Nato-Vorsitz: Der Weg ist frei für Rutte
Nach Ungarn und der Slowakei hat am Donnerstag auch Rumänien als letzter Nato-Mitgliedsstaat bekanntgegeben, die Wahl Mark Ruttes zum neuen Generalsekretär zu unterstützen. Auch Rumäniens Präsident Klaus Iohannis hatte für die Nachfolge des nach zehn Jahren zurücktretenden Jens Stoltenberg kandidiert. Europas Presse ist zuversichtlich, dass der scheidende niederländische Premier Rutte der Richtige für den Posten ist.
Meister der Kompromisse und Koalitionen
Rutte ist der Macher, den die Nato braucht, analysiert De Telegraaf:
„Ein Nato-Generalsekretär muss ständig 'poldern' [alle Seiten in die Lösungssuche einbinden], um Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten zu erreichen. Das ist für Rutte ein Kinderspiel. ... Bis weit über die Grenzen gelingt es Rutte, Koalitionen zu schmieden, um Dinge zu erreichen. In der EU zum Beispiel spielte er eine der Hauptrollen beim Zustandekommen der Migrations-Deals mit der Türkei und Tunesien. Und in den vergangenen Jahren schmiedete er Koalitionen für die Lieferung von F-16-Jets und Luftabwehrgeschützen an die Ukraine.“
Glücksfall für die Allianz
Rutte hat die Qualitäten für einen Job, der nicht einfach wird, meint auch die Kleine Zeitung:
„Denn neben der Dauerherausforderung des Ukraine-Kriegs wartet möglicherweise schon im November die ganz große Bewährungsprobe auf Rutte. Donald Trump wird nach dem möglichen Wahlsieg nicht nur versuchen, die Unterstützung für die Ukraine auf die Schultern der Europäer zu laden, sondern wohl auch immer wieder die Grundsätze der Nato selbst unter Beschuss nehmen. Rutte könnte sich dabei aber als Glücksfall für die Allianz weisen. Der Mann mit dem Spitznamen Teflon-Mark gilt nicht nur als wendiger Verhandler, sondern auch als Trump-Flüsterer, dem es schon früher gelungen ist, den gröbsten Unfug des damaligen US-Präsidenten zu verhindern.“
Alle Kommunikationskanäle sollen offen bleiben
Denník Postoj schaut hinter die Kulissen:
„Grünes Licht für ihn gab es schon im Frühjahr, seine Nominierung wurde von den sogenannten 'Big Four', also den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, genehmigt. Laut der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita wollten diese Länder aus Angst vor ihrer allzu prinzipiellen Haltung gegenüber Russland nicht beispielsweise auf die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas setzen. Der Hauptgrund besteht darin, offene Kommunikationskanäle nicht nur mit Putin, sondern auch mit Trump aufrechtzuerhalten. Mark Rutte ist für diese Aufgabe bestens geeignet.“
Sein Verhandlungsgeschick ist gefragt
La Stampa blickt voraus:
„'Herr Nee', der bei den Verhandlungen am EU-Tisch unnachgiebig war, wird sich nun in den großen Vermittler verwandeln müssen, der eine Brücke zwischen Europa und den USA schlagen kann. Der König der Sparsamen, immer bereit, die 'Verschwender' im Süden zu tadeln, wird bald nach Rom fliegen müssen, um die italienische Regierung davon zu überzeugen, mehr für die Verteidigung auszugeben. ... Die höchste Hürde nahm Rutte nach einem persönlichen Treffen mit Viktor Orbán. … Orbán erhielt eine schriftliche Zusage, in der der künftige Nato-Generalsekretär den 'wertvollen Beitrag' Budapests zum Atlantischen Bündnis anerkennen musste. Dieser Brief ist ein Beispiel dafür, was für ein geschickter Verhandler Rutte ist – zu allem bereit, um ein Ergebnis zu erzielen.“
Er hat seine Lektion gelernt
Anna Słojewska, Brüssel-Korrespondentin bei Rzeczpospolita, nimmt Rutte vor der Kritik, er sei ein Russlandversteher, in Schutz:
„Ja, es stimmt, dass Mark Rutte in der Vergangenheit über Putin gesagt hat, dass man mit ihm Geschäfte machen kann. Dafür lobe ich ihn nicht, dafür muss man sich schämen. Aber er war ja auch nicht der Einzige im Westen, der sich über Putin geirrt hat. Er hatte nicht die gleichen Erfahrungen wie wir Osteuropäer. Aber schon nach dem Abschuss von Flug MH17, der malaysischen Maschine mit vielen niederländischen Touristen an Bord, im Jahr 2014, verlor er alle Illusionen. Und später baute er, gewissermaßen sogar gegen die USA, eine Koalition von F-16-Lieferanten für die Ukraine auf.“
Was sollte die rumänische Posse?
Iohannis' nun zurückgezogene Kandidatur wirft für den Rumänischen Dienst der Deutschen Welle viele Fragen auf:
„War die ganze Kandidatur von Klaus Iohannis für den Posten des Nato-Generalsekretärs nur ein Schachspiel des einheimischen diplomatischen und geheimdienstlichen Systems, durch das Rumänien etwas gewinnen sollte? War es ein Trick, damit der Präsident einen EU-Spitzenposten erhält und für den dieser lächerliche Sketch aufgeführt wurde? Oder hat man den Präsidenten absichtlich scheitern lassen? Und vor allem: Wer sind die Verantwortlichen für dieses Spiel, bei dem der Eindruck entstand, dass die Nato hier nicht mit einer Stimme spricht?“