Iran: Kann Rohani seinen Reformkurs fortsetzen?
Nach seinem Sieg bei der iranischen Präsidentschaftswahl steht Hassan Rohani vor der Herausforderung, angekündigte Reformen gegen starke innenpolitische Widerstände durchzusetzen. Ob ihm dies gelingen kann, ist für viele Kommentatoren fraglich.
Präsident unter massivem Druck
Der Druck auf Rohani, Reformen umzusetzen, ist jetzt größer denn je, schreibt die iranische Journalistin Parisa Hafezi in einem Gastkommentar für Cyprus Mail:
„Zu diesem Druck hat Rohani auch selbst beigetragen, indem er sich insbesondere in den letzten Tagen des Wahlkampfs als harter Reformer präsentiert hat. 'Natürlich wird es schwierig, jetzt hier und da wieder von gemachten Ankündigungen Abstand nehmen zu müssen', sagte Abbas Milani, der die Iran-Studien an der Stanford University leitet. Milani betonte die 'Herausforderungen, vor die Rohani die Iranische Revolutionsgarde gestellt hat', und sein Versprechen, unter Hausarrest stehende reformistische Anführer freizulassen. 'All dies wird ihn auf einen Konfrontationskurs oder gar Kollisionskurs mit den Konservativen bringen', sagte Milani. Der interne Machtkampf in der Islamischen Republik ist nicht nur eine philosophische Auseinandersetzung zwischen Reformern und Hardlinern. Er ist auch ein Kampf um die Frage, ob die Vorherrschaft einer theokratischen Institution mit ihren ureigenen Interessen und Privilegien bewahrt wird.“
Trump und Saudis helfen Ultrakonservativen
Leider bedeutet die Wiederwahl Rohanis noch nicht, dass Teheran seinen prowestlichen Kurs fortsetzen wird, warnt Avvenire:
„Traditionsgemäß sind die iranischen Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit schwächer, da Khamenei ihnen stärker die Hände bindet. Rohani wird da kaum eine Ausnahme sein. Und das erst recht, wenn die Regierung versuchen wird, die vielen Ungereimtheiten einer korrupten Protektionswirtschaft zu korrigieren. In der blühen und gedeihen die konservativen religiösen Stiftungen und die Schattengesellschaften der Revolutionsgarde, deren Macht längst das gesamte System der Islamischen Republik durchdrungen hat. Die neue Regierung Trump verkompliziert die ganze Situation zusätzlich. In Washington hat die antiiranische Rhetorik wieder bedrohlich zugenommen: der Präsident und seine Männer legen der Islamischen Republik gegenüber eine unverhohlene Feindseligkeit an den Tag, die Israel und Saudi-Arabien besonders gut gefällt. Amerikaner und Saudis greifen mit ihrer Politik paradoxerweise den Ultrakonservativen unter die Arme, die die Wahl verloren haben.“
Bevölkerung profitiert nicht vom Atomdeal
Das Volk spürt von den positiven Folgen des Atom-Abkommens wenig, erklärt der Politologe Valentin Naumescu auf dem Blogportal Contributors:
„Eine Umfrage vom April zeigt, dass 72 Prozent der Iraner denken, der Joint Comprehensive Plan of Action habe ihr Lebensniveau nicht außergewöhnlich verändert. Auch spürten sie den Nutzen der schrittweisen Sanktionsaufhebung nicht, selbst wenn das jährliche Wirtschaftswachstum im Iran zwischen 2015 und 2016 bei fünf bis acht Prozent lag. Die Arbeitslosigkeit ist derweil hoch. Sie liegt bei zwölf Prozent und bei der jungen Generation bei rund 25 Prozent. Das wird einer der Gründe sein, weshalb es erstmals seit 1981 zu einer Stichwahl kommen könnte und die Wahl nicht gleich im ersten Wahlgang entschieden wird.“
Wann kommt der nächste Staatsstreich?
Dem Iran droht ein baldiger Staatsstreich, befürchtet Taimoor Aliassi, Vertreter des Vereins für Menschenrechte im iranischen Kurdistan bei der UN in Le Temps:
„Die Nachrevolutionsgeneration ist von 37 Jahren ungeteilter Regierungsmacht des Klerus enttäuscht und kann sich kaum vorstellen, dass die Ajatollahs eine bessere Zukunft bringen werden. Viele Intellektuelle, Politologen, Journalisten, Aktivisten und Künstler stellen sich nicht mehr die Frage, wann der nächste Staatsstreich stattfinden wird, sondern wie er ablaufen und welche Folgen er haben wird. Wird es zu einem Blutbad und einem Flächenbrand wie in Syrien und im Irak kommen? Oder folgt ein noch autoritäreres und zentralisierteres Regime, das mehr oder weniger aus dem Ausland ferngesteuert wird? - Von gewissen westlichen Mächten, allen voran den USA, die kein Interesse daran haben, das Land in Aufruhr geraten zu sehen und die bereit sind, ihre angeblichen Ideale für die Stabilität der Region zu opfern?“