EU-Gipfel: Wieder einmal wenig Einigkeit
Angela Merkels letzter EU-Gipfel brachte trotz drängender Probleme keine konkreten Entscheidungen: Weder im Justizstreit mit Polen oder in der Frage um die Migration via Belarus konnten sich die Mitgliedsländer auf gemeinsame Maßnahmen einigen. Ein Vorschlag Spaniens, günstigere Energiepreise durch gemeinsame Gaskäufe zu ermöglichen, wurde vertagt. Ernüchterung in den Kommentarspalten.
Ernüchternde Normalität ist zurück
Von der Handlungsstärke, die Europa in der Pandemie gezeigt hat, ist offenbar nichts geblieben, ätzt La Repubblica:
„Sollen die Bürger dieser Gemeinschaft systematisch mit einem Europa konfrontiert werden, das im Ausnahmezustand begeistert und, sobald es in die Normalität zurückkehrt, enttäuscht? ... Am Freitag ist die EU jedenfalls wieder in die 'Normalität' der Vetos und nationalen Interessen abgetaucht. ... Keine Entscheidung im Umgang mit dem Flüchtlingsnotstand. Keine Entscheidung darüber, wie die Bürger in Zukunft vor einer weiteren Explosion der Energiepreise geschützt werden können. ... Keine operative Entscheidung über die empörende Haltung Polens zu den EU-Verträgen und zum Konzept der Demokratie. Keine konkrete Entscheidung, wie die Staaten, die bisher beim Impfen der Bevölkerung eher zurückhaltend sind, von einem Kurswechsel überzeugt werden können.“
Zu zögerlich gegen hohe Energiekosten
Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind die Brüsseler Beschlüsse zu den steigenden Gas- und Strompreisen für The Irish Times:
„Die Debatte des Europäischen Rates zu diesem Thema offenbarte grundlegende Differenzen sowohl in der Einschätzung der Lage, als auch bei möglichen Lösungsansätzen. Daher konnten sich die Staats- und Regierungschefs lediglich auf ein Paket mit kurzfristigen Maßnahmen einigen - darunter finanzielle Unterstützung für stark betroffene Haushalte, staatliche Beihilfen für angeschlagene Unternehmen sowie Steuer- und Abgabensenkungen. ... Radikale Maßnahmen wie die Forderung Spaniens, dass die EU gemeinsam Gas kauft, um in eine stärkere Verhandlungsposition zu gelangen, wurden auf die lange Bank geschoben.“
Zu hohe Strompreise verursachen Dominoeffekt
El Periódico de Catalunya befürchtet, dass die Folgen einer passiven Energiepolitik fatal sein könnten:
„Hinter der vom Europäischen Rat auf Dezember verschobenen Diskussion steht die Schwierigkeit, die angestrebten Ziele mit den Interessen der Energieunternehmen in Einklang zu bringen. Sie stellen sich gegen jede Initiative, die auf eine Reform oder einen Eingriff in den Markt abzielt. ... Doch die scheint unvermeidlich, weil der Spielraum bei der Besteuerung nicht ausreicht, um die Krise abzumildern, außer man will, dass der Fiskus der Hauptleidtragende eines Korrekturmechanismus ist. ... Eine Normalisierung wird im besten Fall erst im Frühjahr stattfinden. ... Das könnte bereits zu spät sein, um viele der durch ausufernde Strompreise verursachten Dominoeffekte zu vermeiden.“
Mitgliedsstaaten verstecken sich hinter Kommission
Dass die EU-Staaten gegenüber Polen und Ungarn keine klaren Worte gefunden haben, enttäuscht das Tageblatt:
„Kurios ist das keineswegs, denn die EU-Staaten tun seit Jahren herzlich wenig gegen den nicht nur in Polen, sondern auch im von Viktor Orban regierten Ungarn fortschreitenden Umbau zweier erst vor einigen Jahrzehnten aus autoritären Regimen entkommener Länder zu illiberalen Staaten. ... Die EU-Staaten können sich nicht ständig hinter der Kommission als Hüterin der Verträge verstecken. Sie müssen ihren Teil der Verantwortung übernehmen und endlich gegenüber den Regierungen in Warschau und Ungarn Klartext reden. Auf dem Gipfeltreffen wurde diese Chance verpasst.“