Wie sinnvoll sind Strafzölle auf E-Autos aus China?

Die EU-Kommission will ab dem 1. Juli Strafzölle auf den Import chinesischer E-Autos erheben, sofern mit Peking keine andere Lösung gefunden werden kann. Sie sollen je nach Hersteller bis zu 38,1 Prozent betragen und laut Brüssel verhindern, dass chinesische Autohersteller den Markt mit stark subventionierten Billig-E-Autos fluten. Die EU folgt damit den USA, die bereits Strafzölle von 100 Prozent erheben. Peking reagierte empört.

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La Croix (FR) /

Zeichen für ein freies und starkes Europa

Mit seiner klaren Haltung setzt Brüssel auch einen Kontrapunkt zur Position der EU-skeptischen Parteien, meint La Croix:

„Natürlich hat China diese Entscheidungen als protektionistisch verurteilt und Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Natürlich sind die Deutschen mehr als alle anderen daran interessiert, einen Konsens mit Peking zu erzielen, da sie befürchten, dass ihre mächtige Automobilindustrie ins Wanken gerät, und warnen vor einem Handelskrieg, unter dem alle europäischen Länder leiden könnten. Die Sache ist zweifellos noch nicht abgeschlossen, aber die Ankündigung der Kommission steht für ein starkes und freies Europa, während es die souveränistischen Parteien zur inhaltsleeren Hülle degradieren wollen.“

Welt (DE) /

Besser nicht so weit aus dem Fenster lehnen

Übertriebene Kritik an Chinas Subventionen ist nicht nur gefährlich, sondern auch scheinheilig, findet die Tageszeitung Welt:

„Europas Landwirte werden seit Jahrzehnten großzügig subventioniert, und exportieren die subventionierten Produkte nach China ...; kurzum: China kann Europas Landwirte schwer treffen, wenn es auf unsere Auto-Zölle mit Agrar-Zöllen reagiert. Auch andere europäische Produkte, von Airbus-Maschinen bis Zeichentrickfilme, wurden und werden subventioniert, so die Atom-, Solar- und Windenergie. In einer idealen Welt gäbe es keine Subventionen. In der realen Welt subventionieren alle Staaten, die USA übrigens im großen Stil. In der WTO gibt es ein Forum, über Staatshilfen und Strafzölle zu diskutieren, mit dem Ziel, beide zu reduzieren. Dieses Forum sollte genutzt werden.“

La Vanguardia (ES) /

Unnötige Konfrontation vermeiden

La Vanguardia rät zur Vorsicht:

„China ist der weltweit größte Produzent von Elektroautos und beherrscht einen sehr großen Anteil des Marktes für elektrische Batterien. Außerdem forciert es den Bau von Produktionszentren in Europa, um Zollmaßnahmen zu umgehen: Das chinesische Unternehmen Chery wird im ehemaligen Nissan-Werk in Barcelona produzieren. Der Kampf um eine zukunftsträchtige Branche verschärft sich also, auch wenn sich das Elektroauto in Europa mit einem Marktanteil von 15 Prozent kaum durchgesetzt hat. ... Die EU sollte sich Reindustrialisierung und strategische Autonomie als Ziele setzen und nicht vergessen, dass Abkommen gewinnbringender sein können als Konfrontationen.“

El Mundo (ES) /

Selbstverteidigung gegen unfairen Wettbewerb

El Mundo begrüßt die Maßnahme:

„Das ist kein Protektionismus, sondern Selbstverteidigung. ... Brüssel hat Beweise dafür, dass chinesische Autohersteller Kredite und Steuererleichterungen erhalten, die sie gegenüber den Europäern bevorteilen. ... Die Entscheidung, die Zölle auf 38 Prozent festzulegen, vermeidet einen totalen Handelskrieg à la Washington und ermöglicht es Europa bei der Industriepolitik, die an Wettbewerbsfähigkeit verliert, seinen eigenen Weg zu gehen. Die von Ford und Vodafone in Spanien vorgeschlagenen Massenentlassungen sind Beispiele für die Schwäche zweier vom globalen Wandel besonders betroffener Branchen. Sie zeigen auch, wie wichtig es ist, die Organisation der europäischen Fonds zu verbessern, um diese zu stärken.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Den Preis zahlen die Verbraucher

Für die Frankfurter Rundschau ist der Schritt nicht ohne Risiko:

„Europa begibt sich auf eine gefährliche Gratwanderung. Was in Europas Hauptstädten als 'verhältnismäßige' Antwort bezeichnet wird, löst in Peking Empörung aus. Die Gefahr, dass China mit Vergeltungszöllen antwortet, ist groß. Und damit auch die eines Zollkriegs zwischen dem zweit- und dem drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt. Den Preis für die Sonderzölle werden schon bald die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen: Die Zölle dürften zumindest teilweise an die Kundschaft weitergereicht werden. Gleichzeitig sinkt der Druck auf die europäischen Hersteller, günstigere und bessere Elektroautos auf den Markt zu bringen.“

Le Temps (CH) /

Energiewende steht auf dem Spiel

Das könnte der EU und der Umwelt schaden, warnt Le Temps:

„In einer Europäischen Union, die sich wirklich nur selten einig ist, steht Berlin protektionistischen Maßnahmen eher ablehnend gegenüber. Diese könnten einen Handelskrieg auslösen, bei dem Unternehmen wie Volkswagen oder BMW viel zu verlieren haben, da sie in China viel stärker vertreten sind als ihre französischen Kollegen. … Es steht viel auf dem Spiel. Es geht nicht nur um die wirtschaftliche Zukunft eines schwächelnden Europas, sondern auch um die Energiewende: Je höher die Preise für Elektroautos steigen, desto weiter rückt die Aussicht auf eine schnelle Reduzierung der CO2-Emissionen zwangsläufig in die Ferne.“

The Economist (GB) /

Das wird Chinas Siegeszug nicht aufhalten

Die Strafzölle werden nichts bringen, glaubt The Economist:

„Langfristig könnten die Zölle Chinas Eroberung des europäischen Automarktes sogar noch beschleunigen. Es war ohnehin klar, dass chinesische Unternehmen ihre Elektroautos vor Ort produzieren müssen, wenn sie in Europa eine nennenswerte Rolle spielen wollen. BYD, das bis 2030 zum größten Elektroautohersteller der Region werden will, wird eine Fabrik in Ungarn bauen und dürfte bald eine weitere in Spanien ankündigen. Chery unterzeichnete im April eine Vereinbarung, ebenfalls Autos in Spanien zu produzieren. Berichten zufolge klopfen auch andere Unternehmen an die Tür der großen europäischen Auftragshersteller. ... Mit anderen Worten: Die chinesischen Autohersteller werden nicht verschwinden.“

Kurier (AT) /

Entwicklung verschlafen

Für den Kurier lenken Zölle vom wahren Problem ab:

„Mit Mauern ist das so eine Sache. Mauern werden errichtet, um Feinde abzuwehren. Am Ende kann es aber passieren, dass sich die Erbauer der Mauer selbst einbetonieren. So wie einst die Kommunisten im Ostblock. Die Mauern in der Wirtschaft sind die Zölle. So möchte die EU-Kommission nun Strafzölle gegen Elektroautos aus China verhängen. Weil die E-Autos aus China viel billiger sind als die europäischen. Man will damit die europäischen Autokonzerne schützen, die die Entwicklung der E-Mobilität verschlafen haben.“