Olympia: China beginnt seine Spiele
Mit der Eröffnungsfeier am Freitag beginnen in Peking die Olympischen Winterspiele 2022. Die Zuschauerränge bleiben wegen strenger Corona-Protokolle fast leer. Auf der Ehrentribüne werden vor allem Staatsvertreter aus autoritär regierten Ländern sitzen - mit Putin als prominentestem Gast. Inwiefern die Spiele einen Wendepunkt darstellen, fragt sich Europas Presse.
Das Land strotzt vor Selbstbewusstsein
Einen Vergleich zum Peking der Sommerspiele 2008 ziehen die China- und Japankorrespondenten von Les Echos, Yann Rousseau und Frédéric Schaeffer:
„Es ist ein mächtiges China, das dem Rest der Welt ein immer sichtbareres Selbstbewusstsein zeigt. Sein BIP hat sich seit 2008 verdreifacht und das verfügbare Einkommen der Haushalte versiebenfacht. Mit einem Roboter auf dem Mars und dem Bau einer Weltraumstation verankert China seine Macht im All. Es schert sich nicht um internationales Recht, wenn es um die Ausweitung seiner Militärmacht im Südchinesischen Meer geht. … China glaubt heute, von niemanden eine Lektion verdient zu haben, und preist sein Regierungsmodell vor dem Rest der Welt.“
Autokratien sollten keine Spiele ausrichten
Eesti Päevaleht befürchtet, dass die olympischen Spiele in China auch für Sportler eine Enttäuschung sein werden:
„Es wird ein besonderes Olympia, und wahrscheinlich nicht im positiven Sinne. Sportlich wird es Peking nicht gelingen - zu viele Sportler werden wegen positivem Corona-Test oder Nahkontakt vom Wettkampf fernbleiben. Positiv ist, dass die politischen Boykotte die Reihen der Sportler nicht weiter ausdünnen. Diplomatischer Boykott ist eine gute Lösung - die Sportler dürfen teilnehmen, während viele Staatschefs wegen der Menschenrechtsverletzungen in China fernbleiben. Noch besser wäre, wenn Autokratien, die für ihre eigenen Bürger oder andere Länder gefährlich sind, die Spiele nicht ausrichten dürfen.“
Überlasst den Sport den Athleten
Večer findet den diplomatischen Boykott der Spiele durch die USA, Großbritannien, Australien, Kanada und andere falsch:
„Das bevölkerungsreichste Land der Welt organisiert die aktuellen Olympischen Winterspiele, so wie 2008 die Sommerspiele, um seine wirtschaftliche Renaissance zu demonstrieren und um sein schlechtes Image in der Welt aufzupolieren. Nun hat der Teil der Welt, der sich selbst als demokratisch bezeichnet, China diesen wunderbaren Plan zumindest teilweise ruiniert. Aber Länder, die einen diplomatischen Boykott angekündigt haben, verletzen Menschenrechte, wenn auch nicht so systematisch wie im Fall der Uiguren und Tibeter. Politiker, überlasst den Sport den Athleten. Sie sind schon genug von gesundheitlichen Dilemmata geplagt, sie müssen nicht noch die Probleme der Welt lösen.“
Eine letzte Show der Maßlosigkeit
Olympia in Peking könnte für das Ende einer Ära stehen, zeigt sich La Libre Belgique zuversichtlich:
„Die Exzesse dürften die Götter auf dem Olymp des Sports endlich berührt haben, denn sie neigen nun dazu, gewisse moralische Ansprüche an die Austragungsorte zu stellen. Diesen Eindruck hat man zumindest im Hinblick auf die Auswahl der nächsten Olympia-Städte. ... Das setzt voraus, dass es genügend gute Bewerber gibt. … Um dies zu erreichen, muss die Austragung der Spiele erschwinglicher werden und das Sich-Überbieten in Maßlosigkeit enden. Sicher werden Show und Business darunter leiden. Aber man kann davon ausgehen, dass der Sport profitiert. Förderung von Demokratie und Verteidigung der Menschenrechte ebenfalls.“
Ein Verbrechen an der Umwelt
Als schädliches Spiel mit der Natur kritisiert das Tageblatt die Megaveranstaltung:
„In einer der trockensten und windigsten Gegenden von China werden Skipisten mit Kunstschnee angelegt. Das Wasser wird aus 60 Kilometern Entfernung auf die Berge gepumpt. Dabei hat China im Norden Schnee und Skigebiete, doch die Spiele sollen wegen des Prestiges in Peking stattfinden, das somit die erste Stadt wird, die Sommer- und Winterspiele ausgetragen hat. ... Für die ganzen Anlagen wurde kurzerhand das Naturschutzgebiet verkleinert. Ob sich [der Gründer des Olympischen Komitees] Pierre de Coubertin Olympia als 'Treffen der Jugend der Welt' so vorgestellt hat?“
China ist kein normaler Staat
Die Bedingungen am Austragungsort der Olympischen Winterspiele könnten schlechter nicht sein, bemängelt die Wiener Zeitung:
„Trotz der Corona-Pandemie (China? War da nicht was?) finden sie nun statt. Denn die Obrigkeit will es so, und sonst wird einfach keiner gefragt. Die Spiele werfen ihren Schatten auch im Journalismus voraus. … Korrespondenten werden nicht ausreichend informiert oder gar nicht erst zugelassen. Visaverweigerungen, Überwachung, Einschüchterung und Belästigung stehen auf der Tagesordnung. … Überrascht uns alles nicht, wohl wahr. Aber man kann es nicht oft genug betonen: China ist mitnichten ein normaler Staat mit normalen Regeln. Auch wenn das internationale Sportorganisationen nicht weiter groß zu kümmern scheint.“
Spiele ohne olympischen Geist
Die Teilnehmer der Spiele werden des wahren olympischen Erlebnisses beraubt, meint Primorske novice:
„In den kommenden zwei Wochen können wir die sportlichen Highlights vom anderen Ende der Welt wieder direkt verfolgen, alte und neue Helden feiern. Doch die Teilnehmer der diesjährigen Olympischen Spiele werden alles weniger genießen als ihre Vorgänger bei früheren Spielen. An den Austragungsorten werden die Sportler die Wettkämpfe ohne direkten Kontakt, ohne Zuschauer aus aller Welt, kurzum ohne olympischen Geist erleben.“
Pekings neue Welt
Die Olympischen Spiele sind der Spiegel einer neuen, antiwestlichen Welt mit Peking im Zentrum, erläutert Corriere della Sera:
„Der russische Staatschef wird mit ziemlicher Sicherheit den olympischen Waffenstillstand einhalten und von militärischen Aktionen in der Ukraine absehen - wenn Europa und die USA Zeit gewinnen können, so liegt das folglich am chinesischen Zeitplan. Ein Zeichen, dass sich das Zentrum der Welt verschoben hat. ... Sobald der olympische Friede vorbei ist, weiß Putin, dass er eine Zuflucht hat. ... China und Russland sind dabei, ein alternatives Finanzsystem zum Dollar aufzubauen. Die Verwendung des chinesischen Renminbi nimmt weiter zu. ... Andere Länder, vom Iran bis Venezuela, haben bereits gezeigt, dass sie die Auswirkungen der US-Sanktionen abfedern können.“