Was beschert die Bundestagswahl der EU?
Im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten EU-Mitgliedsstaat Deutschland wird in genau einem Monat, am 26. September, gewählt. Angela Merkel gibt nicht nur ihr Amt als Bundeskanzlerin ab, sondern hinterlässt auch eine Lücke in der internationalen Politik. In den übrigen EU-Staaten werden daher besorgte Stimmen laut.
Deutschland wird dominanter
Unabhängig vom Wahlausgang wird Deutschland die Geschicke Europas künftig immer stärker prägen, betont Sydsvenskan:
„Der EU-Gigant schickt sich an, die europäische Politik wieder zu dominieren, nicht zuletzt, seit die Briten aufgegeben und die Union verlassen haben. Angela Merkel nahm den Taktstock als Führerin der freien Welt resolut in die Hand, als US-Präsident Donald Trump sich dieser Aufgabe nicht gewachsen zeigte. Trump ist inzwischen Geschichte; gleichwohl hat sich die geopolitische Rolle der USA verändert, was Deutschlands Gewicht in der direkten Umgebung der EU stärken kann. Unabhängig davon, wer Deutschland nach dem 26. September regiert, kommt dem Land also eine größere und wichtigere Rolle zu - in Europa und weltweit.“
Kein Zugpferd in Sicht
Deutschland fehlen derzeit starke politische Persönlichkeiten, konstatiert der Politologe Gilbert Casasus in Le Temps:
„Ausländische Beobachter haben das Recht, sich über die schwindende Qualität der deutschen Innenpolitik zu wundern. Wie viele europäische Länder hat sich die Bundesrepublik von den Persönlichkeiten verabschiedet, die ihre Geschichte prägten. Im Gegensatz zu Großbritannien, Frankreich und Italien sucht es jedoch vergeblich nach Persönlichkeiten wie Boris Johnson, Emmanuel Macron und insbesondere Mario Draghi, den viele Deutsche als Enfant terrible oder Schreckgespenst betrachten, da er gegen ihren Willen den Euro gerettet und dessen gesamte Währungszone bewahrt hat.“
Linkskoalition könnte EU-Ostgrenze vernachlässigen
Sollte Die Linke nach der Wahl an einer linken Regierungskoalition mit Grünen und SPD beteiligt werden, droht eine Schwächung der Nato im Osten, fürchtet Rzeczpospolita:
„Im Wahlprogramm [von Die Linke] sind Russlandfreundlichkeit und Nato-Gegnerschaft klar erkennbar. Vor allem möchten die Postkommunisten die Ostflanke der Nato abbauen, indem sie die Bundeswehrsoldaten aus dem von Deutschland geführten Bataillon in Litauen abziehen. Dies ist Teil ihres Plans, deutschen Soldaten die Teilnahme an Auslandseinsätzen zu verbieten.“
2015 darf sich nicht wiederholen
Der frühere Chefredakteur von Lidové noviny, István Léko, fürchtet, dass Deutschland unter einer linken neuen Bundesregierung massenhaft Flüchtlinge hereinlassen wird:
„Progressive Politiker, Medien und NGOs konzentrieren sich jetzt auf eine einzige Aufgabe: die Bevölkerung ideologisch auf eine neue Flüchtlingswelle vorzubereiten. … Umfragen behaupten, dass die Mehrheit der Deutschen die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge unterstütze. ... Die Deutschen haben die Rückführung derer, die kein Asyl bekommen, auf unbestimmte Weise ausgesetzt. Angela Merkel hat zwar nach den Erfahrungen von 2015 versprochen, dass sich derlei nicht wiederholen wird. Doch die Kanzlerin scheidet im Herbst aus der Politik aus. Ganz Europa sieht deshalb mit Spannung auf die Ergebnisse der Wahl.“