Warum reformiert die EU die Entsenderichtlinie?
Künftig sollen Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland für den gleichen Lohn und zu den gleichen Bedingungen arbeiten wie einheimische Angestellte. Darauf haben sich die Arbeits- und Sozialminister der EU bei der Reform der Entsenderichtlinie geeinigt. Endlich kümmert sich die Union um den Schutz ausländischer Arbeitnehmer, jubeln einige Kommentatoren. Andere haben dagegen Probleme mit der Reform.
Endlich die soziale Trendwende
Die EU kann sich doch noch für soziale Anliegen stark machen, freut sich La Croix:
„Die Einigung ist von großer Bedeutung, da sie für eine Trendwende stehen kann. ... In den letzten zwei Jahrzehnten konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Sorge um sozialen Schutz in Europa angesichts der Herausforderungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwangsläufig abnimmt. Dem freien Spiel des Wettbewerbs als Quelle des Wohlstands wurde systematisch Vorrang eingeräumt. Am Montag haben die Arbeitsminister in Brüssel der Sorge um den sozialen Zusammenhalt die Priorität gegeben. Eine Fortführung dieses Kurses verlangt ständige Beharrlichkeit. Es ist nun jedoch bewiesen, dass dies möglich ist.“
Symbolpolitik für den "kleinen Mann"
Die Reform ist populistisch motiviert, findet Tomasz Bielecki, der EU-Korrespondent von Gazeta Wyborcza:
„Es stimmt, dass Entsendungen manchmal dem lokalen System des Sozialstaats schaden. Wenn zum Beispiel polnische Bürger (die in die polnische Sozialversicherung einzahlen und nur den Mindestlohn bekommen) und Franzosen (die in die teureren französischen Versicherungen einzahlen und nach Tarif bezahlt werden) um Arbeit auf der gleichen französischen Baustelle konkurrieren. Der Arbeitsmarkt in Frankreich oder Belgien würde aber eher durch die Bekämpfung der Schwarzarbeit (auch von Ausländern) erstarken, für die es keiner neuen Regelung bedarf, als durch die für die EU destruktive Reform der Regelungen für entsandte Arbeitskräfte. Diese machen weniger als ein Prozent der Arbeitskräfte in der EU aus. Leider betreibt man auch im Westen Symbolpolitik aus 'Sorge um den kleinen Mann'.“
Westeuropäischer Protektionismus
Schutz gegen Lohndumping ist nur ein vorgeschobenes Argument für die Reform der Entsenderichtlinie, erklärt die Neue Zürcher Zeitung:
„[G]eschützt werden durch die geplante Einschränkung des Lohnwettbewerbs und des freien Dienstleistungsverkehrs im Binnenmarkt primär westeuropäische Firmen und Arbeitnehmer, getreu nach dem Motto: Erhöhe die Kosten deines Konkurrenten. Wie viele Entsandte tatsächlich mehr verdienen werden, bleibt hingegen abzuwarten. Manche von ihnen dürften stattdessen aus dem Markt gedrängt werden. Kein Wunder, haben die Vertreter einiger osteuropäischer Staaten den erzielten Kompromiss in bitteren Worten als einseitig kritisiert. Das ohnehin fragile Ost-West-Verhältnis wird damit zusätzlich belastet. Wer mit Protektionismus Populisten im Westen zu besänftigen sucht, fördert sie möglicherweise im Osten.“
Verstoß gegen Binnenmarkt-Prinzipien
Die neue Richtlinie für höhere Löhne und bessere Behandlung osteuropäischer Arbeiter ist höchst problematisch, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Das eherne Prinzip der Freizügigkeit wird ersetzt durch das arbeitsrechtliche Prinzip: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort. Und das ist ein Verstoß gegen die Prinzipien des Binnenmarkts. Entsendung von Arbeitnehmern ist keinesfalls per se ausbeuterisch, sondern gängige und notwendige Praxis, zum Beispiel, wenn eine Anlage im Ausland montiert werden soll. Die deutschen Arbeitgeberverbände haben durchaus recht mit ihrer Kritik: Es wird künftig einfacher sein, einen Arbeitnehmer nach Indien zu entsenden als nach Frankreich. Zudem macht die Richtlinie die Spaltung Europas manifest. Polen, Ungarn, Tschechien und andere aufstrebende Länder, die bisher vom Status quo profitiert haben, wehren sich vehement gegen dessen Änderung.“
Macron will sich als Beschützer profilieren
Warum sich Macron so sehr auf das Thema Entsenderichtlinie versteift hat, erklärt der Rumänische Dienst der Deutschen Welle:
„Viele fragen sich, warum Präsident Macron so viel Aufsehen um die entsandten Arbeiter macht, wenn sie nicht einmal ein Prozent aller Arbeiter in der EU ausmachen. Tatsächlich geht es vor allem ums Prinzip und die generelle Orientierung der europäischen Gesetzgebung. ... In Frankreich glaubt Macron, dass, wie die Presse schreibt, 'ein Relaunch der EU vom Erfolg der Entsenderichtlinie abhängt' (Le Figaro, Montag, 23 Oktober). ... Im Wesentlichen geht es darum, das Vertrauen einer Gesellschaft wiederzugewinnen, die immer mehr auf Euroskeptiker baut. Indem ein europhiler Politiker die Mobilität der 'Armen' begrenzt, kann er beweisen, dass er 'Europa schützt'.“
Nicht zum Ost-West-Konflikt stilisieren
Davor, dass die Debatte um die Entsende-Richtlinie alte Spannungen wieder verschärft, warnt die Wiener Zeitung:
„Es sind übrigens nicht nur Polen, die Slowakei, Ungarn und Tschechien, die sich gegen eine Änderung der Regeln wehren. Auch Spanien und Portugal befürchten Nachteile für ihre Transportbranche, wenn diese strengere Vorgaben zu erfüllen hätte. Aus der Debatte einen erneuten Ost-West-Konflikt zu machen, ist daher nicht nur verkürzt. Es ist auch gefährlich. Damit werden nämlich alte Bruchlinien wieder aufgerissen, wo doch derzeit die Einheit der EU als größte Stärke beschworen wird. Außerdem muss es nicht immer Wettbewerb nach unten sein. Denn wenn die Wirtschaft der Slowakei gestärkt wird, profitieren dort tätige österreichische Unternehmen ebenfalls.“
Rumänen wird die Liebe zur EU vermiest
Einen Zusammenhang zwischen der von Macron vorangetriebenen Diskussion und der laut jüngstem Eurobarometer sinkenden Zustimmung der Rumänen zur EU sieht die Deutsche Welle:
„Ein Grund dafür könnte die Wahl von Präsident Macron sein. Er war von Beginn an den osteuropäischen Ländern gegenüber feindselig eingestellt, weil er forderte, dass keine preisgünstigen Arbeiter mehr auf französische Baustellen geschickt werden dürfen. Ebenfalls eine Rolle spielt wohl, dass man beharrlich über ein 'Europa der zwei Geschwindigkeiten' diskutiert. … Wir erleben hier weniger einen Anstieg des sogenannten Euroskeptizismus als vielmehr eine enttäuschte Liebe. Denn dieselbe Umfrage zeigt auch, dass anders als die Niederländer und Deutschen, die am stärksten für eine exklusive Integration plädieren, sich die Rumänen wünschen, dass die entwickelten Staaten auf sie und die anderen warten, um den Weg gemeinsam fortzusetzen.“
Feuerprobe für Macron
Für Le Figaro hat Macron im Streit um die Entsenderichtlinie viel zu verlieren:
„Die Entsenderichtlinie ist eines dieser symbolischen Themen, die, wenn sie angegangen werden, Gräben überwinden oder eben vertiefen können. ... Die Diskussion darüber hinterlässt Europa uneins. Im Osten sträubt man sich und Polen stellt sich völlig quer. Auch weiter im Süden, in Portugal und vor allem in Spanien, will man nicht recht vorankommen. Für den französischen Präsidenten ist das Thema die Feuerprobe. Er muss da jetzt durch, um die Bürger von seinem 'Europa, das uns schützt' zu überzeugen. Da das letzte europäische Gipfeltreffen gezeigt hat, dass die Aufgabe nicht so einfach ist, ist der Erfolg nun umso wichtiger. Bis jetzt hat Macrons Enthusiasmus den alten Kontinent aufgerüttelt und verführt. Aber jetzt, wo es um konkrete Maßnahmen geht, kommen die Interessenskonflikte und die Trägheit wieder empor.“
Übt sich Macron als Spaltpilz in Osteuropa?
Macron hat gezielt nur bestimmte Länder in Zentral- und Osteuropa besucht, um einen Keil zwischen die Visegrád-Staaten zu treiben, mutmaßt Krónika:
„Der französische Präsident will eine EU, in der die Mitgliedsstaaten in einem föderalen Verbund miteinander kooperieren und einen großen Teil ihrer Souveränität abtreten. ... Die Visegrád-Gruppe gilt nicht gerade als Ausbund konfliktfreier Kooperation. Macrons jetziger Besuch zielt darauf ab, ein noch engeres Zusammenrücken der Visegrád-Gruppe zu verhindern. Erleichtert wird sein Bestreben dadurch, dass Tschechien und die Slowakei zusammen mit Österreich auch die Slavkov-Gruppe bilden. Es kommt nicht von ungefähr, dass Macron ausgerechnet mit deren Regierungschefs zusammentraf. Die notorisch bockigen Länder Polen und Ungarn blieben bei Macrons Reise vielsagend außen vor.“
Peinliche Doppelzüngigkeit
Macrons europäische Wirtschaftsdiplomatie findet Contrepoints alles andere als geschickt:
„Zu der Aneinanderreihung spektakulär dummer diplomatischer Manöver gehört offenbar auch, dass sich Macron, seine Regierung und sämtliche hochrangige Verantwortungsträger in Frankreich wohl wünschen, die Londoner City möge [vom Brexit] möglichst viel Schaden davontragen, selbst wenn Paris davon keinerlei Vorteil hat. Anders gesagt: Macron offenbart hier das gesamte Ausmaß seiner diplomatischen 'Genialität': Er buht die polnischen Arbeiter geradezu offen aus (die armen Schweine!), nachdem er eben noch unverschämt deutlich gemacht hat, dass er für eine Übersiedlung von Londoner Angestellten [nach Frankreich] ist.“
Gute Initiative gegen Sozialdumping
Die Reform der Entsenderichtlinie bietet die Chance, fatale Fehler des europäischen Projekts zu beheben, lobt Le Quotidien die Pläne Macrons:
„Der Europäischen Union passiert es zuweilen, dass sie auf diesem so lange von Auseinandersetzungen geprägten Kontinent noch heute Rivalitäten geradezu nährt. ... Das ist ein Unding. Genau das passiert bei der Entsendung von Mitarbeitern [in andere EU-Staaten]. Dadurch wird Sozialdumping schlicht und einfach offiziell gemacht. Und das führt zu Argwohn und Wut unter den europäischen Arbeitern. Es ist doch ein Widerspruch, einerseits eine Gemeinschaft bilden zu wollen und andererseits Spielchen mit den Bürgern zu betreiben, die nicht über die gleichen sozialen Rechte verfügen. Stattdessen müsste unsere Europäische Union eigentlich das Niveau des Sozialsystems aller Mitgliedsstaaten anheben.“
Der Präsident denkt nur an Frankreich
Macrons Erklärung, er wolle ein Europa, das seine Bürger beschützt, stößt dem rumänischen Dienst der Deutschen Welle bitter auf:
„Macron meint, die derzeitige Entsenderichtlinie widerspreche dem 'europäischen Geist', weil die Regelung Ländern mit weniger teurer Sozialversicherung und kleinen Gehältern einen Vorteil verschafft und auch jenen, die genau aus den Unterschieden zwischen den EU-Ländern Profit schlagen. … Doch genau das Gleiche gilt in anderen Bereichen, wie den riesigen Retail-Geschäften von Carrefour oder Auchan, die, als sie den rumänischen Markt eroberten, Tabula rasa mit dem einheimischen Handel machten und hier deutlich mehr Profite einfahren als in ihren Herkunftsländern. Auch das war eine illoyale Konkurrenz, so lange Rumänien Schwierigkeiten mit der freien Marktwirtschaft hatte und Privatkapital quasi nicht existierte.“
Unglaubliche Arroganz
Der Vorstoß Macrons ist ein weiterer Beleg für die Arroganz der großen westlichen EU-Staaten gegenüber den Ostmitteleuropäern, findet Mladá fronta dnes:
„Unsere westlichen Partner blicken auf Ostmitteleuropa von oben herab und betrachten uns vor allem als Raum für die Befriedigung ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen und als Objekt für Belehrungen. Merkels Versuche, uns ihre Migranten aufzunötigen und Macrons Verhandlungen mit uns über ein angebliches Lohndumping sind nur zwei Belege dafür. ... Macron entgeht, dass die EU vor dem Zerbrechen steht. Starke Worte helfen da nicht, nur Respekt und die Suche nach Balance.“
Wichtiger Schachzug für Macron
Mit seiner Initiative macht sich Macron bei den Franzosen beliebt, meint Kapital:
„Die französischen Wähler bewegt die Frage des Lohndumpings durch entsendete Arbeitnehmer sehr. Wenn Macron nun mit einer schnellen Lösung nach Frankreich zurückkehrt, wird er bei ihnen punkten. Seine zuletzt gesunkenen Umfragewerte werden wieder steigen. Viele Westeuropäer sehen im Lohndumping einen großen Nachteil der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, auch wenn das Problem aufgebauscht wird. Der Kampf gegen Sozialdumping ist für Macron auch deshalb so wichtig, weil ohne eine Lösung der Frage die Stimmung gegen die entsendeten Arbeitnehmer in Frankreich und anderen westeuropäischen Ländern immer feindlicher werden würde. Das wiederum würde die Arbeitnehmerfreizügigkeit als solche gefährden.“
Frankreich wird sich von Osteuropa abschotten
Für Politikexperte Valentin Naumescu riecht Macrons Vorstoß nach Populismus. Er schreibt auf Contributors:
„Der Drang des neuen Präsidenten, seinen Wählern gegenüber 'zu liefern', lässt mich glauben, dass sich Frankreich in den kommenden Jahren nicht besonders offen gegenüber Rumänien oder anderen mitteleuropäischen Ländern zeigen wird. Wir sollten nicht vergessen, dass Marine Le Pen von elf Millionen Franzosen gewählt wurde, und die wählen sie in fünf Jahren wieder. Mit Sicherheit genießt Macron gerade eine enorme Popularität (auch wenn sie nach der Wahl abnahm), doch ich befürchte, dass sich der junge und ehrgeizige Präsident in den Netzen des Populismus verfangen könnte.“
Eurobeitritt wäre angemessene Gegenleistung
Bulgariens Premier Borisov wird versuchen, seine Unterstützung für Macrons neue EU-Entsenderichtlinie mit einem schnellen Eurobeitritt Bulgariens zu verrechnen, vermutet 24 Chasa:
„Die einzige Voraussetzung für den Euro, die Bulgarien nicht erfüllt, ist, ein ähnliches Durchschnittseinkommen wie die anderen Euroländer zu haben. Darum brauchen wir starke politische Unterstützung von der Europäischen Zentralbank, die zwar unabhängig ist, aber doch dem politischen Willen der großen EU-Länder gehorcht. Nur durch die Einführung des Euros können bulgarische Unternehmen günstige Kredite bekommen, die sie dazu nutzen können, in Westeuropa durch Qualität und nicht bloß durch billige Arbeitskräfte wettbewerbsfähig zu sein.“
Voreiliger Aktionismus
Macron sollte sich mit seinen Forderungen nach einer Verschärfung der Entsenderichtlinie nicht verrennen, rät L'Opinion:
„Erstens weil die derzeitige Richtlinie nicht nur Mankos hat (es gibt Missbrauch und Schwachstellen, die korrigiert werden müssen, doch das wären eher geringfügige Eingriffe als eine grundlegende Änderung der Regelung). Zweitens hat unsere Wirtschaft echten Bedarf an ausländischen Arbeitskräften. … Im Übrigen - und wie so oft in Europa - wird die Angelegenheit nicht rein für sich geregelt werden: Man wird sie mit anderen umstrittenen Themen verknüpfen, unter anderem sicherlich mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Ergebnisse der französischen Forderungen sind daher im Hinblick auf das Gesamtpaket zu beurteilen. Und da wird man dann auf sämtliche Gräben der nationalen Debatte treffen.“
Auf zwei Beinen kann ein Tisch nicht stehen
Rzeczpospolita sieht durch Macrons Pläne zwei Grundpfeiler der EU gefährdet, den freien Verkehr von Personen und Dienstleistungen:
„[Von den vier Grundfreiheiten] blieben nur noch der freie Waren- und Kapitalverkehr übrig. Doch dieser allein trägt die europäische Konstruktion nicht, so wie ein Tisch auch nicht auf zwei Beinen stehen kann. ... An der Spitze der Bewegung, die versucht, zwei Beine aus dem europäischen Tisch herauszubrechen, steht Frankreich. Denn dem Durchschnittsfranzosen passen der polnische Klempner und der polnische LKW-Fahrer nicht. Gleichzeitig gefällt es ihm sehr wohl, dass der Klempner und der Fahrer nach ihrer Rückkehr nach Polen französische Produkte in französischen Supermärkten kaufen. ... Es gibt kaum ein besseres Beispiel für den Untergang der politischen Gemeinschaft der EU.“
Einkommensunterschiede spalten EU
Für Hospodářské noviny steckt hinter dem Streit um die Entsenderichtlinie das gravierende Problem, dass die Lebensniveaus innerhalb der EU stark auseinanderklaffen:
„Die unterschiedlichen Lebensniveaus erzeugen derzeit das Gefühl, dass die Menschen aus den ärmeren Staaten mit ihren niedrigen Einkommen die Menschen in den reicheren Ländern bedrohen. Dieses Gefühl trug maßgeblich zum Brexit bei und spielt auch anderswo in Westeuropa den Extremisten in die Hände. Die markanten Einkommensunterschiede ziehen aber auch Probleme nach sich, die auf den ersten Blick nichts damit zu tun haben. Flüchtlinge etwa wollen deshalb nur nach Deutschland und Skandinavien.“
Unbedingt auf Korrektur beharren
Macron sollte für eine Reform der EU-Entsenderichtlinie kämpfen, fordert Le Figaro:
„Der Staatschef wird nach Verbündeten suchen, um sein Anliegen zu verteidigen. Insbesondere will er die Höchstdauer der Verträge von drei Jahren auf ein Jahr herabsenken. Ein schwieriges Unterfangen. Polen ist nicht bereit, sich das gefallen zu lassen. In Brüssel, wo Emmanuel Macron sich Mitte Juni kein Gehör verschaffen konnte, plädiert man für eine Dauer von zwei Jahren. ... Macron steckt europapolitisch in großer Bedrängnis. Es muss aber eine Lösung gefunden werden, um diese absurde Richtlinie, die Arbeitslosigkeit verursacht, unsere Industrie benachteiligt und die Spannungen verschärft, grundlegend zu korrigieren. Deshalb darf er nicht nachgeben.“
Sozialdumping-Schelte nur Ablenkungsmanöver
Macron will mit seiner Initiative im Osten nur von seinem eigenen Versagen ablenken, beschwert sich die Tageszeitung 24 Chasa:
„Macron hat seine Sozialdumping-Theorie von Hollande übernommen und versucht nun damit die Osteuropäer für seinen Misserfolg bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Frankreich verantwortlich zu machen. … Warum müssen sich die Franzosen vor uns schützen? Sind wir Menschenfresser? Schützen wir uns etwa vor ihrem Käse? In der EU gilt der freie Verkehr von Waren, Personen und Kapital. Wenn der französische Wein besser und günstiger ist als unserer, werden wir ihn kaufen, oder nicht? Wenn der bulgarische Arbeitnehmer einen Wettbewerbsvorteil bietet und disziplinierter ist als andere, sollte er nach derselben Logik ebenfalls bevorzugt werden.“
Macron könnte Polen und Ungarn isolieren
Polen und Ungarn könnten als Gegner der Reform der EU-Entsenderichtlinie bald alleine dastehen, fürchtet Polska The Times:
„Die Reformvorschläge des französischen Präsidenten würden insgesamt etwa eine halbe Million polnischer Arbeiter betreffen. ... Bisher hat Polen versucht, die Koalition der mittel- und osteuropäischen Länder gegen die Verschärfung der Richtlinie aufrecht zu erhalten. Noch vor einem Jahr protestierten die elf Länder der Region einhellig gegen eine den heutigen französischen Ideen ähnliche, aber weniger radikale Initiative der EU-Kommission. Heute ist nicht sicher, ob Polen und Ungarn bald alleine an dieser Front stehen werden. Macron hat für seine Reise durch Mitteleuropa gewiss Angebote und Argumente vorbereitet, die einen Teil unserer Nachbarn zu einem Sinneswandel bewegen könnten.“