die heutigen Produkte sind denen der 1980er-Jahre überlegen. Die ehrliche Antwort auf die Frage, was wir opfern mussten, lautet: nichts.“
Russland und EU sollten an einem Strang ziehen
Einen russisch-europäischen "Green Deal" schlägt der Volkswirtschaftler Igor Makarow in Kommersant vor:
„Russland führt die CO2-Regulierung im eigenen Land ein und EU-Unternehmen erhalten die Möglichkeit, kohlenstoffarme Projekte in Russland unter Anrechnung ihrer Verpflichtungen zur Emissionssenkung durchzuführen. Dabei gewinnen alle: das europäische Business, das billiger als innerhalb der EU Emissionen kürzen kann, und Russland, das Investitionen erhält - und das Klima auch. Für das gleiche Geld kann man in Russland viel mehr Emissionen verhindern als in der EU. Das täte auch den Russland-EU-Beziehungen gut, die einen Impuls zur Reanimierung bekämen, statt eine neue Krise durch die Einführung eines CO2-Zolls zu erleiden.“
Der Wind kann sich auch schnell wieder drehen
Für Euphorie über die US-Initiative ist es zu früh, mahnt die Washington-Korrespondentin des Handelsblatts, Annett Meiritz:
„Denn so mitreißend der amerikanische Stil ist, bleibt er eben häufig an der Oberfläche. Wie die Klima- und Umweltziele umgesetzt werden sollen, ist unklar. Zum einen wird sich die Debatte über Zukunftschancen auf dem Jobmarkt schnell drehen, sobald es Rückschläge gibt. ... Trump wurde unter anderem deshalb gewählt, weil er Kohle und Öl schützte. ... Die Vereinigten Staaten werden sich das Vertrauen der Welt, dass sie wirklich eine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel übernehmen wollen, erst verdienen müssen. Niemand kann garantieren, dass nicht ein anderer Präsident im Jahr 2024 die bisherigen Mühen wieder rückgängig macht.“
Regenwald kann nicht mit Geld gerettet werden
Auch Brasiliens Präsident Bolsonaro nimmt am virtuellen Klimagipfel teil. In The Guardian warnen zwei frühere brasilianische Umweltminister davor, ihn zum Partner in Sachen Klimaschutz zu erheben:
„Was der Regierung fehlt, ist nicht Geld, sondern Wahrheitsliebe. Sie stritt Brände im Amazonas ab, obwohl dieser in Flammen stand. Die brasilianischen Nachrichten sind voll von Skandalen, die ständig Maßnahmen der Regierung zur Schwächung von Umweltbehörden, zur Rücknahme von existierenden Gesetzen und Missachtung von internationalen Abkommen aufzeigen. ... In so einem entscheidenden Moment ein Milliarden-Dollar-Abkommen mit der Regierung von Bolsonaro abzuschließen wird seine Entschlossenheit stärken: Es wird ein Segen für Bauern und Landräuber sein, die illegal öffentliche Wälder und indigenes Land besetzt haben. Man würde damit genau die falsche Botschaft senden.“
Der Zug ist abgefahren
Die Versprechen der Staats- und Regierungschefs kommen zu spät, mokiert sich La Stampa:
„Die Daten von Copernicus [Erdbeobachtungsprogramm der EU] zeigen auf, dass die Durchschnittstemperatur in Europa im Jahr 2020 mit 1,6 Grad über dem Durchschnitt die höchste war, die jemals gemessen wurde, volle 0,4 Grad über den fünf wärmsten Jahren überhaupt. … Steigende Temperaturen, insbesondere in diesem Ausmaß, haben verheerende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Landwirtschaft und die Wachstumszyklen der natürlichen Umgebung. ... Die Pegel der Meere und Seen steigen weiter an, das Eis schmilzt weiter, Hitzestress und Hitzewellen nehmen zu, ebenso wie Waldbrände, die sich mit Dürre- und Überschwemmungsperioden abwechseln.“
Spott aus Europa unangebracht
Statt Biden eine Show vorzuwerfen, sollten Europäer lieber die eigenen Versäumnisse angehen, findet Zeit Online:
„Wo war denn in den vergangenen Jahren die große deutsche Klimakonferenz? Oder besser noch, die große europäische Show, die die Welt begeistert, den Kameras Futter bietet, die Menschen elektrisiert und andere Regierungen antreibt? Zuletzt hat die EU mit China ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, zur Förderung der Wirtschaft. Klimaschutz spielte keine Rolle. ... Wenn von Europa seit der Pariser Klimakonferenz (und die ist bald sechs Jahre her) noch etwas international Beeindruckendes ausging, dann nicht von den Regierungen. Sondern von den Kindern. Greta Thunberg hat das Thema vorangetrieben, nicht Angela Merkel.“
Nur dabei sein reicht nicht
Mehrere Staaten, nicht nur die USA, kündigten auf dem Gipfel neue Umweltmaßnahmen an. Doch Klimaschutz darf nicht zum Wettbewerb der Versprechen werden, mahnt De Tijd:
„Wie beim Leitsatz der Olympischen Spiele - schneller, höher, stärker - erklang fast einstimmig: Schneller, grüner und nachhaltiger. Für Europa ist es wichtig, dass die USA erneut alles einsetzen, um die Erwärmung der Erde zu stoppen. Die Klimapolitik wird wieder in derselben Spur laufen. ... Für viele ist der Klimakampf perfekt, um diplomatisch zu glänzen. Das ist nicht falsch. Aber der Kampf gegen die Erderwärmung ist keine Olympiade. Teilnehmen ist gut, aber in diesem Fall muss gewonnen werden. Es geht darum, die Weltführer zur Einhaltung ihrer Versprechen zu bringen. “