Ein Monat Trump im Weißen Haus
Ein Dekret nach dem anderen, Angriffe auf die Medien, widersprüchliche Handlungen und Aussagen zur Außenpolitik sowie ein Rücktritt im Team: Das ist die bewegte Bilanz nach einem Monat Amtszeit des neuen US-Präsidenten. Europas Presse versucht zu ergründen, was diese ersten Wochen über die USA unter Trump aussagen.
Geheimdienste lassen Trump nicht davonkommen
Donald Trump hetzt unerschrocken gegen Medien, Richter und staatliche Institutionen, doch an den Geheimdiensten wird er sich die Zähne ausbeißen, glaubt 24 Chasa:
„Das FBI hat die geheimen Russland-Kontakte von Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn enthüllt, woraufhin dieser zurücktrat. … Wenige Tage später folgte ihm der designierte Arbeitsminister und Trump-Vertraute Andrew Puzder, als herauskam, dass er eine illegale Einwanderin als Haushaltshilfe beschäftigt hatte. Hinzu kommt die unglaubliche Geschichte über russische Prostituierte, die Trump angeblich auf Obamas Bett urinieren ließ, die ebenfalls aus Geheimdienstkreisen in die Medien gelangte. Es bleibt zwar unklar, ob das wirklich passiert ist, doch der Schaden für Trumps Image ist groß. … Die Geheimdienste schälen Trump wie eine Zwiebel, Schale für Schale, und sie lassen ihn spüren, dass sie Informationen über ihn in der Hand haben.“
Endlich kommt frischer Wind in die Weltpolitik
Barack Obama hinterließ einen außenpolitischen Scherbenhaufen, daher kann es nicht schaden, wenn Donald Trump neue Wege geht, meint The Times:
„Amerikas Verbündete und auch seine Gegner sind derzeit verwirrt. Es ist eindeutig feststellbar, dass es bei den öffentlichen Äußerungen zu Themen wie Nato, Iran und Israel einen großen Bruch gibt zwischen dem neuen Präsidenten und seinen Vorgängern. ... Betrachtet man das Ganze optimistisch, macht der neue Präsident einen dringend nötigen Schritt, indem er nach Jahren der gescheiterten Außenpolitik Barack Obamas die konventionellen Lösungsansätze hinterfragt. Doch noch bedeutsamer ist, dass er ein erfahrenes Führungsteam zusammengestellt hat, das Mut macht. Der Nationale Sicherheitsberater H. R. McMaster, Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis sind Persönlichkeiten, die es Europas politischen Führern leichter machen werden, nachts ruhig zu schlafen.“
Der Kapitalismus frisst seine Kinder
Trump ist ein Symptom und nicht die Ursache der Krise, betont die islamisch-konservative Tageszeitung Yeni Şafak:
„Die westliche Zivilisation erlebt nicht wegen Trump und dem Brexit ein Erdbeben. Sondern Trump und der Brexit treten zu Tage, weil es ein Erdbeben in der Tiefe gibt. Das, was wir an der Oberfläche sehen, ist nicht der Grund, sondern das Resultat. Selbst wenn Trump morgen abgesetzt und in Großbritannien der Brexit abgebrochen würde, würde sich an dem Erdbeben nichts ändern. Denn diese Entscheidungen sind nicht durch vorübergehende Wut bedingt. Breite Bevölkerungsschichten haben sie nach einem langen Gärungsprozess getroffen. Das Volk, das Trump gewählt hat, würde selbst wenn er gehen würde bei der nächsten Wahl jemand ähnlichen wählen. ... Die Gründungsideen, die innersten Werte und die tragenden Säulen der westlichen Welt sind ins Wanken geraten. Die stärksten Argumente und Begriffe der Moderne - mehr zu kontrollieren (Imperialismus), mehr zu verdienen (Kapitalismus) und mehr zu umfassen (Globalisierung) - sind dabei, zur größten Geißel der westlichen Gesellschaft zu werden.“
Republikaner werden ihn nicht fallen lassen
Trump hat bei seinen jüngsten Auftritten erneut Inkompetenz an den Tag gelegt, doch der Unterstützung im eigenen Lager tut das keinen Abbruch, beobachtet Habertürk:
„Das Individuum Trump ist keine Person, die die nötige Verantwortung, Ausgeglichenheit, Vorsicht, das Wissen und die Hellsichtigkeit besitzen wird, um der Präsident Trump zu sein. ... Jedoch werden die Republikaner im Kongress Trump wenigstens noch eine Weile unterstützen, wegen seiner Agenda der Steuersenkung, der Ausdünnung des Sozialsystems und weil er angefangen beim Naturschutz alle Regulierungen abschaffen will. ... Eine der wichtigsten Dynamiken, die Trumps Wahl den Weg bereitete, war das Versagen der liberal-kapitalistischen Eliten, die Erwartungen breiter Bevölkerungsschichten zu erfüllen. Zusammen mit dem Kulturkampf zwischen Lokalpatriotismus und Kosmopolitismus begann die starke Suche nach populistischen, sich von der Demokratie entfernenden, autoritären Ausrichtungen. Solange sich diese Bedingungen nicht ändern, wird die Unterstützung der Trump-Wähler nicht so leicht schmelzen.“
Wer gewinnt: Trump oder die US-Verfassung?
Irish Times bezweifelt mit Blick auf die ersten 30 Tage, dass Donald Trump seine Amtszeit regulär beenden wird:
„In seinem ersten Monat hat Trump den Geheimdiensten und den Medien den Krieg erklärt. Jetzt sieht es danach aus, als wäre die Judikative der nächste Feind auf der Liste. In Trumps Washington gibt es einfach keinen Mittelweg. Entweder werden die Kräfte, die gegen den Präsidenten sind, diesen niederreißen oder er wird das System zerstören. …Trump ist kein reformierbarer Charakter. Je mehr er unter Beschuss gerät, desto mehr teilt er aus. Jetzt hat er eine Untersuchung zu möglichen Leaks angekündigt und ein Aufräumen unter untreuen Beamten. Es lässt sich schwer vorhersagen, wie lange die Schlacht zwischen Trump und dem 'tiefen Staat' andauern wird und wie lange der republikanische Kongress das mitmacht. ... Multiplizieren wir die letzten vier Wochen mit drei, sechs oder neun: Der neutrale Boden wird verschwinden und es wird auf die Entscheidung zwischen Trump und der US-Verfassung hinauslaufen.“
Lauter gute Nachrichten
Dem ersten Monat von Trump im Weißen Haus sind auch eine Reihe von positiven Entwicklungen zu verdanken, tröstet sich Libération:
„Wir haben erlebt, wie sich Richter und die amerikanische Zivilgesellschaft anlässlich des Muslim Ban mobilisieren, um zu zeigen, dass ein Teil der USA bereit ist, konkret auf klare Entgleisungen zu reagieren. Wir haben erlebt, wie die Giganten aus dem Silicon Valley ihre legendäre Neutralität ablegen, um Entscheidungen des neuen Präsidenten zu kritisieren. Wir haben erlebt, dass sich die Medien organisieren, um einer massiven und organisierten Destabilisierung der Presse zu trotzen, da diese unabdingbar ist für die Demokratie. Wir haben unglaubliche Enthüllungen über diese ersten Wochen im Weißen Haus gelesen. … Wir haben im Internet und im Fernsehen virale Kreativität gesehen: eine ganze Reihe von spontanen und globalen Parodien als Reaktionen auf Donald Trumps Handeln. Wir haben sogar erlebt, wie China dem US-Präsidenten Lehren über das Klima erteilt. … Man könnte fast meinen, dass die Zeiten alles im allem eher erfreulich sind.“
Trump will Medien überflüssig machen
Die intensive Twitter-Nutzung des US-Präsidenten und seine heftige Kritik an den etablierten Medien stellen einen völlig neuen Kommunikationsstil dar, analysiert Ökonom und Blogger David McWilliams:
„Trump versucht, dem Establishment in Washington das anzutun, was Airbnb Hotels und Uber Taxifahrern angetan hat. Sein Ziel ist es, alles zu zerstören und den Mittelsmann zu umgehen. ... Trump möchte, dass seine Beziehung zum US-amerikanischen Volk - zumindest zu 'seinem' US-amerikanischen Volk - nicht mehr über die Medien vermittelt wird. Sie wird nicht mehr davon abhängen, ob er von den Kommentatoren 'Daumen hoch' oder 'Daumen runter' bekommt. Die Beziehung wird auch nicht von Fachleuten entschieden. Sie wird wie eine direkte persönliche Beziehung sein. Mit seiner Nutzung von Twitter hat Trump die Medien umgangen. Das ist ein radikaler Ansatz und eine völlige Abkehr von den Gepflogenheiten der vergangen Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte.“
Mit dem ewigen Twittern aufhören
Trump benimmt sich immer noch wie ein Präsidentschaftskandidat, nicht wie ein Präsident, findet Le Figaro:
„Eine effiziente Regierung folgt einer anderen Logik als ein effizienter Wahlkampf, und der 45. Präsident macht den Eindruck, dass er ewig Kandidat bleibt. 'Es gehört Mut dazu, aufzustehen und sich zu Wort zu melden, aber eben so viel Mut gehört dazu, sich hinzusetzen und zuzuhören', sagte einst Winston Churchill, ein 'alter Löwe'. Wird Trump es verstehen, sich hinzusetzen und mit dem ewigen Twittern aufzuhören? Er muss seine Wahlkampf-Postur aufgeben und die eines Nachfolgers von Roosevelt annehmen.“
Justiz und Medien zeigen Grenzen der Macht auf
Der erste Monat im Amt hat Trump in die Schranken gewiesen, beobachtet El Periódico de Catalunya:
„Trump hat in diesem knappen Monat festgestellt, dass die Macht - selbst seine - Grenzen hat. Die erste Grenze setzte ihm die Richterin, die seine Verordnung des Einreiseverbots von Bürgern aus bestimmten mehrheitlich muslimischen Ländern aufhob, und anschließend das Berufungsgericht, das diese Entscheidung bestätigte, um die Verfassungskonformität der Verordnung zu prüfen. Der Rücktritt des Extremisten Michael Flynn offenbarte das große Misstrauen der Geheimdienste gegen die Präsidentschaft und das Ausmaß der Undurchsichtigkeit der Beziehungen zum Kreml. Man kann auch nicht einfach über Nacht die internationalen Beziehungen des Landes auf den Kopf stellen. Nach einem anfänglichen Flirt mit Taiwan sah sich Trump gezwungen, vor China einzuknicken und gegenüber von Präsident Xi Jinping die Ein-China-Politik anzuerkennen.“