Was tun gegen das Feuer im Amazonas?
Angesichts der seit Jahren heftigsten Feuer im Amazonas-Gebiet hat Brasiliens Regierung die Brandrodung in der Trockenzeit verboten. Zuvor hatten die G7-Staaten finanzielle Unterstützung zum Löschen der Waldbrände angeboten. Bolsonaro will diese Hilfe nur annehmen, wenn Macron sich entschuldigt. Der hatte ihm vorgeworfen, bei Zusagen zum Umweltschutz gelogen zu haben.
Viel Lärm um wenig Wald
News.bg erkennt im Streit um die Amazonas-Brände zwei Lager:
„Die Anhänger der Theorie einer drohenden Klimakatastrophe und diejenigen, die nicht an die apokalyptischen Prognosen glauben und einfach die regionale Wirtschaft fördern wollen. … Der französische Präsident Emmanuel Macron ist Anführer des ersten Lagers, während sein brasilianischer Amtskollege Jair Bolsonaro bereits drohte, sein Land aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen. … Was viele verschwiegen, ist, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Waldbrände weltweit zurückgegangen sind, laut Nasa zwischen 1998 und 2015 um 24 Prozent. In derselben Zeit haben sich die Waldbestände der Erde erheblich vergrößert. … Doch einfache Botanik ist bei weitem nicht so prestigeträchtig wie die Rettung der Welt vor einem drohenden Kataklysmus.“
Warum Macron über andere Brände kein Wort verliert
Evenimentul Zilei wirft dem französischen Präsidenten vor, nur Brasilien im Blick zu haben:
„Es brennt im Regenwald. Doch mindestens genauso verheerend sind die Brände in der sibirischen Taiga, in Kalifornien und in Subsahara-Afrika. Doch Macron hat kein Wort darüber verloren. Die Gründe sind leicht zu erraten. Sibirien liegt in Putins Russland - und Macron lobbyiert gerade dafür, diesen wieder in der G7 begrüßen zu können. Kalifornien liegt in Trumps USA - und Macron will einen Patzer wie voriges Jahr vermeiden, als der amerikanische Präsident seine Unterschrift unter dem Abschlussdokument vom Gipfel in Kanada zurückzog, weil er sauer über ein paar dumme Worte von Justin Trudeau war. Subsahara-Afrika wiederum liegt sogar im Einfluss- und Interessenbereich von Macron. Es wäre ja abartig und bizarr, wenn er sich selbst einen Arschtritt verpassen würde.“
Fleischfressendes Europa steht in der Pflicht
Eine einfache Lösung für den Amazonas gibt es nicht, fürchtet Právo:
„Der Regenwald muss Platz für brasilianische Rinder machen, die für den europäischen Markt bestimmt sind. Ein Exportverbot, wie Finnland vorschlägt, träfe die brasilianischen Farmer in ihrer Existenz. Es braucht eine wirtschaftliche und ökologische Alternative. Brasilien erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit den Rindern 6,5 Milliarden Dollar. Das ist im Vergleich mit den Agrarausgaben der EU von 50 Milliarden ein Klacks. Hilfe würde sich auszahlen. Mit ein bisschen Rationalität beim Verbrauch müsste Europa nicht einmal den Rindfleischkonsum aufgeben.“
Business ist die Lösung
Wer wirklich etwas für den Regenwald tun will, der muss die brasilianischen Unternehmer ins Boot bekommen, die für seine Abholzung verantwortlich sind, meint Robert Muggah vom Think Tank Igarapé Institute in Slate:
„Nehmen wir zum Beispiel den Sektor der Fleischproduktion. Zunächst scheint er nicht der geeignete Kandidat für eine progressive Politik zu sein. Aber die internationalen Import-Export-Firmen wollen ihre Logistikketten immer ökologischer gestalten wegen der Reaktionen der Kunden, die ihre Produkte in der ganzen Welt konsumieren und denen das Schicksal des Amazonas nicht egal ist. Die brasilianischen Fleischproduzenten wissen das genau, denn die großen Ketten, die ihre Produkte vermarkten - Carrefour, Casino, Walmart und andere - sind aus dem Ausland (und wollen im Prinzip die Standards zur Verringerung von Kohlenstoff-Emissionen respektieren).“
Wenn Sauerstoff eine Ware wäre...
Die Brände gehen uns alle an, erinnert Expresso:
„Die Welt hat die Pflicht, Brasilien beim Erhalt des Amazonas zu helfen. Und sie muss mit Maßnahmen kommen, die Bolsonaro wissen lassen, dass er entweder handeln muss, um das zu schützen, was dem ganzen Planeten gehört, oder der ganze Planet ihn isolieren wird, bis er in die Knie geht. Würde Luft verkauft werden, wären bereits Truppen irgendeiner internationalen Koalition in Brasilia eingetroffen. ... Bolsonaro greift längst nicht mehr 'nur' die brasilianische Demokratie, die indigenen Völker, den Rechtsstaat oder Homosexuelle an. Er greift uns alle an.“
Europäer sitzen im Glashaus
Das Bemühen der G7 zur Rettung des Amazonas hat der brasilianische Präsident als Neo-Kolonialismus zurückgewiesen. De Volkskrant hat dafür Verständnis:
„Die Regierung von Bolsonaro weist gerne darauf hin, dass Europa selbst zu Gunsten der Wirtschaft viele Wälder abgeholzt hat. Wenn jetzt brasilianische Bauern dasselbe machen, wird Zeter und Mordio geschrien. Natürlich ist das Amazonas-Gebiet ein besonderer Fall, angesichts der großen Menge CO2, die es absorbiert. Aber solche Argumente verdeutlichen, dass der Vorwurf des Neo-Kolonialismus nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. ... Macron kann den Vorwurf nur auf eine Weise entkräften: Er muss im eigenen Land und gemeinsam mit allen reichen Ländern eine effektive Klimapolitik führen und den armen Teil der Welt beim Entwickeln einer nachhaltigen und wohlhabenden Wirtschaft unterstützen.“
Handel mit Autos und Fleisch nicht noch fördern
Für das Tageblatt offenbart sich nun die ganze widersprüchliche Haltung der EU gegenüber Lateinamerika:
„Nachhaltige Entwicklung ist ein wichtiger Bestandteil des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mercosur. … Gleichzeitig sieht das Abkommen aber vor, dass die Mercosur-Staaten Einfuhrzölle auf europäische Industriegüter wie Autos und Autoteile abschaffen. … Dabei gelten Autos bekanntlich als Hauptverursacher von CO2-Emissionen … Genauso scheinheilig ist die Position der EU beim Import von südamerikanischem Rindfleisch. Während die Bauern in Europa berechtigterweise dazu ermutigt werden, auf Biolandwirtschaft umzusteigen, fördert die EU in Südamerika die konventionelle Massentierhaltung. … Es ist traurig, dass die Tropen erst brennen müssen, bis die EU die Widersprüchlichkeit ihrer Wirtschaftspolitik einsieht.“
Nationale Interessen versus globale Verantwortung
Die Brände im Amazonasgebiet symbolisieren eine Schicksalsfrage der Menschheit, betont Upsala Nya Tidning:
„Die große Frage in den kommenden Jahrzehnten wird sein, wer das Recht auf Ressourcen hat, die für das Überleben des Menschen unabdingbar sind. Der Amazonas gehört dazu, ebenso wie die Gebiete um den Nord- und Südpol. Es ist kein Zufall, dass Trump sich auf Grönland stürzt. ... Wo Nationalisten herrschen, haben kurzfristige Gewinne und geopolitische Triumphe Vorrang vor globalen Interessen. Merkel ist dabei, die Bühne zu verlassen, Macron steht unter starkem Druck, ebenso wie Trudeau. Andere Unterstützer eines globalen Gewissens, wie Londons Bürgermeister Sadiq Khan, erringen vielleicht nie durchschlagende Macht. Die Brände im Amazonas können auf vielerlei Art entscheidend für die Zukunft sein.“
Ressource Sauerstoff hat ihren Preis
Für die Rettung des Regenwaldes müssen vorrangig die reichen Länder etwas tun, fordert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Wir alle brauchen ihn. ... Das heißt aber noch lange nicht, dass Südamerika allein zuständig ist für den Erhalt, und der Rest der Welt atmet durch und zählt sein Geld. .... Die reichen Länder der Welt müssen einsehen, dass ihnen nichts geschenkt wird. … Brasilien exportiert seit Jahrtausenden einen extrem wertvollen Rohstoff in alle Welt: Sauerstoff. Bisher war der kostenlos. Aber wieso eigentlich? Wenn wir für Gold und Erdgas zahlen können, dann auch dafür. Alternativ könnten wir auch unseren eigenen Sauerstoff herstellen, indem wir die komplette westliche Welt aufforsten - ein allerdings relativ aufwendiges Projekt.“
Dauerhaftes Rettungskonzept gesucht
Wer den Amazonas erhalten will, muss weit in die Zukunft denken, erklärt La Croix:
„Nur langfristig konzipierte Prozesse, die dauerhafte Finanzierungen garantieren, ermutigen die Länder der Region dazu, zugunsten einer Politik zu kooperieren, deren Ziel die Erhaltung oder schonende Nutzung des Waldes ist. Parallel dazu müsste vielleicht das internationale Recht weiterentwickelt werden, um die globalen Herausforderungen zu definieren, die außerhalb des Blickfelds der Staaten liegen. Die nationalen Souveränitäten sind zu engstirnig geworden, um diese immensen Entwicklungen angehen zu können. Ein schönes Thema für die Uno, die für den 23. September zu einem Klimagipfel geladen hat.“
Freihandel an Schutz des Waldes knüpfen
Appelle allein werden nicht reichen, meint The Observer und fordert mehr Druck von europäischer Seite:
„Für die EU-Regierungen ist es ein Leichtes, Brasiliens Präsident Bolsonaro zu verurteilen. Doch die Nachfrage nach brasilianischem Rindfleisch im Westen trägt zur Abholzung bei. Die EU führte im vergangenen Jahr Rindfleisch im Wert von 490 Millionen Pfund [knapp 474 Millionen Euro] aus Brasilien ein. Britische Konsumenten waren im vergangenen Jahr indirekt für die Zerstörung einer Fläche Regenwald in Brasilien verantwortlich, die der Größe von 500 Fußballfeldern entspricht. Im Falle Italiens ist die Fläche vier Mal so groß. Sollte das Mercosur-Abkommen in Kraft treten, wird es noch mehr werden. Die EU muss mit ihrem Einfluss als Brasiliens zweitgrößter Exportmarkt darauf bestehen, dass das Abkommen nur in Kraft tritt, wenn Bolsonaro stärker gegen illegale Abholzung vorgeht.“
Brasiliens Macht bedroht die Lunge der Erde
Für Tygodnik Powszechny sollte der Amazonas-Regenwald höchste politische Priorität genießen:
„Die Haltung des brasilianischen Präsidenten zum größten Regenwald der Welt ist nicht nur ein Problem Südamerikas, sondern aller siebeneinhalb Milliarden Menschen, die auf der Erde leben. Der Amazonas ist das weltweit größte waldbedeckte Gebiet, er reguliert die Regenfälle auf dem Kontinent, er ist ein gigantischer Kohlendioxidspeicher. ... Nicht der nächste Unsinn Donald Trumps (wie sein Vorschlag, Grönland zu kaufen) sollte Schlagzeilen in unseren Zeitungen auf der anderen Seite des Atlantiks machen, sondern der stille Krieg der brasilianischen Macht und Industrie gegen die Lunge der Erde. Bolsonaros Tendenzen zu zähmen, das ist derzeit die wichtigste Herausforderung für die globale Diplomatie.“
EU verhätschelt Bolsonaro
Die EU darf Bolsonaro nicht auch noch unterstützen, schimpft Aftonbladet:
„Wie geht Schweden und Europa mit Bolsonaro um? Jüngst hat die EU mit Handelskommissarin Cecilia Malmström ein neues Freihandelsabkommen geschlossen, das den Motor der Brandrodungen weiter befeuert: Brasiliens Fleischindustrie. Die EU-Kommission behauptet, dass man doch Garantien bekommen habe, dass Brasilien das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wolle. Dass Jair Bolsonaro, der 'Hauptmann Kettensäge' genannt wird, Rücksicht auf das Klima nehmen würde, ist ein schöner Gedanke. Gleichzeitig verdunkelt sich der Himmel über São Paulo.“
Empörte sollten Fakten prüfen
So richtig der Aufruhr im Internet ist, hat er für die Süddeutsche Zeitung auch etwas Scheinheiliges:
„Jede Kritik verdient hat vor allem der Mann, der die Brände zu verantworten hat. Präsident Jair Bolsonaro hat den Umweltschutz in Brasilien systematisch abgewrackt. Großgrundbesitzer und Landspekulanten haben unter ihm freie Hand. Sie können den Regenwald abholzen und mit kontrollierten Bränden Flächen roden, so viel sie wollen. ... Das Entlarvende ist jedoch, dass es all dies schon früher gab, in manchen Jahren wurde beinahe so viel abgeholzt wie nun unter Bolsonaro. In der Zeit vor Greta Thunberg und 'Fridays for Future' aber hat sich kaum jemand dafür interessiert. Zumal viele der Bilder, die nun millionenfach über das Internet verbreitet werden, gefälscht oder zumindest veraltet sind. Wer sich nun empört, der sollte darauf achten, dass die Fakten stimmen.“