Gaza: Trump schlägt Übernahme durch die USA vor
Beim Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu brachte US-Präsident Donald Trump die Idee vor, die USA könnten den Gaza-Streifen in Besitz nehmen, um Kriegsschäden zu beseitigen und ihn in "die Riviera des Nahen Ostens" zu verwandeln. Das Weiße Haus erklärte später, es ginge um einen Wiederaufbau mit einer "vorübergehenden" Aussiedlung der Bevölkerung. Europas Medien erörtern Realitätsnähe und mögliche Motive des Vorschlags.
Ziemlich unrealistisch
Tagesschau.de bezweifelt, ob Trump seinen Plan wirklich durchdacht hat:
„Für seine Idee einer Neuordnung des Nahen Ostens müsste auch das US-Militär eingesetzt werden – quasi als Schutztruppe eines kapitalistisch motivierten Kolonialabenteuers. ... Dazu kommt: Israel hat mit seiner Art der Kriegsführung in Gaza jeglichen Kredit in der gesamten arabischen Welt verspielt – einem Plan für Gaza, der keinen unabhängigen Palästinenserstaat vorsieht, wird daher derzeit niemand von Kairo bis Riad zustimmen. Der Gazastreifen stehe nicht zum Verkauf, heißt es von der Arabischen Liga und möge der Käufer auch der Immobilienmogul im Weißen Haus sein.“
Endlich spricht jemand die Realität an
Lob für Trumps Vorstoß kommt von The Spectator:
„Trumps Vision wird jene in Schrecken versetzen, die sich mit dem Status quo abgefunden haben. Sie wird jene verunsichern, die lieber in diplomatischer Unbeweglichkeit verharren, als unangenehme Wahrheiten anzuerkennen. Und sie wird jene in Rage bringen, die ihre Karriere, ihren Ruf und ihr Vermögen auf der Aufrechterhaltung des Unlösbaren aufgebaut haben. Was Trump und Netanjahu vorschlagen, ist nicht leichtsinnig. Es basiert auf der Realität. Es erkennt an, was Entscheidungsträger schon lange geflüstert, aber nie auszusprechen gewagt haben: Dass Gaza mit seiner gegenwärtigen Regierung und Bevölkerung ein gescheitertes Experiment ist, das nicht mehr zu retten ist.“
Enorme politische Kurzsichtigkeit
El País ist entsetzt:
„Mit seinen Aussagen im Stil einer Show gestaltet Trump die Landkarte des Nahen Ostens neu: Gaza soll die amerikanische Riviera des Nahen Ostens werden. ... Denjenigen, die sich weigern, die Dinge beim Namen zu nennen, macht es Trump leicht: Er verspricht ethnische 'Säuberungen', Luxuskolonien und amerikanische Kontrolle über das Gebiet. Falls jemand noch mehr Beweise dafür brauchte, dass Trump ein Faschist ist – hier sind sie. Die Welt darf nicht gleichgültig bleiben, obwohl es vermutlich so sein wird. ... Die politische Kurzsichtigkeit dieses Augenblicks ist enorm. Europa reagiert nicht. ... Die israelische Armee und Siedler haben das Westjordanland und Jerusalem in Brand gesteckt. Und in Washington redet man von Strandurlaub.“
Wird die Latte bewusst zu hoch gelegt?
Trump geht es in Nahost um einen weitaus größeren Plan, den er bislang aber nicht anspreche, mutmaßt Spotmedia:
„Wenn es etwas gibt, das Netanjahu und Trump mehr als alles andere zusammen wollen, dann ist es ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen mit Saudi-Arabien. … Vielleicht zieht Trump deswegen einige falsche Verhandlungslinien. Er schafft künstliche Probleme, um den beteiligten Parteien eine Messlatte an die Hand zu geben, die sie senken können. Die Äußerungen von Trump waren so unerwartet, so skandalös, so unrealistisch, dass sie nur Teil eines größeren Plans sein können. Falls nicht, und falls Trump es ernst meint, dann wird es problematisch. Und zwar für alle Seiten.“
Gefährliches Spiel mit Provokationen
Trumps absurdes Vorgehen geschieht nach einem Muster, diagnostiziert Visão:
„Selbst ein überzeugter Trumpist kann die Absurdität erkennen: Amerikanische Truppen besetzen den Gazastreifen, zwei Millionen Palästinenser werden aus ihrer Heimat vertrieben? Unmöglich. Undenkbar. Niemand würde das akzeptieren. Heute sagt Trump etwas Provozierendes, morgen wechselt er das Thema. Das ist sein Muster. Das Problem ist, dass die USA kein Zirkus sind. Sie sind die größte Macht der Welt, eine tragende Säule der Nato und befinden sich in einem unerbittlichen Wettlauf mit China. ... Jetzt droht er dem Iran. Glaubt ihm das jemand?“
Moralische Führungsrolle ruiniert
Trump verwandelt mit solchen Ideen die USA von der Moralinstanz in einen Schurkenstaat, urteilt Telegram:
„Trump gibt nach seiner Logik Putin das Recht, einen großen Teil der Ukraine zu besetzen, weil Russland das braucht. Er gibt auch China das Recht, Taiwan zurückzuholen. ... Er macht das Recht des Stärkeren zum Gesetz, in dem Staaten schwächeren Ländern Territorium wegnehmen, wie es ihnen passt. Trump hat bereits begonnen, die Welt in Cowboy-Manier umzuformen und dem Wahnsinn und Kriegen alle Türen geöffnet. Nicht nur in Nahost, sondern weltweit. Deshalb haben die USA kein moralisches Recht mehr, sich als Anführer der freien Welt darzustellen, als Beschützer der Demokratie und Menschenrechte. Denn Trump ist der Erste, der all dies mit Füßen tritt.“