EU-Vorsitz: Welches Gesicht gibt Janša Europa?
Am 1. Juli übernimmt Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft von Portugal. In Ljubljana regiert der rechtspopulistische Janez Janša, der innenpolitisch wegen seines Umgangs mit der Pressefreiheit in der Kritik steht und auf dem europäischen Parkett mit demonstrativer Nähe zu Ungarns Premier Orbán auffällt. Der Ausblick auf Sloweniens Vorsitz in Europas Medien ist denn auch eher von Skepsis geprägt.
Der falsche Mann für diese Aufgabe
Slowenien kann die gesteckten Ziele nicht erreichen, meint Otmar Lahodynsky, ehemaliger Präsident der Association of European Journalists in der Wiener Zeitung:
„Die Prioritäten des Landes reichen von der Stärkung der strategischen Autonomie der EU über den Klimaschutz und die Förderung der Rechtsstaatlichkeit bis zur Stabilität für den Westbalkan. ... Wie will sich die slowenische Regierung für Klimaschutzziele der EU einsetzen, wenn Premierminister Janez Janša wiederholt angezweifelt hat, dass die globale Erwärmung von Menschen verursacht wird? ... Nicht nur für internationale Journalistenorganisationen befindet sich Sloweniens Regierung längst auf dem autoritären Weg von Ungarn und Polen. Daher kann Janšas Versprechen, die 'europäischen Grundwerte' im nächsten Halbjahr zu verteidigen, nicht überzeugen.“
Slowenien besteht nicht nur aus seinem Premier
Janša trägt die Ratspräsidentschaft nicht allein, beruhigt Delo:
„Die Ratspräsidentschaft ist vor allem eine schwierige diplomatische und bürokratische Aufgabe im Rahmen der Entscheidungsprozesse der europäischen Gesetzgebungsverfahren. Sie muss als ehrlicher Vermittler zwischen den Mitgliedstaaten mit ihren unterschiedlichen Interessen fungieren. ... Hier wird der slowenische Ratsvorsitz viele Gelegenheiten haben, sich zu beweisen und sich zum Jahresende mit konkreten Erfolgen rühmen zu können. … Denn obwohl Premier Janša immer wieder die roten Linien des Anständigen und Akzeptablen überschritten hat, ist die Präsidentschaft ein Projekt des gesamten Landes.“
Serbiens Beitritt wird nicht wahrscheinlicher
Obwohl Slowenien dafür eintritt, wird das Projekt der EU-Erweiterung in Richtung Serbien auch in dieser Ratspräsidentschaft nicht vorankommen, prophezeit hvg:
„Serbien wird gerade von einem Politiker geführt, der vor 20 Jahren noch die Vertreibung der in Serbien lebenden Kroaten und Ungarn unterstützt hat und Generalsekretär der chauvinistischen Serbischen Radikalen Partei war. ... Der Politiker, der inzwischen angeblich zu einem Europäer wurde, passt außerdem sehr gut in die 'illiberale Internationale' von Ungarn, Slowenien und Polen. So werden diejenigen europäischen Politiker, die gegen Orbán und seine Verbündete kämpfen, den Beitritt der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik kaum unterstützen, solange das Land von der jetzigen politischen Garnitur regiert wird.“
Mehrere Gründe zur Besorgnis
Im Gegensatz zu 2008, als Slowenien zum ersten Mal die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, steht man dem Land in der EU kritisch gegenüber, analysiert Jutarnji list:
„Janša ist nicht mehr der gleiche wie 2008, und auch Slowenien unter seiner Regierung nicht mehr. Journalisten-Vereinigungen stellen sich wegen seines Drucks auf die Medien gegen das Land. Die slowenische Regierung steht auch wegen der Nicht-Benennung eines Vertreters für die EU-Staatsanwaltschaft in der Kritik. Janšas Nähe nicht nur zu Ungarns Premier Viktor Orbán, sondern auch zu anderen radikalen Politikern Europas, besorgt auch seine ehemaligen und aktuellen Partner aus dem Mitte-Rechts-Spektrum.“
Klare Position gegen Antidemokraten gefordert
Mit Janez Janša übernimmt ein Nationalist mit autoritärem Einschlag den Staffelstab, bedauert Corriere della Sera:
„Eine der repräsentativen Figuren der EU wird also eine Führungskraft sein, die für ihre politische Harmonie mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bekannt ist, den Janša auch während des letzten Europäischen Rates verteidigte, bei dem die meisten EU-Führer sich gegen das ungarische Gesetz stellten, das gegen die gemeinsamen Gründungswerte der Union verstößt. … Ein Freund der Pressefreiheit ist er auch nicht. ... Sechs Monate lang werden die Mitgliedstaaten, die es oft vorzuziehen scheinen, nicht näher hinzusehen, genau dazu gezwungen sein: Die Werte der EU sind nicht verhandelbar und die Staats- und Regierungschefs müssen einen Weg finden, um die antidemokratische Flut zu stoppen, die ansteigt.“
Eine Lanze für den Balkan brechen
Slowenien könnte trotz innenpolitischer Probleme wichtige Fragen voranbringen, meint Primorske novice:
„Mit dem Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit haben wir in Slowenien Schwierigkeiten, aber unsere Probleme sollten die Formulierung einer gemeinsamen europäischen Politik, die für das Leben von fast 500 Millionen Menschen wichtig ist, nicht überschatten. Die Bemühungen, die EU-Erweiterung auf den Balkan zu einem wichtigen oder zumindest sichtbaren europäischen Thema zu machen, sollten nicht nachlassen. Diese Erweiterung liegt im vitalen Interesse Sloweniens, während sich die meisten anderen EU-Mitglieder nicht bewusst sind, wie verhängnisvoll Leidenschaften auf dem Balkan sein können.“
Vorgänger Portugal hat versagt
Expresso zieht Bilanz über die sechs Monate unter Portugals Führung und findet nicht nur positive Worte:
„Das wohl größte Versagen der portugiesischen Präsidentschaft war die Unfähigkeit, eine Einheitlichkeit der Kriterien zu gewährleisten, die das wichtige digitale Covid-Zertifikat der EU erfüllen muss. Jeder Mitgliedstaat hat seine eigenen Kriterien und Anforderungen, und das ist Unsinn. Genau dies wollte man zu einer Zeit vermeiden, in der es in der europäischen Strategie um die Wiederherstellung der Mobilität geht. Schlimmer noch ist die Tatsache, dass Portugal nicht zu den ersten Ländern gehörte, das funktionierende Kontrollen über das Covid-Zertifikat an den Flughäfen etablierte, als unsere Abhängigkeit vom Tourismus dies erforderte.“