Israel meldet Vergeltungsschlag gegen Hisbollah
Drei Tage nach der tödlichen Attacke auf die Golanhöhen hat Israel einen Vorort von Beirut angegriffen. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee ein Militärkommandant der Hisbollah – Fuad Schukr – ins Visier genommen. Ob er überlebt hat, ist bislang unklar. Die Hamas beschuldigte Israel zudem, ihren politischen Anführer Ismail Hanija durch einen Luftangriff in Teheran getötet zu haben.
Eine Schlüsselfigur offenbar tot
Israels Militär ist ein bedeutender Schlag gelungen, erklärt Avvenire:
„Im Fadenkreuz befand sich Fuad Schukr, der militärische Berater des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah. Quellen in Beirut bestätigen, dass Schukr, anders als nach der Operation behauptet, nicht überlebt hat. Internationale Beobachter warten jedoch noch auf eindeutige Beweise. Der auch als Hajj Mohsin bekannte Mann wurde vom israelischen Geheimdienst als Leiter des Präzisionsraketenprojekts der Hisbollah angesehen. Er wurde auch von den USA wegen seiner Rolle beim Bombenanschlag auf die US-Marines-Kaserne in Beirut 1983 gesucht, bei dem 241 Amerikaner und 56 französische Fallschirmjäger getötet wurden.“
Hoffentlich reicht das
Die Stimmung in Beirut am Morgen nach dem Angriff beschreibt La Stampa:
„Die Beiruter hoffen, dass der Angriff als entscheidend angesehen wird, also dass der von der Bombardierung betroffene Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr von der israelischen Führung als ausreichend gewichtig angesehen wird, um das Blutbad der zwölf drusischen Kinder zu kompensieren. ... Auge um Auge kann auch Gewicht und nicht nur die Zahl bedeuten.“
Dramatisch angespannte Lage
Večernji list fürchtet eine Ausweitung des Konflikts:
„Obwohl die USA Benjamin Netanjahu vor einem Angriff auf Beirut gewarnt haben, stellten sich die USA gestern trotz des Angriffs auf die Vorstadt Beiruts wie gewohnt auf die Seite Israels. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, die USA würden Israel vor einem Angriff der Hisbollah schützen. Diese Aussage hat hohes Gewicht und signalisiert die Möglichkeit eines regionalen Kriegs. Iran, Syrien, die Huthis im Jemen und irakische Milizen drohten mit der Teilnahme an dem Konflikt, sollte es zu einem offenen Krieg zwischen Israel und dem Libanon kommen. Die Situation ist angespannt und die internationale Gemeinschaft mahnt zu Zurückhaltung und diplomatischen Lösungen, um eine weitere Eskalation zu verhindern.“
Israel und der Libanon können sich einigen
El Periódico de Catalunya ist trotz allem hoffnungsvoll:
„Seit dem 7. Oktober liefern sich Israel und die Hisbollah ein Katz-und-Maus-Spiel, um ihre gegenseitige Abschreckungsfähigkeit zu bekräftigen. ... Die schiitische Miliz hat etwa 150.000 Raketen, die das gesamte israelische Staatsgebiet erreichen könnten. ... Ihre Kampferfahrung ist bewiesen. ... Ein Teil der israelischen Regierung will mit der Eröffnung einer neuen Front den Konflikt ausweiten und Hisbollah, einem engen Verbündeten des iranischen Regimes, einen tödlichen Stoß versetzen. ... Obwohl wieder der Lärm der Kriegstrommeln ertönt, haben Israel und der Libanon gezeigt, dass sie sich einigen können. So vor zwei Jahren, als sie einen Kompromiss über ihre Seegrenzen erzielten, um Gasfelder im Mittelmeer auszubeuten.“
Feuerpause existenziell notwendig
Tvnet zitiert Sintija Broka, Leiterin des Nahost-Forschungsprogramms des Thinktanks Lettisches Institut für Außenpolitik (LIIA), die ein Waffenstillstandsabkommen anmahnt:
„Solange Israel weiterhin Zivilisten sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland tötet, werden die Unterstützungsfronten weiter operieren, wie wir kürzlich bei den Huthi-Drohnenangriffen in Tel Aviv gesehen haben. Ein Waffenstillstand und die Beendigung des Gaza-Kriegs sind grundlegend wichtige Fragen für eine Aussöhnung zwischen Israel und den sogenannten Mitgliedern der iranischen Widerstandsachse, insbesondere der Huthi-Gruppe im Jemen und der Hisbollah im Libanon. .. Ohne Waffenstillstandsabkommen werden wir eine weitere Eskalation zwischen Israel und pro-iranischen Gruppen in der Region erleben.“
Selbstüberschätzung wäre fatal
Wenn Israel jetzt die zweite Front eröffnet, könnte es tatsächlich in einen Krieg um seine Existenz schlittern, befürchtet die Süddeutsche Zeitung:
„Israel hat in seiner Geschichte keinen Krieg verloren, weil es am Ende bei aller politischen Überhitzung seine militärischen Fähigkeiten richtig einschätzen konnte. Diesmal könnte die politische Überhitzung in einer militärischen Überforderung enden. Das wäre das fatale Ergebnis einer Selbstüberschätzung, die schon im Gazastreifen nur Tod und Zerstörung, aber kein Ende des Terrorkrieges gebracht hat. Der Jom-Kippur-Krieg endete 1973 nach 20 Tagen in einem militärischen und territorialen Patt. Heute würde ein Zwei- oder Mehr-Fronten-Krieg gegen hochgerüstete Terrormilizen nur einen Verlierer kennen: Israel.“
Gefährliche Gewaltspirale
Netanjahu könnte wieder eine Chance für die Flucht nach vorne sehen, analysiert Politologin Joana Ricarte in Público:
„Dieses schreckliche Ereignis geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem Netanjahu von allen Seiten zunehmend unter Druck gesetzt wird, mit seinen unerklärlichen Ausflüchten aufzuhören und endlich einem Waffenstillstand zuzustimmen, der die israelischen Geiseln nach Hause bringen und den Palästinensern, die im Gazastreifen furchtbar leiden, etwas Erleichterung bringen würde. Und wieder gibt es für Netanjahu eine Wendung in letzter Minute. ... Man spricht bereits von einem möglichen Angriff auf den Flughafen von Beirut und auf die Häfen der Region. ... Der Nahe Osten stand noch nie so dicht vor einer Eskalation.“
Washington will keine neue Front
Die USA wollen eine Eskalation vermeiden, betont das Webportal Capital:
„Die Tatsache, dass Washington dieser Aussicht misstrauisch gegenübersteht und zur Zurückhaltung aufruft, lässt sich mit dem Wunsch erklären, die Gaza-Front mitten im US-Wahlkampf zu schließen, anstatt eine zweite Front zu eröffnen, die das Risiko birgt, amerikanische Streitkräfte in den Konflikt hineinzuziehen. Bereits seit dem 33-Tage-Krieg [Libanonkrieg] 2006 hat die Hisbollah gezeigt, dass sie in der Lage ist, der israelischen Armee auf Augenhöhe zu begegnen, indem sie beispielsweise deren Vormarsch auf dem Landweg blockiert hat. Es wird davon ausgegangen, dass ihr Arsenal und ihre Kampffähigkeit seither erheblich verbessert wurden.“
Auf die Iran-Politik des Westens kommt es an
Nur wenn man Teheran in Schach hält, gibt es eine Chance auf Frieden, so Berlingske:
„Im Hinblick auf die Hisbollah muss der Westen weitaus mehr Maßnahmen sowohl gegen den Iran als auch gegen die Hisbollah in Betracht ziehen, um der wirklichen Bedrohung zu begegnen. Es gibt Anzeichen dafür, dass viele arabische Länder bereit wären, mit Israel Frieden zu schließen, sobald der Krieg in Gaza vorbei ist. Vor allem, wenn es auch eine Perspektive gibt, den Palästinensern bessere Bedingungen und Aussicht auf einen eigenen Staat zu geben. Aber die arabischen Länder könnten zögern, wenn die Macht Irans so massiv bleibt. Der Westen wäre klug, die Linie gegenüber der Hisbollah und dem Iran zu verschärfen. Denn Hamas ist nur ein Teil eines größeren Problems.“
Peking nicht das Feld überlassen
China will sich als Friedensstifter profilieren, verfolgt dabei aber auch eigene Interessen, warnt Turun Sanomat:
„Ein Frieden im Nahen Osten ist immer noch nicht in Sicht, aber die internationale Gemeinschaft muss ihre Bemühungen fortsetzen, ihn zu fördern. Ein Hoffnungsschimmer sind Berichte, wonach die seit Langem bestehenden palästinensischen Fraktionen, die Hamas und die gemäßigtere Fatah, sich für Einigkeit statt für Spaltung einsetzen. Geburtshelfer der Erklärung war China. ... Die Rolle des Vermittlers in der internationalen Sicherheitspolitik darf aber nicht allein China überlassen werden, da es auch ein Interesse daran hat, seinen Einfluss unter anderem auf Kosten Europas zu erhöhen.“
Eine Falle
Israel soll zur Invasion gedrängt werden, warnt La Repubblica:
„Verteidigungsminister Gallant hält es für unabdinglich, die Bedrohung durch die Hisbollah ein für alle Mal zu beseitigen und ein Teil der Militärs schließt sich ihm an. ... Sie sind der Meinung, dass die libanesischen Verbündeten des Iran eine erfolgreiche Strategie verfolgen, indem sie die Kräfte des jüdischen Staats zermürben. ... Letztlich zielt dieses Manöver darauf ab, die Israelis zu einer Invasion zu drängen, sie ins Kreuzfeuer der gegnerischen Stellungen zu ziehen und die Solidarität der arabischen Welt zu gewinnen.“
Ajatollahs verfolgen innenpolitische Interessen
Der in Israel lebende Politologe Abbas Galliamow verweist auf Facebook auf einen innenpolitischen Faktor im Iran:
„Die iranischen Ajatollahs - die hinter der Hisbollah stehen - sind jetzt mehr denn je daran interessiert, die Situation an der israelischen Front zu verschärfen. Bei ihnen wurde gerade ein modernisierender Reformer als Präsident eingesetzt. ... Die beste Art, so jemanden in die Schranken zu weisen, ist, ihn sofort eine 'patriotische' Position einnehmen zu lassen, bevor er ausschert. Dafür braucht es Krieg.“
Paradoxer Krieg
De Standaard verweist darauf, dass drusische Jugendliche auf den von Israel besetzten Golanhöhen Opfer des Angriffs wurden:
„Drusen gehören zur schiitischen Strömung des Islam, genau wie Hisbollah und der Iran. Die Hisbollah hat mit anderen Worten Land und Menschen getroffen, die sie - wie sie behauptet - eigentlich von der israelischen Besatzung befreien will. … Israels Forderung nach harten Repressalien geschieht im Namen von Opfern der arabischen Bevölkerung in besetzten Gebieten.“
Militär allein kann keinen Frieden schaffen
Israel muss einen Zwei-Fronten-Krieg unbedingt verhindern, schreibt die Stuttgarter Zeitung:
„Für seine eigene Sicherheit braucht Israel endlich einen Plan für eine politische Lösung im Gazastreifen, der den Krieg dort beendet. ... Wenn dort ein tragfähiger Waffenstillstand eingerichtet ist, muss Israel in einer klugen Mischung aus militärischer Reaktion und politischer Aktion die Hisbollah in ihre Schranken weisen. Auch für die Nordgrenze Israels gilt: Allein das Militär kann keinen Frieden schaffen. Die Hisbollah kann nicht vernichtet werden. Fraglich ist allerdings, ob die Regierung Netanjahu zur nötigen politischen Klugheit in der Lage ist.“
Gefahr durch Hisbollah wurde zu lange ignoriert
Für The Daily Telegraph empört sich die Welt viel zu wenig über den Angriff der Hisbollah:
„Es ist bezeichnend, dass Israel verurteilt wird, wenn es geltend macht, dass es auf Hamas-Stellungen in Gaza zielt und es dann zivile Opfer gibt. Aber es gibt keine Demonstrationen gegen die Hisbollah oder ihre Zahlmeister in Teheran. Das ist ein weiteres Beispiel für die Doppelmoral, mit der auf den 7. Oktober reagiert wurde. ... Innerhalb Israels sagt so manch einer, dass man sich sowohl mit der Hamas als auch mit der Hisbollah auseinandersetzen muss, wenn man ein sicheres Land möchte. Doch die Aussicht auf einen Krieg, der sich über den Nahen Osten bis zum Golf ausbreitet, wird ausländische Regierungen alarmieren, die die Bedrohung durch die Hisbollah zu lange ignoriert haben.“
Nichts als Rhetorik aus Europa
Allein Washington hat sich bislang bemüht, eine Lösung für den sich ausweitenden Konflikt in der Region zu finden, schreibt Sol:
„Der Iran hält den Libanon in ständiger Kriegsbereitschaft. Man geht nur deshalb nicht noch weiter, weil man befürchtet, den Libanon so in ein neues Gaza zu verwandeln. Die Regierung von Joe Biden und Antony Blinken hat alles getan, um diesen Krieg und sogar diesen Konflikt zu lösen. ... Aus Europa kam kein einziger kohärenter, nachhaltiger und durchführbarer Friedensplan. Nur Rhetorik!“