Transatlantische Beziehungen: Macron als Retter?
Während seines Besuchs in Washington hat sich Frankreichs Präsident Macron nach eigenen Aussagen mit seinem Gastgeber Trump auf ein neues Abkommen mit dem Iran geeinigt. Der dreitägige Besuch des Franzosen im Weißen Haus wird von Europas Presse fasziniert beobachtet, weil Macron mit Trump offenbar besser kann als viele andere. Einigen Journalisten macht aber genau das Bauchschmerzen.
Eine Freundschaft zum Fürchten
Macron und Trump demonstrierten in Washington eine enge Freundschaft, was De Morgen jedoch ganz und gar nicht beruhigt:
„Mit seinem Besuch in den USA erweist sich Präsident Macron erneut als der Mann, der die Trumpsche Sprache versteht und spricht. Der Mann, der den Bär beruhigt und lobt und zu zähmen weiß. Aber niemand kann ausschließen, dass der von Sonderanklägern und Medien gejagte Bär nicht doch mit seinen Klauen zuschlagen wird. ... Von den Fotos geht auch etwas Beunruhigendes aus. Wenn es stimmt, dass der französische Präsident mit seinen Beschwichtigungen versucht, die USA doch an Bord des Atomabkommens mit dem Iran zu halten, dann stimmt einen das nicht gerade zuversichtlich. Dass ein für die globale Stabilität so entscheidendes Abkommen abhängig ist von der Laune eines Weltführers, ist sogar ziemlich beängstigend.“
Auf Trump ist kein Verlass
Mit seiner Charmeoffensive gegenüber Trump geht Macron ein hohes Risiko ein, findet Der Standard:
„Er hofft, mit Trump eine verlässliche Beziehung aufzubauen, um das seit dessen Amtsantritt 2017 gefährdete westliche Bündnis zu stabilisieren. Für dieses Ziel ist der Internationalist Macron bereit, den Nationalisten Trump zu umgarnen und sich als treuer Verbündeter an seine Seite zu stellen. ... Was immer Macron aus Washington an Zusicherungen mit nach Hause nimmt, wird nicht lange halten. Da wird auch die persönliche Chemie zwischen den beiden Staatschefs nichts nutzen. Washington ist voll von Leuten, die Trump unterstützt haben, um bei erster Gelegenheit kaltschnäuzig fallengelassen zu werden. Das politische Kapital, das Macron einsetzt, wird sich wohl spätestens beim nächsten Schwenk in der US-Außenpolitik als vergeudet erweisen. “
Mit Trump auf einer Wellenlänge
Macron verbindet einiges mit dem US-Präsidenten, meint die Wochenzeitung Revista 22:
„Beide sind eine Art Außenseiter und schenkt man ihren Äußerungen und ihrer Umgebung Glauben, so scheinen beide eine relativ enge Beziehung aufgebaut zu haben. Die Presse auf beiden Seiten des Atlantiks schreibt, dass Trump und Macron wöchentlich telefonieren, während der amerikanische Staatschef seit fünf Monaten kein Wort mehr mit Angela Merkel gewechselt hat. So komisch das auch klingen mag, Macron und Trump sind Anhänger einer Diplomatie, die keine Komplexe kennt, auch wenn sie unterschiedliche Akzente setzen.“
Das gemeinsame Erbe schützen
Welche Last auf Macrons Schultern lastet, erläutert Historikerin und Politologin Nicole Bacharan in Ouest France:
„Abgesehen davon, dass die protokollarischen Gesten befolgt werden müssen und die First Ladies sich anlächeln müssen, muss der Franzose Kompromisse suchen: ein bisschen schmeicheln, sich hier und da widersetzen, doch nie die Tür des Dialogs schließen. Theresa May ist nunmehr aus dem Spiel und Angela Merkel ist geschwächt. Emmanuel Macron weiß, dass er mit einer Mission betraut ist, die über sein eigenes Mandat hinausreicht: Was er ins Weiße Haus und vor den Kongress bringt, ist das europäische und demokratische Wort. Ganz so, als würde der Alte Kontinent dem neuen das gemeinsame Erbe in Erinnerung rufen. Im Interesse der Zukunft aller muss er klarmachen, dass die gemeinsamen Interessen unbedingt über die Meinungsverschiedenheiten siegen müssen.“
May und Merkel außen vor
Auf Macron ruhen bei dessen USA-Besuch die Hoffnungen ganz Europas, erklärt Hospodářské noviny:
„Von allen Politikern Europas kann nur er Erfolg haben. Ungeachtet der traditionellen Beteuerungen, wonach das amerikanisch-britische Verhältnis außergewöhnlich sei, zeigt Trump gegenüber Premierministerin May kaum Herzlichkeit. Und die Bundeskanzlerin kann man in dieser Hinsicht gleich völlig vergessen. Die richtige Fragestellung lautet nicht, wie der französische Präsident mit dem Vertrauen, das er genießt, Erfolg haben kann. Sondern: Wie werden die amerikanisch-europäischen Beziehungen aussehen, sollte er keinen Erfolg einfahren?“
Bis dato nichts erreicht
Dass es Frankreichs Präsident bislang nicht geschafft hat, Donald Trump in Streitfragen umzustimmen, betont The Guardian:
„Was er bisher erreicht hat, ist wenig überzeugend. ... Er machte Druck auf den US-Präsidenten, dessen Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig zu machen und in Syrien aktiv zu bleiben, um das Assad-Regime unter Kontrolle zu halten. Er drängte Trump dazu, dessen Wunsch, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen, nicht wahrzumachen, und von den geplanten Zöllen auf EU-Güter abzurücken. In keiner dieser Fragen hatte er bisher Erfolg. Wenn es Macron gelänge, Trump auch nur bei einem dieser Themen zum Umdenken zu bewegen, insbesondere in der Iran-Frage, wäre das eine Überraschung und ein Bravourstück.“