Europawahl gegen Moskaus Einfluss abschirmen?
Im Vorfeld der Europawahl wächst die Sorge vor Aktivitäten des Kremls, sei es durch mediale Einwirkung auf die Wählerschaft oder direkte Beeinflussung von Politikern und Parteien. Kommentatoren beschäftigen sich mit der Frage, wo die Gefahren lauern.
Liebe zu Russland nicht die Ursache
Harri Tiido, Journalist und ehemaliger Botschafter Estlands in Finnland, analysiert in ERR Online, warum russische Propaganda so gut verfängt:
„Der russische Einfluss beruht nicht unbedingt auf einer Liebe zu Russland, sondern eher auf der Suche nach Unterstützung für Aktionen gegen die Mainstream-Politik und die westlichen Werte. Gemeinsame Interessen sind die Gegnerschaft zu den USA, der Anti-Atlantizismus und die Unterstützung für angeblich traditionelle Familienwerte. Und einige sind einfach 'nützliche Idioten'. ... Der Krieg in der Ukraine hat einige Kräfte gezwungen, sich von Russland zu distanzieren, aber das ist möglicherweise nur ein vorübergehendes Phänomen.“
Trojanische Pferde sind längst hier
Rechte Parteien wie die AfD machen sich bewusst zu Gehilfen des Kremls, meint die Aargauer Zeitung:
„Deutsche Interessen, so glauben sie zu wissen, könnten am besten gewahrt werden, wenn Berlin und Moskau über die Köpfe der Polen und Ukrainer hinwegredeten. Eine solch rücksichtslose Haltung, verbunden mit antiwestlichem Ressentiment, macht die AfD gefährlich: Parteien beeinflussen die öffentliche Meinung, und dass ihre Abgeordneten etwa in Ausschüssen sensible Informationen aufnehmen, lässt sich auch dann nicht völlig vermeiden, wenn sie weit von der Macht entfernt sind. Dies macht Kräfte wie die AfD zu Instrumenten der hybriden Kriegsführung autoritärer Regime.“
Propaganda ist Programm
In Ungarn enthält das Wahlprogramm der Regierungspartei selbst russische Propaganda, meint Népszava:
„Die Pro-Putin-Rhetorik des Fidesz folgt konsequent dem vom Premier vorgegebenen Weg: Der Hauptfeind ist Brüssel, die Ursache aller Probleme ist der Krieg, während die Verantwortung der Russen freilich missachtet wird. ... Das Wahlprogramm spiegelt und suggeriert eine bewusst schiefe Weltanschauung und gleichzeitig die Ansichten des ungarischen Premiers und des russischen Präsidenten.“
Pro-russische Ideen bedrohen die EU
Le Monde warnt vor pro-russischen Parteien in mehreren Ländern:
„Vor allem der von Russland an unsere Grenzen getragene Konflikt muss ein neues Bewusstsein hervorrufen. … Noch vor zwei Jahren machte RN [Rassemblement National] ein Militärbündnis mit Russland zur Kernidee ihres Verteidigungsprogramms. Heute zeigen die FPÖ und die AfD offen kremlfreundliche Sympathien – und auch wenn die Prioritäten dieser Gruppierungen nicht von Russland diktiert werden, so stimmen doch ihre illiberalen Interessen überein. ... Diese politischen Parteien stellen eine echte Bedrohung für die Gründungsprinzipien der EU dar und bleiben – in ihrer Mehrheit – Träger einer gefährlichen ideologischen Affinität zum Kreml.“
Im Informationskrieg nicht kuschen
Polityka fordert Gegenmaßnahmen gegen russische Desinformation:
„Die Staats- und Regierungschefs der EU sind sich der russischen Eingriffe in die Grundlagen der Demokratie bewusst. Auf einem Gipfeltreffen in Brüssel wurde diese Woche darüber gesprochen, wie man auf solche Machenschaften vor den Wahlen reagieren sollte. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, argumentierte: 'Wir müssen viel wachsamer sein, viel besser zusammenarbeiten und Russland zeigen, dass wir nicht naiv sind.' Dazu – und das hat der Ratsvorsitzende nicht hinzugefügt – reicht es nicht aus, sich passiv gegen Desinformation zu wehren, sie muss aktiv bekämpft werden. Denn den Informationskrieg gewinnt derjenige, der zuerst sein Narrativ durchsetzt.“
Kreml-Geld zerstört Demokratien
Svenska Dagbladet erläutert am Beispiel der USA, wie russisches Geld das politische System untergräbt:
„In den Vereinigten Staaten wurden bei den letzten Wahlen beide Parteien mit Hunderten Millionen Dollar unbekannten Geldes finanziert. ... Der derzeitige republikanische Speaker des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, wurde bei seiner Wahl in den Kongress von einer amerikanischen Firma finanziert, die hochrangigen russischen Geschäftsleuten gehörte. All dies wurde als legal beurteilt. Die Frage ist, was es für die Freiheit und den Rechtsstaat in den USA bedeutet, dass es in der Politik so viel Schwarzgeld gibt. Wenn wir Schwarzgeld in der Politik nicht identifizieren und kontrollieren können, ist es zweifelhaft, ob die Demokratie überleben kann.“