Trump-Anruf bei Putin: Sofortige Verhandlungen?

US-Präsident Trump hat am gestrigen Mittwoch mit Russlands Machthaber Putin telefoniert und, so Trump, die "unverzügliche" Aufnahme von Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg vereinbart. Kreml-Sprecher Peskow bestätigte Moskaus Gesprächsbereitschaft. Trump sprach anschließend auch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Dennoch sieht Europas Presse Kyjiw und Europa überwiegend an die Seitenlinie verbannt.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Geopolitisch gefährlich

Wenn stimmt, was von der angeblichen Lösung Trumps bislang durchgesickert ist, wäre das ein weitgehender Bruch mit der bisherigen Politik des Westens, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:

„Einen 'Sieg' der Ukraine wird es unter diesen Umständen nicht mehr geben. Sollte sich Moskau auf einen Waffenstillstand mit diesen Vorgaben einlassen, dann wäre das ohne Frage eine große Erleichterung für die Menschen in der Ukraine und die Soldaten auf beiden Seiten. Geopolitisch aber wäre es aller Voraussicht nach der Beginn einer neuen Phase der Unsicherheit in Europa, weil Russland neue Kräfte tanken und damit kalkulieren könnte, dass eine stark auf Europa reduzierte Nato kein ganz so schwerer Gegner wäre wie bisher.“

Eesti Päevaleht (EE) /

Völkerrecht droht niedergetrampelt zu werden

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im estnischen Parlament, Kalev Stoicescu, bedauert die Entwicklungen in Eesti Päevaleht:

„Niemand spricht mehr über Putins Verantwortung. Es wird nicht als notwendig erachtet, Russland Vorbedingungen für die Verhandlungen aufzuerlegen, geschweige denn, Russland für Aggression und Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Erfüllung der russischen Vorbedingungen wäre ein brutales Niedertrampeln des Völkerrechts und der Rechte freier Staaten und Völker. ... Das Spiel könnte sich noch ändern, aber Russland hat im Moment allen Grund, optimistisch zu sein.“

La Repubblica (IT) /

Bitte in Erwägung ziehen

La Repubblica rät Europa, sich auf Trumps Ideen einzulassen:

„Die Teilung der Ukraine in zwei durch einen Waffenstillstand geteilte Regionen, wie es 1953 mit Korea entlang des 38. Breitengrades geschah, wird der heikelste Punkt sein. Nicht zuletzt, weil die neue Grenze über 1000 Kilometer lang sein könnte und große Militärkontingente zu ihrer Bewachung benötigt würden, die aus Europa und der Türkei kommen könnten. Auch aus Italien. Daher muss Europa anfangen, mit dem neuen US-Präsidenten zusammenzuarbeiten, anders als bisher. … Kein Zweifel, Trump steht für einen scharfen Bruch mit der Vergangenheit, aber Europas Interesse besteht weiterhin darin, das atlantische Band zu festigen, und das bedeutet, die Herausforderung anzunehmen, gemeinsam einen 'unkonventionellen' Ansatz zu verfolgen, um einen Ausweg aus Konflikten zu finden, für die es bisher keine Lösung gab.“

Avvenire (IT) /

Neue Erde für Russland, seltene Erden für die USA

Die Ansätze Putins und Trumps passen allzu gut zusammen, beklagt Avvenire:

„Sie werden von Verhandlungen, von Frieden, von neuen Vereinbarungen sprechen. Dahinter verbirgt sich - kaum getarnt - die Beute, die sie beide bereits erahnen: neue Erde für die heilige Mutter Russland (Donezk, Luhansk, Mariupol), seltene Erden – die Juwelen der Zukunftstechnologie wie Lithium, Beryllium, Lanthan, Cer, Neodym und Kohlenwasserstoffe – für Washington: 500 Milliarden im Gegenwert, genug, um die Bilanzen auszugleichen und die Früchte der 174 Milliarden Dollar, die Amerika bisher zur Unterstützung Kyjiws ausgegeben hat, zu ernten. Quid pro quo, nach Trumps merkantilistischer Logik. Quid pro quo, nach Putins Neo-Imperialismus.“

Echo (RU) /

Sorgenfalten von Brüssel bis Peking

Journalist Dmitri Kolesew geht in einem von Echo übernommenen Telegram-Post davon aus, dass ein Trumpscher Friedensdeal vielen globalen Akteuren nicht gefallen wird:

„Trump wird kaum alle Wünsche Putins erfüllen, auch die Position der Ukraine und der EU-Staaten kann nicht außer Acht gelassen werden. Für die Europäer ist beunruhigend, dass Washington im Klartext fordert, die Nato 'neu zu formatieren' und keine Mittel mehr für die europäische Sicherheit auszugeben. Dies ist im Einklang mit dem vermutlichen Traum Wladimir Putins, dass Russland von den USA das Okay erhält, in seiner 'Einflusssphäre' zu agieren, wozu auch die Länder Mittel- und Osteuropas gehören könnten. Interessant wird, wie dabei die chinesische Karte ins Spiel kommt. Die plötzliche Annäherung zwischen Moskau und Washington wird Peking kaum gefallen.“

Le Temps (CH) /

Adieu Ukraine-Partnerschaft

Der 12. Februar 2025 hat eine bittere Klarheit hervorgebracht, analysiert Le Temps:

„Wird die Ukraine zu den Friedensverhandlungen eingeladen? ... 'Interessante Frage', erlaubte sich Donald Trump zu kommentieren – als hätte er nie darüber nachgedacht. Ebenso forderte er den ukrainischen Präsidenten dazu auf, sich Wahlen zu stellen, ein Klassiker der russischen Propaganda. Wladimir Putin ist schließlich der bestgewählte Diktator der Welt. Es bringt nichts, sich zu fragen, wie ignorant und zynisch Trump ist. Am Abend dieses 12. Februar 2025 muss man sich einer beunruhigenden Offensichtlichkeit stellen: Die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten können nicht mehr auf die USA zählen.“

The Daily Telegraph (GB) /

Folge wiederholten europäischen Versagens

Europa darf nicht jammern, wenn Trump nun die Zügel in die Hand nimmt, meint The Daily Telegraph:

„Zweifellos werden einige Hauptstädte mit Empörung auf die Aussicht reagieren, dass die Zukunft ihres Kontinents ohne ihre direkte Beteiligung entschieden wird. ... Aber die Staats- und Regierungschefs, die es trotz wiederholter Warnungen versäumt haben, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, können jetzt kaum Einwände erheben. Die Lehre, dass Europa die Verantwortung für seine eigene Verteidigung übernehmen muss, hätte schon gezogen werden müssen, als Barack Obama seine roten Linien in Syrien nicht einhielt. ... Dass dies nicht geschehen ist, zeugt eher vom wiederholten Versagen Europas als von einer besonderen Niedertracht Washingtons.“