Klimaschutz: Trump gegen den Rest der Welt?
Wenige Tage nachdem US-Präsident Trump den Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen von Paris verkündete, hat in New York die erste UN-Konferenz zum Schutz der Meere begonnen. Europas Presse blickt auf die Chancen dieser Konferenz, aber auch auf Mängel, die schon das Pariser Abkommen prägten.
Chance, Einigkeit zu demonstrieren
Mit der aktuellen Konferenz kann die internationale Gemeinschaft beweisen, wie Zusammenarbeit in Umweltfragen funktioniert, findet Upsala Nya Tidning:
„Was wäre da ein besserer Diskussionsgegenstand als die Weltmeere, die buchstäblich die gesamte Menschheit betreffen. ... Als konkretes Ergebnis kann man vor allem Maßnahmen gegen die acht Millionen Tonnen Plastik erwarten, die jedes Jahr im Meer landen. ... Eine Erklärung zum Kampf gegen die Vermüllung der Weltmeere würde belegen, dass in globalen Fragen eine Zusammenarbeit möglich ist. ... Und das ist gerade jetzt wichtig. Je mehr man darüber nachdenkt, desto besser erscheint das Timing dieser Konferenz.“
Die Welt privatisiert das Klima
Dnevnik sieht den bitteren Widerspruch des Pariser Klimaabkommens nun noch deutlicher zu Tage treten:
„Einerseits steht dahinter das Streben nach dem Allgemeinwohl. Andererseits ist es von den starken individuellen Interessen derer geprägt, die im Klimaschutz eine Geschäftschance wittern. Im Mittelpunkt dieser Finanzarchitektur steht der Green Climate Fund. Er dient der Disziplinierung und Unterwerfung der Entwicklungsländer, deren Privatunternehmen Klimaprojekte mit öffentlichen Geldern zu ihrem eigenen Nutzen umsetzen werden. Hier steckt der Ansatz für die Privatisierung des Klimas. … Mit ihrem Austritt stören die USA das internationale Recht und die internationale Ordnung und erklären die Profitgier zum obersten Gesetz ... Ihr Austritt erklärt das Abkommen nicht für ungültig, sondern verstärkt lediglich seine dunkelste Seite.“
USA riskieren einen Krieg
Trumps Entscheidung könnte Krieg bedeuten, fürchtet Wirtschaftsexperte Moise Guran in seinem Blog biziday:
„Die EU und die USA steuern unvermeidlich auf einen Handelskrieg zu. Die Luftverschmutzung abzubauen, ist ein teures Unterfangen. Hier hat Trump Recht. Der Ausstieg aus dem Abkommen verschafft den USA Wettbewerbsvorteile. Damit haben die anderen Akteure des Abkommens zwei Möglichkeiten - entweder die USA kommerziell durch eine Exportsteuer zu isolieren oder selbst aus dem Abkommen auszusteigen. Genau hier liegt das Problem, doch offenbar verstehen Trump und seine Wähler das nicht. Die Unfähigkeit des Präsidenten der größten Weltmacht ist eine Katastrophe für den Rest der Welt. Nicht, weil wir damit unseren Planeten zerstören … sondern, weil aus einem Wirtschaftskrieg immer wahre Kriege wurden - mit Waffen, Raketen und Toten.“
Europa ist nicht gerade ein Vorbild
Die Europäer haben beim Thema Umweltschutz selbst genug Dreck am Stecken, mahnt L'Echo:
„Die USA als Umweltsünder par excellence darzustellen und Europa als Bewacher des grünen Heiligtums, wäre eine grobe Vereinfachung. Wir dürfen nicht vergessen, dass Frankreich und Deutschland - um nur diese zwei zu nennen - weiterhin den Diesel verteidigen (und somit ihre wirtschaftlichen Interessen). Zwar ist Diesel hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Erderwärmung weniger schlimm als Benzin, nicht aber für unsere Lungen. Ganz zu schweigen von den Skandalen um Betrügereien gewissenloser europäischer Autobauer bei den Abgasnormen. … Und Berlin hat zwar nach Fukushima beschlossen, seine Atomkraftwerke abzuschalten und auf erneuerbare Energiequellen zu setzen, ein Teil des Atomstroms wird allerdings durch Kohle substituiert.“
Hoffnung geht von US-Wirtschaft aus
Es macht Hoffnung, dass sich gleich nach Trumps Rede große Teile der amerikanischen Wirtschaft klar zum Klimaschutz bekannten, unterstreicht Jyllands-Posten:
„Ein Trost an diesem tristen Abend ist die Einigkeit des amerikanischen Wirtschaftslebens, das sich gegen die Entscheidung Trumps stellt. Und dass die wissenschaftliche Stärke und innovative Urkraft der USA so einzigartig sind, dass sie in den kommenden Jahren technische Lösungen parat haben werden, die den Klimaabsprachen entsprechen. ... Zwar sollte niemand Präsident Trump sein Credo 'America first' vorwerfen. Aber ebenso legitim ist es, wenn die besten Freunde der USA - zu denen Dänemark gehört - alles versuchen, um zu verhindern, dass die Trump-Ära ein 'America last' wird.“
Überforderter Präsident isoliert die USA
Der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen zeigt, wie desolat der Zustand von Donald Trump und seiner US-Präsidentschaft ist, glaubt Der Standard:
„Die Signale der Mäßigung in den letzten Wochen haben ihm in den Medien und den Umfragen nichts gebracht. ... Nun zieht sich der Mann, den die US-Präsidentschaft von Tag zu Tag mehr überfordert, immer tiefer in seinen Bunker zurück, von wo er per Twitter gegen die Welt wütet. Er zieht wieder jene nationalistische Karte, die schon bei seiner Angelobungsrede für weltweites Entsetzen gesorgt hat. Diese Politik führt die Supermacht in eine noch nie dagewesene Isolation. Den Preis dafür zahlen all jene in der Welt, die jetzt schon unter den Folgen des Klimawandels leiden, sowie die Staaten, die bisher auf den Bündnispartner USA gesetzt haben. Den größten Schaden aber richtet Trump in seinem eigenen Land an.“
Klimaabkommen nur noch leere Hülle
Die Entscheidung der USA höhlt das Klimaabkommen völlig aus, sorgt sich Hürriyet:
„Eines der führenden Länder der Welt kündigt ein Abkommen auf, das für die Zukunft des Planeten, für die Fortführung des menschlichen Lebens so wichtig ist. ... Die Motivation von Entwicklungsländern, die sich nur widerwillig auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen eingelassen haben, lässt weiter nach, wenn ein reiches Land für noch mehr Reichtum das Nachhaltigkeitsziel mit den Worten 'America first' abschreibt. ... Es ist zwar sehr bedeutsam, dass unter den größten Wirtschaftsmächten der Welt die EU und China eine Führungsrolle in der Klima-Angelegenheit übernehmen wollen. Allerdings ist ein Abkommen, an dem sich die USA nicht beteiligen, eine leere Hülle.“
Hält Trump die Erde für eine Scheibe?
Trump ignoriert einmal mehr die Realität, äußert sich Dennik N fassungslos:
„Über viele Aspekte des Klimawandels kann man diskutieren. Es ist berechtigt, zu fragen, ob nur der Mensch an ihm die Schuld trägt, oder ob es sich teilweise auch um einen natürlichen Prozess handelt. Der Klimawandel an sich ist aber ein Fakt. Dazu braucht man nicht einmal wissenschaftliche Studien zu lesen, es genügt, auf der Erde zu leben. Den Klimawandel zu leugnen, wie Trump es tut, ist so, als wenn man bestreitet, dass die Erde eine Kugel ist. ... Wer die Realität ignoriert, ändert nichts an ihr. Man kann Zweifel haben über die Wirksamkeit des Pariser Klima-Vertrags. Es ist aber sinnlos, an den Folgen des Klimawandels zu zweifeln, die ja sichtbar sind und nur schlimmer werden. Zu all dem kommt: Trump legt erneut keine bessere Alternative anstelle dessen vor, was er sabotiert.“
Dr. Seltsam zockt mit der Zukunft unserer Kinder
Die Aufkündigung des Klimaabkommens ist für Les Echos noch nicht mal die Krönung der Trumpschen Umweltzerstörung:
„Das Schlimmste ist nicht, mitanschauen zu müssen, wie der Dr. Seltsam dieses Planeten mit dem Erbe unserer Kinder spielt. Das Schlimmste sind die Dinge, die er schon vorher unternommen hat, um das getrübte Vermächtnis Obamas zu zerstören, Klimaabkommen hin oder her. Dazu gehören das riesige Keystone-Pipelineprojekt mit [der westkanadischen Provinz] Alberta, das Aus für den Clean Power Plan zur Verminderung von Kraftwerksemissionen, seine unverschämte Lobhudelei auf die 'schöne, saubere Kohle' und die Platzierung eines Klimaskeptikers an der Spitze der US-Umweltbehörde. Schon das genügt, um Donald Trump zum Staatsfeind Nummer eins der Bewohner eines lebenswerten Planeten zu machen.“
Jetzt beginnt ein kalter Umweltkrieg
Man kann Trump vieles vorwerfen, nicht aber mangelnde Konsistenz, findet Dnevnik:
„Er hat versprochen, nur für amerikanische Interessen zu sorgen. Daran hält er sich. Es ist natürlich leicht, den USA die Schuld für die Probleme der Welt zuzuschieben, und Trump erleichtert eine solche Haltung noch. Denn es ist unangenehm, ihm zuzuhören, weil er direkt aufzeigt, was US-Politiker sonst in leere Salbaderei verpacken. Die US-Außenpolitik basiert auf einem starken Eigenwillen, und erwartet von anderen Ländern, den USA zu folgen. Sie sollen auch dann folgen, wenn sie mit den USA nicht übereinstimmen und die US-Entscheidungen im Widerspruch zu den eigenen Interessen stehen. ... Diesmal sucht der US-Präsident keine Verbündeten. Den Unterzeichnern des Pariser Abkommens hat er den kalten Umweltkrieg angekündigt.“
Siegeszug grüner Energie ist nicht zu stoppen
Auch wenn sich die USA nun gegen das Pariser Abkommen stellen, wird sich der Schaden in Grenzen halten, beruhigt The Daily Telegraph:
„Technische Innovation und Massenproduktion haben grüne Energie wesentlich verbilligt. Die Kosten von Windkraft sind seit 2008 weltweit um geschätzte 71 Prozent gefallen, die für Solarenergie um 83 Prozent. Auch ohne unterstützende gesetzliche Bestimmungen der US-Regierung sprechen die harten Fakten für erneuerbare Energien. ... Keine Frage: Trumps Entscheidung, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, zeigt seine hochgradig unverantwortliche Haltung gegenüber seiner Verpflichtung, das kostbare Erbe unserer Natur für künftige Generationen zu schützen. Doch haben Klimaschutzmaßnahmen auf dem gesamten Globus eine nicht mehr aufzuhaltende politische und wirtschaftliche Dynamik erlangt. Zum Glück kann Trump nur begrenzt dauerhaften Schaden anrichten.“
Austritt würde die Welt polarisieren
Für die Süddeutsche Zeitung hätte ein Austritt globale politische Folgen, die weit über den Klimaschutz hinausgehen:
„[D]ie Welt ist zu sehr von den USA abhängig, als dass deren Kapriolen ohne Wirkung auf den übrigen Globus blieben. Ein Austritt aus dem Klimaabkommen würde Nachahmer anstiften, grundsätzlich die Frage völkerrechtlicher Bindekraft aufwerfen, die Welt polarisieren. Warum sollte sich etwa Russland an das Budapester Memorandum von 1995 über die Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa gebunden fühlen, wenn Trump das Klimaabkommen rückgängig macht? Völkerrecht ist das Knochengerüst im Geschäft zwischen Staaten, Trump hingegen macht Außenpolitik zur amorphen Masse, nicht formbar, nicht belastbar, stets fließend.“
EU und China müssen gemeinsam den Weg weisen
Wenn die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen, müssen die EU und China enger zusammenarbeiten, meint die Wiener Zeitung:
„Trump wurde von vielen Kumpels gewählt, weil er die Kohleindustrie wieder forcieren möchte - für das Weltklima ein Irrsinn. Von Menschen verursachte Naturkatastrophen lösen Flüchtlingsströme aus und führen zu immensen Zerstörungen. Damit haben sich dann Staaten zu beschäftigen, nicht jene Unternehmen, die das alles verursachen. ... China hat die Zeichen der Zeit erkannt, Europa auch. Sollten die USA aus dem Pariser Abkommen aussteigen, müssten diese beiden Wirtschaftsmächte in den Bereichen Energie, Industrie und Städteentwicklung umso enger zusammenarbeiten. In der Zeit nach Trump müssten die USA denn eben jene Technologien kaufen, die in Europa und Asien entstehen. Bis dahin wird es aber sehr viele Tote geben, Überschwemmungskatastrophen und Dürren, die Elend und Hungersnöte auslösen.“
Stellt sich der Präsident selbst ein Bein?
Wenn Trump wirklich aus dem Abkommen aussteigt, manövriert er sich im eigenen Land wie auch international ins Abseits, ist Le Temps sicher:
„Viele Staaten, allen voran Kalifornien, haben den Klimaschutz zur Priorität gemacht und nichts scheint sie aufhalten zu können. Texas, das für seine florierende Ölindustrie bekannt ist, investiert seit Jahren umfassend in die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie, aus wirtschaftlichen Interessen. Das macht Hoffnung. Der Widerstand gegen Trumps Entscheidung könnte massiv werden. ... [Auch wäre ein Ausstieg] ein kolossaler außenpolitischer Fehler. Angela Merkel hat dies vergangenes Wochenende so ausgedrückt: Europa kann nicht mehr auf Washington zählen. China plant, bis 2020 etwa 360 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien zu investieren. Ein Rückzug der USA ist für Peking eine einmalige Gelegenheit, seine Position als Vorreiter der jetzigen und künftigen Energierevolution zu festigen.“
Trump zeigt der Welt den Mittelfinger
Trump versucht vor allem, seine Anhänger bei der Stange zu halten, mutmaßt Helsingin Sanomat:
„Normalerweise gilt in den USA die Faustregel: Die Linke meint, dass die Amerikaner von der übrigen Welt lernen können. Die Rechte glaubt, dass die übrige Welt von den Amerikanern lernen muss. So sind die USA unter Präsident Barack Obama dem Pariser Abkommen beigetreten, aber Präsident Donald Trump scheint wieder aussteigen zu wollen. … Dass Trumps Basis bröckelt, könnte ein wichtiger Faktor seiner Entscheidung sein. ... [Seine Anhänger] sind insbesondere enttäuscht, dass Trump die Gesundheitsreform nicht umgesetzt hat. Ihnen muss er zeigen, dass ihm das Herz nicht in die Hose gerutscht ist. Und deshalb zeigt er der Welt den Mittelfinger.“