Wer attackierte die saudischen Raffinerien?
Nach den Drohnenangriffen auf zwei Ölraffinerien in Saudi-Arabien hat US-Außenminister Pompeo den Iran verantwortlich gemacht. Von Teheran unterstützte Huthi-Rebellen aus dem Jemen hatten die Anschläge für sich reklamiert, doch auch Saudi-Arabien beschuldigt den Iran direkt. Auch Kommentatoren beschäftigen sich mit möglichen Urhebern der Anschläge.
Vieles deutet auf den Iran hin
Es ist schwer vorstellbar, dass die Huthi-Rebellen ohne Hilfe zu dem Drohnenangriff in der Lage gewesen wären, meint Helsingin Sanomat:
„Es gibt keine eindeutigen Beweise für die Schuld des Iran, was auch Saudi-Arabien am Mittwoch eingestand. Aber alles deutet darauf hin, dass der Iran in irgendeiner Form beteiligt war. Oder andersrum: Man bräuchte überzeugende Beweise, um zu erklären, wie die Huthi, Hunderte Kilometer vom Jemen entfernt, zu einem solch perfekt ausgeführten Schlag alleine in der Lage gewesen sein sollen. ... In der Welt gibt es noch unabhängige Akteure und die Vereinten Nationen teilten am Mittwoch mit, Ermittler nach Saudi-Arabien zu entsenden. Eine andere Frage ist, ob die Saudis und die USA auf das Ergebnis dieser Ermittlungen warten.“
Das passt alles nicht zusammen
Die Drohnenangriffe lassen viele Fragen offen, findet die regierungsnahe Tageszeitung Milliyet:
„Die Attacken erschüttern nicht nur den Ölmarkt, sondern auch das Sicherheitsgleichgewicht. Vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass die USA die weltweit größten Waffenverkäufer sind und Saudi-Arabien der weltweit größte Waffenkäufer ist. ... Mit dem aus den USA stammenden saudischen Luftverteidigungssystem konnten Radargeräte in der Region weder die 1.000 Kilometer entfernten Huthi-Drohnen noch die angeblich zum Iran gehörenden Raketen erkennen. Offenbar haben sie also geschlafen. ... Das wirft eine andere Frage auf, die ebenso verwirrend ist wie die Anfälligkeit des Verteidigungssystems: Könnten diese Bomben Teil einer gut konstruierten Inszenierung sein? Oder wer steckt tatsächlich hinter dem Angriff?“
Vorgeschmack auf Katastrophe
Ilja Kusa, Experte für internationale Politik, zieht in Ukrajinska Prawda mehrere Lehren aus dem Angriff:
„Man sieht, wie sehr sich der Krieg im neuen Jahrhundert verändert hat. Auch der Krieg im Jemen wird eine andere Qualität bekommen. ... Die Huthi-Rebellen haben (nicht ohne iranische Unterstützung) Zugang zu Technologien erhalten, die sie mit den saudischen Truppen auf eine Stufe stellen. Ein Konflikt mit dem Iran wird wahrscheinlicher. Der Drohnenangriff zeigt auch, wie kostspielig und katastrophal ein potenzieller Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sein kann. Wenn schon die jemenitischen Huthi in der Lage zu derart schmerzhaften Angriffen sind, wie wird dann erst ein solcher Konflikt aussehen?“
Russland als möglicher Retter in der Not
Ria Novosti ist gespannt, wessen Unterstützung sich Saudi-Arabien nun holt:
„Die USA können natürlich ihre 6. Flotte in die Straße von Hormus schicken und damit drohen, an Teheran ihre Wut abzulassen. Aber gegen ein Dutzend relativ billiger Drohnen, die nun der Weltwirtschaft Kopfschmerzen bereiten, sind sie machtlos. Auch die Milliarden Dollar, die die Saudis in US-Waffen gesteckt haben, können das Problem nicht lösen. Russland hingegen könnte Riad etwas anbieten: Das beweisen die Erfolge der Luftabwehr gegen Drohnenangriffe auf den [syrischen] Luftwaffenstützpunkt Hmeimim. Man müsste Russland einfach nur fragen, das Gleiche gilt für Kuwait. Und wer glaubt, dass strategische Rüstungspartner der USA sich nie auf so eine Zusammenarbeit einlassen würden: Der soll diesbezüglich mal Erdoğan fragen.“
Krieg nicht in Trumps Interesse
Trotz Säbelrasselns wäre ein Krieg ein Desaster für Trump, meint Novi list:
„Nach dem gegenseitigen Abschuss von Drohnen und mehreren Angriffen auf Tanker in der Straße von Hormus hatte Trump schon Luftangriffe auf den Iran befohlen, sie aber im letzten Moment abgebrochen. Obwohl Trump stets mit Krieg droht und seine Politik gegenüber dem Iran in manchen Momenten wirkt, als ob er Öl ins Feuer gießt, ist klar, dass ein Krieg mit dem Iran etwas mehr als ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen eine wahre Katastrophe wäre. Deshalb ist es in Trumps Interesse, die Situation zu beruhigen, während man im Iran, der unter den US-Sanktionen stöhnt, vielleicht denkt, dass dem Land eine weitere Zuspitzung in diesem Moment nicht weiter schaden kann.“
Der Nahe Osten wird brennen
Iran und Saudi-Arabien werden sich nun offen angreifen, glaubt die islamisch-konservative Yeni Şafak:
„Dieser Angriff hat den Jemen-Krieg in einen Saudi-Arabien-Krieg verwandelt. ... Es gibt keinen Mechanismus, der die Parteien von diesem gefährlichen Weg abbringen oder beruhigen könnte. ... Einen Schritt entfernt von der heutigen Situation lauert erneut Krieg im Libanon und im Irak. ... So wird sich der Krieg regional ausbreiten. Natürlich kann nur darüber spekuliert werden, welches Land welchen Preis für diesen Sturm zahlen wird, aber es ist eine Tatsache, dass er das Herz von Saudi-Arabien treffen wird.“
Riskantes Pokerspiel
Mit den Attacken will Teheran nach dem Vorbild Nordkorea die USA provozieren, um Donald Trump an den Verhandlungstisch zu locken, glaubt Index:
„Aber der Irankonflikt ist viel komplizierter, als der Konflikt in Nordkorea: Er umfasst Akteure von den Guerillas und Terroristen über Agenten in anderen Staaten bis hin zur US-Supermacht. Deswegen ist das Risiko, dass jemand sich irgendwo verkalkuliert, dass auf eine Provokation übertrieben reagiert wird und eine brennende Stadt die Antwort auf eine brennende Ölraffinerie sein wird, viel größer.“
Aggression aus der Not heraus
Trumps Gegner, der Iran, steht wirtschaftlich und politisch am Abgrund, analysiert der Tages-Anzeiger:
„Die Herrscher eines Ölstaats, der fast kein Erdöl mehr exportieren kann, haben kaum noch Spielraum. Die widerstreitenden Machtzentren aus Geistlichkeit und Sicherheitskräften, die Bevölkerungsexplosion, Wasserarmut - die Islamische Republik hätte auch ohne Trump Probleme. Sollte Teheran versucht haben, mithilfe der Huthis oder einer anderen Schiitenmiliz den USA Grenzen aufzuzeigen, wäre die Botschaft unmissverständlich: Die USA können angreifen, aber sie werden einen hohen Preis zahlen. Als Anführer einer Supermacht mit dieser Art von asymmetrischer Kriegsführung umzugehen, erfordert mehr taktisches Gespür, als man es einem Trump zutrauen kann.“
Europa muss Haltung gegenüber Iran überdenken
Die Krise spitzt sich zu, warnt De Telegraaf:
„Im Hintergrund spielt das äußerst angespannte Verhältnis zwischen den USA und Iran nach der Kündigung des Atomabkommens eine Rolle. … Präsident Trump suchte offenbar vorsichtig die Annäherung zum Iran, doch nun ist die Krise voll und ganz da. ... Der Iran weist jede Beteiligung an dem hochtechnologischen Angriff zurück. Und die Europäische Union warnt inzwischen vor übereilten Schlussfolgerungen. Aber wenn überzeugende Beweise auf den Tisch kommen, dass Teheran verantwortlich ist für diese gefährliche Eskalation, dann muss sich das auch auf die bisherige nachsichtige Haltung Europas gegenüber Iran auswirken.“
Eine gefährlich billige Waffe
Die Art der Waffen, die bei dem Angriff verwendet wurden, bereitet Ilta-Sanomat große Sorge:
„Drohnen am Himmel über Saudi-Arabien sind ein warnendes Beispiel dafür, dass die jüngsten Entwicklungen der Waffentechnologie allen zur Verfügung stehen - auch Aufständischen und Terroristen. Bisher waren solch genaue Angriffe mit Drohnen eine Sache der US-Amerikaner. … In Zukunft kann das anders sein. … Die Technologie ist nicht einmal teuer. Saudi-Arabien wurde mit Drohnen angegriffen, deren Preis auf etwa 15.000 Euro pro Stück geschätzt wird. … In den falschen Händen sind die Drohnen eine ausgesprochen gefährliche Waffe. Allein beim Gedanken an ihre Zerstörungskraft bekommt man eine Gänsehaut.“
Drohnen treffen Saudi-Arabien ins Mark
Der Ansehensverlust für Saudi-Arabien ist enorm, beobachtet Der Standard:
„Saudi-Arabien gehört zu den Ländern mit den höchsten Rüstungsausgaben weltweit, es gibt Milliarden für Hightech-Militärgerät aus: Und dennoch reichen ein paar relativ einfache Drohnen aus, um Teile der ölproduzierenden Industrie zum Erlahmen zu bringen, mit internationalen Folgen. Die Details dessen, was in den Aramco-Anlagen geschehen ist, wird man nicht so schnell erfahren, aber allein die Satellitenbilder – riesige Rauchwolken über der Arabischen Halbinsel – sprechen für sich. … Für Saudi-Arabien, wo es wirtschaftlich ohnehin nicht so läuft, wie es die 'Vision 2030' von Kronprinz Mohammed bin Salman vorsieht, ist nicht nur der ökonomische Schaden, sondern auch der Ansehensverlust enorm.“
Provokation im Pulverfass
Der Angriff im Persischen Golf hat große Sprengkraft, warnt De Standaard:
„Vor allem die Untersuchung des genauen Hergangs kann explosiv werden. ... Eine Möglichkeit ist, dass tatsächlich jemenitische Huthis die Anschläge über eine Zelle innerhalb Saudi-Arabiens verübten. ... Amerikanische Experten gehen nach einem Bericht des 'Wall Street Journal' auch der Frage nach, ob die Drohnen - oder Raketen - von pro-iranischen Milizen aus dem nördlichen Nachbarland Irak lanciert wurden. Der Iran weist jedoch jegliche Beteiligung zurück. ... Derweil muss man abwarten, wie Saudi-Arabien reagiert - aber vor allem auch, was die USA tun.“
Risiko einer Rezession steigt
Um den Ölpreis sorgt sich Financial Times:
„Das größere Risiko für die Märkte [als der Ausfall der nun beschädigten Anlage] ist ein Vergeltungsschlag Saudi-Arabiens gegen den Iran, der die Huthi-Rebellen im Jemen unterstützt. Die Angst vor einem derartigen Konflikt kombiniert mit dem instabilen Charakter des saudischen Regimes unter Kronprinz Mohammed bin Salman wird die Ölmärkte in den kommenden Tagen unter Druck setzen. Und wenn es tatsächlich zu einem Gegenschlag kommt, würde der Ölpreis wohl dauerhaft höher bleiben. Das wiederum würde die Gefahr einer Rezession erhöhen.“