EU-Kommission: Was steht hinter Bretons Rücktritt?

Der bisherige EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat seinen Job gekündigt. Für die neue EU-Kommission der wiedergewählten Ursula von der Leyen stehe er nicht zur Verfügung. Präsident Emmanuel Macron schlug seinen bisherigen Außenminister Stéphane Séjourné für Frankreichs Kommissionssitz in Brüssel vor. Dass Bretons Abgang wohl nicht freiwillig war, lässt ein Blick in die Kommentarspalten erahnen.

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Der Standard (AT) /

Der Preis der Illoyalität

Breton zahlt nun für seine offen gezeigte Antipathie gegenüber Kommissionspräsidentin von der Leyen, analysiert Der Standard:

„Vor den EU-Wahlen bekundete er seine Absicht, neuer Präsident der EU-Kommission werden zu wollen. Dass er von 'der Deutschen' Ursula von der Leyen wenig hielt, verbarg er nicht, stellte ihre Autorität offen infrage, wo immer es ging. Diese schlug nun zurück, zahlte ihm Illoyalität mit Vertrauensentzug zurück. Von der Leyen forderte von Paris statt ihm schlicht einen neuen Kommissarskandidaten für ihr Team. Und Macron lieferte, was im Grunde erstaunlich ist.“

La Repubblica (IT) /

Von der Leyen will die Alleinherrschaft

Die Kommissionspräsidentin duldet neben sich keine starken Persönlichkeiten, mokiert sich La Repubblica:

„Der 'Rauswurf' des Franzosen Thierry Breton ist Teil dieser Logik. Der eines Systems der 'allumfassenden Entscheidungsgewalt'. ... Denn 'Ursula Zwei' will keine Hindernisse. Und indem sie die Schwäche fast aller großen nationalen Regierungen, angefangen bei der französischen und der deutschen, ausnutzt, hat sie ihre Forderungen durchgesetzt. Sie hat vom Elysée gefordert und durchgesetzt, dass Breton, der zusammen mit Josep Borrell, Frans Timmermans und Paolo Gentiloni zu den Kommissaren gehörte, die sie nicht mit Kritik verschont haben, 'abgesetzt' wird. … Sie bildet eine schwache Kommission, ohne Führungspersönlichkeiten, um allein glänzen zu können.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Kindisch und unwürdig

Die Süddeutsche Zeitung kritisiert die Art und Weise des Rücktritts:

„Breton hat keinen von höheren Mächten verliehenen Anspruch, Kommissar in Brüssel zu sein. Sich – bildlich gesprochen – wie ein zorniges Kind auf den Boden zu werfen, weil er keinen Lolli an der Supermarktkasse bekommt, ist, nun ja, kindisch. Das gilt auch für Bretons Ankündigung, sein Amt jetzt sofort niederzulegen, nicht erst, wenn die neue Kommission die Arbeit aufnimmt. Der Franzose wirft von der Leyen die Brocken vor die Füße – mach deinen Kram allein! Aber das ist kein Verhalten, das mit dem Amt ... eines EU-Kommissars vereinbar ist. Ein bisschen mehr Impulskontrolle, Würde und Verantwortungsbewusstsein sollte man schon haben, wenn man zu den wichtigsten europäischen Vertretern gehören möchte.“

Le Figaro (FR) /

Frankreich lässt sich herumkommandieren

Präsident Macron kuscht vor der EU-Kommissionspräsidentin, schimpft Le Figaro:

„Indem er die spitzen Ecken des früheren Industriekapitäns durch die geschliffenen Kanten seines derzeitigen Außenministers Stéphane Séjourné ersetzt, verbeugt er sich vor allem vor dem Autoritarismus der Deutschen und der von ihr bekundeten Allergie gegen den französischen Aktivisten. … Nachdem er sich hat bitten lassen, Ursula von der Leyen im Amt zu bestätigen, beugt sich Emmanuel Macron nun ihren Befehlen, hilft ihr bei ihren persönlichen Abrechnungen und fördert ihren Dirigismus. Milde gesagt schmälert der Vorfall Frankreichs Prestige. Der Vorkämpfer der 'strategischen Autonomie' des Kontinents wird in Brüssel nun offen wie ein 'kleines' Land behandelt.“

La Stampa (IT) /

Zwei Galionsfiguren müssen gehen

Ganz andere Motive sieht La Stampa:

„Breton und [Wettbewerbskommissarin Margrethe] Vestager waren die Galionsfiguren der europäischen Digitalpolitik, aus der grundlegende Gesetze wie die DSGVO (Datenschutz), der DSA (Digital Services Act) und DMA (Digital Markets Act) und zuletzt das KI-Gesetz hervorgegangen sind; sowie eine Flut von Vertragsverletzungsverfahren wegen verschiedener Missbräuche gegen große US-amerikanische Technologieunternehmen. Gemeinsam regierten sie und gemeinsam gerieten sie unter Beschuss durch die harten Anschuldigungen von Draghis am 9. September vorgestelltem Bericht.“