Kann der EU-Gipfel den Migrationsstreit beilegen?
Der am heutigen Donnerstag beginnende EU-Gipfel soll einen Durchbruch im Streit über die Asyl- und Migrationspolitik bringen. Dabei geht es insbesondere um die Reform der Dublin-Regeln und den Umgang mit Bootsflüchtlingen. Europäische Medien machen Lösungsvorschläge.
Kooperation williger Staaten nötig
Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten in der Migrationspolitik schlägt Aftonbladet vor:
„Wenn mindestens neun Länder interessiert sind, kann man eine Zusammenarbeit initiieren, wie man es mit der Währungsunion und der Europäischen Staatsanwaltschaft getan hat. ... Ohne Polen, Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Italien bleiben immer noch 23 Länder, die willens sind, zusammenzuarbeiten. Es bestehen dabei natürlich auch Risiken. Denn wenn man nicht alle Länder zwingt, dabei zu sein, kann die Zusammenarbeit schwach ausfallen. Doch jetzt ist die Koordination der bereitwilligen Länder wichtiger, als auf die Unwilligen Druck auszuüben. Wir dürfen nicht zulassen, dass egoistische rechte Regierungen Europa als Geisel nehmen.“
Ein Marshall-Plan für Libyen
Eine Stabilisierung Libyens ist essenziell, um die illegale Migration zu stoppen, fordert Malta Today:
„Europa muss mit einem Marshall-Plan für Libyen eingreifen. Dieser muss zunächst einmal Investitionen beinhalten, die dazu beitragen, Sicherheit, Arbeitsplätze, Wohlstand und soziale Verbesserungen für die einfachen Libyer zu schaffen. Europa und Malta sind mitverantwortlich, Netzwerke zum Schmuggel von Treibstoff in Libyen zu zerstören, die den rivalisierenden Milizen eine finanzielle Lebensader bieten und den Staat um wichtige Einkünfte bringen. ... Es wird natürlich lange dauern, Libyen zu stabilisieren. Und Rückschläge sollten die EU nicht dazu bringen, einen Nachbarn im Stich zu lassen. Einen gescheiterten Staat vor der südlichen Haustür zu haben, ist für Europa schlicht keine Option.“
Auffanglager für mehr Sicherheit
Die Staats- und Regierungschefs sollten endlich die Sicherheitsbedürfnisse der Bürger ernst nehmen und Auffanglager für Migranten an den EU-Außengrenzen schaffen, fordert die national-konservative Wochenzeitung Figyelő:
„Es gibt keinen Zweifel: Wenn ein Migrant die Grenze zum Schengenraum übertritt, dann hängt es nur noch von ihm selbst ab, wohin er sich davonmacht, um den Behörden zu entkommen. Die geschlossenen Lager könnten verhindern, dass er über den ganzen Kontinent wandern kann, während man nicht weiß, wer der Migrant ist und was er will. Aber solche Auffanglager sind ja nicht möglich, weil sie seine Grundrechte verletzen. Das Recht der europäischen Staatsbürger auf ihre Sicherheit ist natürlich kein ausreichend starkes Argument für diese 'Rechtsschützer'.“
Deutschland darf nicht allein das Sagen haben
Im Umgang mit der Flüchtlingskrise sollten die Viségrad-Staaten endlich ernst genommen werden, bemerkt Rzeczpospolita:
„Im Jahr 2015, als Angela Merkel die Grenzen für Millionen Flüchtlinge öffnete, hat sie noch nicht einmal ihren damals wichtigsten Partner François Hollande gewarnt. Dann wollte sie aber, dass Frankreich - ähnlich wie andere Länder - hilft, die Last der Flüchtlinge zu tragen. Heute geben hochrangige EU-Diplomaten zu, dass Viktor Orbán und Donald Tusk als erste davor gewarnt haben, dass eine schlecht gemanagte Flüchtlingskrise eine andere Welle auslöst: eine Welle des Populismus und der Bedrohung für die Stabilität der EU. Vielleicht wird nach dieser Erfahrung in Brüssel nicht nur die Meinung der mächtigsten Länder der Gemeinschaft berücksichtigt.“
EU überträgt Wien den Festungsausbau
Der Gipfel wird keine Lösung des Asylproblems bringen, sondern es "auslagern", meint La Stampa und verweist auf ein Dokument, das die Abschottung fördert:
„Da Europa nicht in der Lage ist, eine interne Lösung für die Handhabung der Migrationsfrage zu finden, ist es bereit, sich in einen Bunker zu verwandeln. Ein Plan liegt bereits vor. Er wurde von der österreichischen Regierung unterzeichnet, die am Sonntag den EU-Ratsvorsitz für ein halbes Jahr übernimmt. Heute Abend wird der Europäische Rat Österreich den Auftrag erteilen, das gesamte Migrationspaket und insbesondere die Reform des Dublin-Verfahrens zu übernehmen. La Stampa hatte Zugang zu einem Dokument, das Wien am Montag dem EU-Sicherheitsausschuss vorlegen wird. Die österreichische Regierung geht demnach von einer sehr klaren These aus: Migrationsphänomene sind eine Bedrohung für die Sicherheit.“
Rechten nicht in die Hände spielen
Beim EU-Gipfel steht auch die Zukunft der deutschen Koalition auf dem Spiel, weil die konservative Schwesterpartei CSU Kanzlerin Merkel im Asylstreit unter Druck setzt. De Standaard wirft der CSU eine unkluge Politik vor:
„Die bayerischen Konservativen boxen in Berlin weit über ihrer Gewichtsklasse. Indem sie die Migration zum Thema der Landtagswahl [im Herbst] machen, spielen sie ihrem Konkurrenten im rechten Spektrum, der AfD, in die Hände. Wenn man das Thema der Gegner in den Mittelpunkt stellt, macht man diese glaubwürdig und gibt der eigenen Partei die Rolle einer schlechten Kopie. Politisch unklug also. Und doch setzt Horst Seehofer, der CSU-Vorsitzende und Innenminister, seinen Konfrontationskurs fort. ... Niederlage im Fußball, Chaos in der Politik. Für die Deutschen ist nichts mehr sicher.“