Doppelbesuch: Achse Berlin-Athen-Ankara?
Griechenlands Premier Mitsotakis hat sich am Dienstag in Berlin mit Bundeskanzler Scholz über die Lage in Nahost und der Ukraine sowie irreguläre Migration ausgetauscht. Beide betonten die enge freundschaftliche Beziehung ihrer Länder. Vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan am heutigen Freitag diskutieren nun nicht nur Kommentatoren, inwieweit die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara freundschaftlich sind und sein können.
Das ist kein Zufall
Gleich aus mehreren Gründen sind die Visiten in Berlin von Bedeutung, schreibt das Webportal Protagon:
„Der Besuch von Kyriakos Mitsotakis in Berlin und sein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag kommen zu einem besonders interessanten Zeitpunkt. Es ist nicht so sehr ein 'Zufall', dass drei Tage nach dem griechischen Premier in der deutschen Hauptstadt auch Recep Tayyip Erdoğan da sein wird. Oder besser gesagt, es ist nicht nur dieser Umstand, der das Zusammentreffen bedeutsam macht. Denn das 'Dreieck' Athen-Ankara-Berlin hat viele gemeinsame Interessensbereiche und noch viel mehr Reibungspunkte. Von der Migration bis zum Nahen Osten und deren Verflechtungen. Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Situation erwähnenswert.“
Pragmatismus als Leitlinie
Ronald Meinardus, Politikanalyst und Senior Research Fellow bei Think-Tank Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (ELIAMEP) schreibt in Kathimerini:
„Auf dem Höhepunkt der Krise gab Erdoğan seine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens. Obwohl Ankara seinen Botschafter aus Israel abberief, brach es die gerade erst [wieder] aufgenommenen diplomatischen Beziehungen nicht ab: 'Der vollständige Abbruch der diplomatischen Beziehungen ist nicht möglich, vor allem nicht in der internationalen Diplomatie', begründete Erdoğan. ... Es ist dieser Pragmatismus, der derzeit Erdoğans Politik gegenüber Griechenland bestimmt. Gute Beziehungen zu Athen sind für Ankara eine Brücke zur Europäischen Union. Diese Brücke will Erdoğan nicht zerstören, schon allein nicht aus wirtschaftlichen Gründen.“
Es geht mal wieder um die Migration
Auf Erdoğan wird nur gesetzt, damit er den Migrantenstrom aus Europa raushält, ist T24 überzeugt:
„Inmitten der Debatte, ob er kommen soll oder nicht, glaubt Deutschland, dass es richtig wäre, mit Erdoğan auszukommen, auch wenn es ihn für autoritär hält und eine andere Linie als er in der Außenpolitik vertritt – insbesondere um sicherzustellen, dass Migranten in der Türkei bleiben. Auch die anderen EU-Länder unterstützen und beraten die deutsche Regierung in diese Richtung. ... In Berlin könnten die Karten zwischen der Türkei und Deutschland und darüber hinaus zwischen der Türkei und der Europäischen Union neu gemischt werden.“
Türkischer Präsident kommt gerade zur rechten Zeit
Wie auf Erdoğans problematische Haltung zum Nahostkonflikt reagiert werden sollte, beschreibt die Süddeutsche Zeitung:
„[M]an [wird] Erdoğan mit moralischer Empörung allein nicht beikommen. Aber es gibt andere Wege, dem Präsidenten seine Grenzen aufzuzeigen. ... Idealerweise nutzt der Bundeskanzler einen Moment vor laufenden Kameras, um einen klaren Satz über den Staat Israel zu verlieren. Und dann sollte der türkische Präsident hinter verschlossenen Türen hören, dass seine Teilhabe am westlichen Staatenmodell sehr davon abhängt, ob er nun endlich seinen Einfluss auf die Hamas geltend macht. Dafür ist dieser Antrittsbesuch gerade recht. Er hätte keinen Tag später stattfinden dürfen.“