Deutschland: Union und SPD planen Milliardenkredite
CDU/CSU und SPD haben sich in ihren Sondierungsgesprächen auf die Aufnahme neuer Milliardenkredite geeinigt. Die Schuldenbremse soll zugunsten von ungedeckelten Verteidigungsausgaben geändert werden und für Infrastruktur ist ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro geplant. Um eine verfassungsändernde Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen, soll der Bundestag nächste Woche in seiner derzeitigen Zusammensetzung abstimmen.
Berlin ist wieder da
Der Beschluss, Ausgaben für die Verteidigung nicht länger von der Schuldenbremse begrenzen zu lassen, war alternativlos, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Deutschland [meldet sich] aus dem Fronturlaub zurück, in den die Ampelkoalition im Herbst ging, obwohl Putin auf dem Vormarsch war und damit gerechnet werden musste, dass Trump wiederkehrt und eine zweite politische Front eröffnet. Dass Union und SPD sich einigen konnten – wenn auch zu dem hohen Preis des Sondervermögens für die Infrastruktur –, ist ein wichtiges und mächtiges Signal an Putin, Trump (der nun nicht mehr behaupten kann, Berlin tue nichts) und die europäischen Verbündeten. 'America is back', sagte Trump in seiner Rede zur Lage der Nation. Auch Deutschland ist wieder da.“
Nötige Strukturreformen könnten ausbleiben
Der Tagesspiegel hält das Vorgehen von Union und SPD für riskant:
„[Es] könnte ob der geplanten finanziellen Beinfreiheit die Versuchung groß sein, dringend nötige Reformen erneut auf die lange Bank zu schieben. Und somit die eigentlichen Probleme für künftige Generationen liegenzulassen. Denn ein Pflaster, egal wie groß es ist, hilft bei einem gebrochenen Bein herzlich wenig. Deutschland leidet nämlich nicht an einer konjunkturellen Krise, die sich einfach mit Finanzspritzen lösen ließe, sondern an einer strukturellen. ... Für die Glaubwürdigkeit der neuen Regierung wird es deshalb entscheidend sein, dass sie auch die strukturellen Probleme des Landes angeht. Sonst könnten auch diese 500 Milliarden Euro schnell verpuffen.“
Das nennt man Führung
Hospodářské noviny hat Verständnis für den Plan, das Parlament in seiner derzeitigen Zusammensetzung votieren zu lassen, um eine nötige Mehrheit zu erreichen:
„Nächste Woche soll der Bundestag abstimmen. ... Allerdings soll der scheidende Bundestag abstimmen, nicht derjenige, der aus den Wahlen im Februar hervorgegangen ist und sein Amt erst antreten muss. Das ist legal, wenn auch politisch problematisch. Merz sagt offen, dass er sich der Sensibilität dieses Schrittes bewusst und bereit sei, die möglichen politischen Konsequenzen zu tragen. Das nennt man Führung.“
Noch nicht Kanzler und schon wortbrüchig
Plötzlich spielen die Schulden, die für die Riesenpakete gemacht werden müssen, keine Rolle mehr, meint Der Standard:
„So manchem schlackern die Ohren vor Überraschung, haben sie doch noch die Worte von CDU-Chef Friedrich Merz während des Wahlkampfs im Kopf: 'Wir dürfen unseren Kindern nicht immer mehr Schulden hinterlassen.' Merz führt noch nicht mal richtige Koalitionsverhandlungen, geschweige denn ist er zum Kanzler gewählt worden. Aber er bricht schon eines seiner Wahlkampfversprechen. In normalen Zeiten hätte er gleich einpacken können. … Dass die Junge Union bereits gegen die neue schuldenfinanzierte Freiwilligkeit aufbegehrt, wird Merz verschmerzen – mit dem Hinweis: besser eine Zukunft auf Pump als womöglich gar keine mehr.“
Merz hat Zeichen der Zeit erkannt
Dass der CDU-Chef in der Finanzpolitik eine Kehrtwende macht, imponiert The Guardian:
„In einer politischen Kultur, die durch Vorsicht und Zurückhaltung geprägt ist, markiert Merz' Versuch, gesetzliche Beschränkungen der Staatsverschuldung zu umgehen, einen grundlegenden Wandel. ... Der ehemalige Investmentbanker war während seiner gesamten beruflichen Laufbahn ein Defizit-Gegner und Wirtschaftsliberaler. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass es ausgerechnet ihm zufällt, die Schuldenaversion zu hinterfragen, die es Deutschland schwer gemacht hat, auf neue geopolitische Realitäten zu reagieren. Man sollte dem CDU-Vorsitzenden jedoch gratulieren, dass er den politischen Mut aufbrachte, die Zeichen der Zeit zu erkennen.“
Zurück an der Spitze Europas
El Mundo lobt die Geschlossenheit der großen Parteien:
„Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz stellt damit seine Führungsqualitäten unter Beweis, wenngleich auch die Staatsräson der SPD eine wesentliche Rolle spielt. Deutschland demonstriert damit seine Bereitschaft, an die Spitze Europas zurückzukehren. Und so auf den unsicheren internationalen Kontext reagieren zu können, der durch den Kurswechsel des Weißen Hauses eröffnet wurde, das entschlossen ist, die Ukraine aufzugeben und die Karte der nach dem Zweiten Weltkrieg geschmiedeten Bündnisse zu verändern.“