Republikaner schicken Trump und Vance ins Rennen

Auf dem Parteitag der Republikaner ist Donald Trump offiziell zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im November gekürt worden. Für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert J. D. Vance. Bislang sitzt er für Ohio im Senat und ist vielen US-Bürgern unter anderem als Bestseller-Autor der autobiografischen Erzählung Hillbilly Elegy bekannt. Europas Presse kommentiert beide Nominierungen.

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Polityka (PL) /

Notwendiger Weckruf für die EU?

Europa muss sich zusammenraufen, schreibt der Politikwissenschaftler Piotr Buras in Polityka:

„Donald Tusk könnte als Ministerpräsident des Landes, das nach dem Jahreswechsel die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, zusammen mit den Staats- und Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs (Weimarer Dreieck) und der Europäischen Kommission einen gemeinsamen Besuch in Washington abstatten und die Grundlagen für ein neues transatlantisches Abkommen schaffen. Ein ernsthaftes Angebot, das auf glaubwürdigen Verpflichtungen der Europäer beruht, könnte selbst für die Trump-Administration attraktiv sein. Wer weiß, was dabei herauskommt. Viele glauben, dass nur Trumps Rückkehr ins Weiße Haus in der Lage ist, die Europäer so zu erschüttern, dass sie die politische Ohnmacht überwinden, die sie heute schwächt.“

NV (UA) /

Düstere Aussichten für die Ukraine

Im Falle eines Wahlsiegs von Trump muss sich Kyjiw auf wesentliche Veränderungen in der Ukraine-Politik einstellen, warnt NV:

„Das Einzige, was jetzt mit großer Sicherheit vorhergesagt werden kann, ist, dass das Trump-Team Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine initiieren und vorantreiben wird. Es ist unwahrscheinlich, dass es sich dabei um Verhandlungen zu den Bedingungen Russlands handeln wird. Das würde wie eine eindeutige Niederlage für die USA aussehen. Laut verschiedenen Hinweisen ist sich Trump dessen bewusst. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Trumps Team Vorschläge zur Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine forcieren wird, allerdings ohne Vereinbarungen über den Status der besetzten Gebiete und ohne andere für uns unannehmbare Forderungen Russlands.“

De Standaard (BE) /

Schwächung Europas unvermeidlich

Die Entscheidung der Republikaner für Trump und Vance ist ein Warnsignal für Europa, klagt De Standaard:

„Dass ein Deal mit einem nicht vertrauenswürdigen und kriegslüsternen Putin zu großer Unruhe in den baltischen Staaten und Ländern wie Polen führen wird, werden Trump und Vance als kleines europäisches Problem abtun. Und dasselbe gilt für die Ohnmacht der EU-Motoren wie Frankreich und Deutschland, einen gestärkten Putin in den Griff zu bekommen. Mit Trump und Vance im Weißen Haus ist eine Schwächung von Europa unvermeidlich. Europäische Führer können nur auf eine wundersame Genesung von Joe Biden hoffen oder eine schnelle Auswechslung für einen fitten Kandidaten, der eine solide Chance hat gegen die Dampfwalze von Trump und Vance.“

Népszava (HU) /

Endgültig auf dem Weg des Populismus

Die Republikaner haben die gemäßigte Politik aufgegeben, beobachtet Népszava:

„Mit ihm [Vance] hat sich Trump einen blindlings loyalen Soldaten ausgesucht, eine Wach- und Schutzbulldogge, die nicht nur bellt, sondern auch beißt. Die Besetzung der Republikanischen Partei wurde mit der Nominierung von Vance vollständig, denn die Botschaft ist für alle Parteimitglieder klar: Sie sollen die durch den Namen von Reagan und Bush gekennzeichnete gemäßigte Politik vergessen und von jetzt ab die populistische Sekte 'Make America Great Again' unterstützen, das Bündnis zwischen einem skrupellosen alten Schwindler und einem jungen Mann mit grenzenloser Ambition.“

Delfi (LT) /

Hauptrollen gehen mitunter an seltsame Gestalten

Delfi kommentiert in einer Glosse:

„Der nächste US-Präsident wird wahrscheinlich ein alter Fernsehmoderator und opportunistischer Geschäftsmann mit schlechter Laune, schlechtem Geschmack und theatralischen Sprüchen sein, der mehr von Golfplätzen versteht als von Geografie. Die Anforderungen sind nicht hoch: Es genügt, wenn Donald Trump sich an seinen eigenen Namen und den seiner Frau erinnert und daran, nach einem Attentat instinktiv die Faust in die Luft zu recken, um seine Anhänger zum Weiterkämpfen aufzurufen. Winston Churchill, der britische Premier und Held der Nation, war Alkoholiker. Ronald Reagan, der Sieger des Kalten Krieges, war ein mittelmäßiger Hollywoodstar und Gewerkschafter. Manchmal gehen die großen Rollen an seltsame Schauspieler.“

Les Echos (FR) /

Es droht ein Schock für die Eurozone

Les Echos warnt vor einer zweiten Trump-Präsidentschaft:

„Nicht nur geopolitisch würde Europa wohl leiden müssen. Die meisten Analysten rechnen mit massiven Steuerausgaben, die inflationäre Auswirkungen hätten. Der in Trumps Programm anklingende verstärkte Protektionismus hätte massive Folgen für die Exporte, etwa Deutschlands und Italiens, in die USA. Dies in einer Zeit, in der chinesische Konsumenten chinesische Produkte kaufen. ... Und schließlich bedeutet Donald Trump im Amt die Gewissheit eines abgewerteten Dollars. ... Insgesamt droht ein negativer externer Schock für die Eurozone, wenn Trump nur die Hälfte von dem umsetzt, was er verspricht. Ganz zu schweigen vom Kampf gegen die globale Erwärmung: Die meisten Regulierungen würden aufgehoben, Elektroautos nicht mehr gefördert - im Gegensatz zu allen fossilen Energien.“

La Repubblica (IT) /

Vance als Vize ist ein kluger Schachzug

La Repubblica kommentiert:

„Vance macht es für die Demokraten schwieriger, das Trumpsche Grand Old Party-Ticket anzugreifen. Vance wurde in Ohio in Armut geboren, ist Autor einer Bestseller-Biografie mit dem Titel 'Hillbilly Elegy'. Vance, der dank seiner sich aufopfernden Großmutter, ein Jurastudium an der Yale University schafft, wovon andere Hillbilly-Hinterwälder nicht einmal träumen. ... Während seine Altersgenossen, von den Bergen der Appalachen bis zu den Vororten von Cincinnati und Middletown, als Opfer von Drogen und Fentanyl enden - arbeitslos, geschieden, alkoholabhängig, Opfer von posttraumatischem Stress - lebte Vance den alten amerikanischen Traum, alleine seinen Mann zu stehen, und geht zu den Marines.“

De Standaard (BE) /

Die Zeichen stehen nicht auf Versöhnung

Gemäßigte Töne sind von Vance, der früher zu den Trump-Kritikern gehörte, kaum zu erwarten, fürchtet De Standaard:

„Vance hat sich selbst opportunistisch neu erfunden und wurde zu einer Art intellektuellem Planer und Sprecher des Trumpismus. Das brachte ihm etwas sehr Außergewöhnliches ein: Trump hat ihm vergeben. Mit Vance als Running-Mate entscheidet sich Trump auch nach dem Anschlag auf sein Leben nicht für Mäßigung oder Versöhnung. So sagte Vance am Montag, dass 'die Rhetorik von Biden, dass Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, direkt zum Mordversuch an Trump geführt hat'.“