Labours Strategie diffus und schädlich
Wie Labour-Chef Keir Starmer sich zum Brexit verhält, kritisiert ARD-London-Korrespondentin Annette Dittert auf tagesschau.de:
„Er verspricht ... den Brexit besser zu machen, also eine Wiederannäherung an die EU, aber ohne Aussicht auf eine erneute Mitgliedschaft im Binnenmarkt. Unerwähnt lässt er dabei, dass eine echte Erholung der britischen Wirtschaft ohne den Binnenmarkt kurz- und mittelfristig kaum möglich ist. Die Taktik ist klar: Er will die linken Brexiteers, die 2019 scharenweise zu Johnson übergelaufen sind, wieder zurück ins Labour-Boot holen. Eine Strategie, für die das Land aber einen hohen Preis zahlen wird. Solange noch nicht einmal die Opposition die Nachteile des EU-Austritts klar benennen will, wird es auch keine echten Lösungen für die durch ihn entstandenen Probleme geben können.“
Der Traum ist aus
Mitgefühl mit den Brexit-Befürwortern von 2016 zeigt Irish Independent:
„Den Wählern wurde versprochen, dass sie sofort nach der Ratifizierung des Brexit die Kontrolle über die eigenen Grenzen zurückerlangen würden und illegale Einwanderung effektiv einschränken könnten. Nichts davon ist passiert. Statt im versprochenen sonnigen Hochland finden sie sich nun in einer Situation wieder, die mehr an das düstere Mordor erinnert. Diese Menschen hatten einen Traum - einen Traum von Souveränität und stolzer nationaler Selbstbestimmung, frei von europäischer Einmischung und dem Diktat der Bürokraten in Brüssel. ... Es scheint, dass dieser Traum vorbei ist.“
Bilanz ist negativ - für beide Seiten
NRC Handelsblad zählt auf:
„Das Versprechen, dass die Millionen, die in den europäischen Haushalt geflossen sind, für die britische Gesundheitsversorgung verwendet würden, hat sich nicht erfüllt. ... Nach dem Brexit musste Großbritannien eigene Handelsverträge mit anderen Ländern schließen, aber deren Wirkung war bisher enttäuschend. ... Die Migration ins Königreich hat nicht abgenommen wie versprochen, sondern sogar zugenommen. ... Insgesamt ist die Bilanz negativ, auch für die EU-Länder übrigens, die einen wichtigen Partner bei Handel, Verteidigung und Geopolitik verloren haben. Eigentlich hatte der Brexit nur eine positive Folge: Auf dem europäischen Kontinent ist die Begeisterung für einen eventuellen Austritt aus der EU stark gesunken.“
Als Fehler erkannt, aber nicht mehr im Fokus
Seit Rishi Sunak regiert, ist es merklich ruhiger um den Brexit geworden, beobachtet The New European:
„Sunaks beherrschte Art zu regieren und sein Versuch, die Beziehungen zu Brüssel wieder zu kitten, stehen im Einklang mit der Wahrnehmung, dass der Brexit von der Liste der unmittelbaren Sorgen der Wähler immer mehr verschwindet. Eine Umfrage für den Think Tank UK in a Changing Europe ergab Ende 2022, dass der Brexit es nicht mal in die Top 10 der Themen schaffte, die der britischen Öffentlichkeit wichtig waren. Und gleichzeitig hat es einen allmählichen und tiefgreifenden Stimmungswandel gegeben. Ein Wandel, der auch Downing Street nicht entgangen sein wird. ... 60 Prozent der Briten glauben mittlerweile, dass der EU-Austritt für das Vereinigte Königreich ein Fehler war.“
Vorteile besser verkaufen
Wirtschaftlich bewirkt der Brexit Positives, meint The Sun:
„Vor dem dritten Jahrestag des Brexits hat Sunaks Regierung eine neue Welle von Investitionsanreizen angekündigt. Wirtschaftsminister Grant Shapps betont, dass seit der Befreiung von den Fesseln Brüssels vor drei Jahren Investitionen in Milliardenhöhe freigesetzt wurden. ... Das sind gute Nachrichten. Aber die Tories müssen diese Botschaft klar und deutlich vermitteln, wenn sie Wähler überzeugen wollen, die genug von einer Partei haben, die dauernd in Skandale verwickelt ist. Rishi muss das positive Bild eines wohlhabenden Post-Brexit-Großbritanniens verkaufen, und das mit Leidenschaft. ... Um das zu erreichen, sollte sich der Premier etwas vom Machergeist seines Vorgängers abschauen.“
Der Elefant im Raum
Die britischen Parteien umgehen das Thema tunlichst, beobachtet Les Echos:
„Zurzeit ist der Brexit immer noch der Elefant im Raum, den niemand beim Namen nennen will. Die Tories fürchten ein Erstarken der EU-kritischen Partei Reform UK, die das Erbe von Nigel Farages Ukip antritt, und die Labour Party befürchtet, dass sie die Unterstützung der Arbeiter, deren Ausbleiben ihr 2019 eine schwere Niederlage eingebracht hatten, endgültig verlieren könnte. Es scheint, als würden sie davon ausgehen, dass der Kampf bei den nächsten Parlamentswahlen 2024 ausschließlich an der 'roten Mauer', den Pro-Brexit-Wahlkreisen im benachteiligten Norden Englands, ausgetragen wird. Aber wie lange soll das noch so weitergehen?“