Xi zu Besuch in Europa
Chinas Staatschef Xi Jinping war auf Europareise - mit den Stationen Paris, Belgrad und Budapest. Während ihm zum Auftakt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorwarf, Europa mit subventionierten Gütern zu "überschwemmen" und mit "harten Entscheidungen" drohte, war der Empfang in Serbien und Ungarn wärmer - denn beide Länder setzen auf Pekings "Neue Seidenstraße".
Balkanroute ist Chinas Einfallstor
China setzt in Osteuropa ökonomische Hebel in politischen Rissen an, beobachtet Hvg:
„Xi hat die drei Ziele seiner ersten Europareise seit 2019 mit der Absicht ausgewählt, die in der euro-atlantischen institutionellen Struktur entstandenen Risse zu vertiefen. ... Während Serbien als Chinas wichtigster Vorposten auf dem Balkan gilt, spielt Ungarn als die dritte Station von Xis Reise die gleiche Rolle innerhalb der EU und der Nato. ... Die beiden Xi als Freund willkommen heißenden Regime werden bald durch die mit chinesischen Krediten finanzierte Bahnstrecke Belgrad-Budapest physisch miteinander verbunden sein, die für den Transport von Exportgütern vom chinesisch kontrollierten Hafen Piräus ins Zentrum Europas genutzt werden soll. Denn China bereitet gerade seine zweite große Exportoffensive vor.“
Xi steckt in der Klemme
Chinas Präsident sucht in Europa nach Lösungen für seine wirtschaftlichen Probleme, meint der Außenpolitikexperte Botond Feledy in Új Szó:
„Wir dürfen nicht vergessen, dass das chinesische Wirtschaftswunder vorbei ist! Der Bausektor, der ein Wachstumsfaktor war, ist zusammengebrochen, die Exporte sind von Covid zerrupft worden, und die Geopolitik mahnt Investoren, die sich in Richtung China orientieren, zu immer mehr Vorsicht. Dementsprechend floss bereits Ende letzten Jahres erstmals seit über zwei Jahrzehnten das Kapital aus dem Land ab, ganz zu schweigen von der Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent. ... Für Xi ist es also lebenswichtig zu exportieren, sonst könnten sich die Schwierigkeiten der chinesischen Wirtschaft in innere soziale Spannungen verwandeln.“
Handelskrieg vermeiden
Anstatt Zölle gegen chinesische Produkte zu verhängen, sollte die EU Peking ermutigen, den Export zu drosseln, rät The Irish Times:
„Die Kommission hat weitreichende Handlungsmöglichkeiten. Doch die Mitgliedsstaaten sind gespalten. Die deutschen Automobilhersteller fürchten, dass sie unter chinesischen Vergeltungsmaßnahmen gegen Zölle oder andere Maßnahmen leiden würden. Xi hat die Verhängung von Sanktionen gegen französischen Cognac ausgesetzt. Doch Peking würde in einem Handelskrieg vermutlich europäische Lebensmittel und Getränke ins Visier nehmen. Eine solche Eskalation sollte vermieden werden. Und da China in der Vergangenheit gezeigt hat, dass es in der Lage ist, die Industrieproduktion herunterzufahren, sollte es dazu ermutigt werden, dies erneut zu tun.“
Peking laviert in der Ukraine-Frage
Gazeta.ua vermisst eine klare Positionierung Chinas zu Russlands Krieg in der Ukraine:
„Xi hat viel Richtiges über die Notwendigkeit eines Friedens gesagt, bezeichnete aber den Krieg in der Ukraine hartnäckig als 'Konflikt' und bestand darauf, dass Friedensgespräche zum richtigen Zeitpunkt und unter Beteiligung Russlands stattfinden sollten. Das bedeutet, dass Xi dem Friedensgipfel in der Schweiz skeptisch gegenübersteht und wahrscheinlich nicht daran teilnehmen wird, da die russische Seite nicht eingeladen wurde. Zugleich wies er zurück, dass er Russland [militärisch] unterstütze.“
Neues Selbstbewusstsein der EU
Der gemeinsame Auftritt von Macron und von der Leyen hat deutlich gemacht, dass sich die EU nicht gegeneinander ausspielen lässt, lobt NRC:
„Ihr gemeinsames Auftreten in Paris kennzeichnet die neue selbstbewusste Haltung der Europäischen Union. Diese Haltung mag vielleicht für Länder wie Deutschland und die Niederlande gewöhnungsbedürftig sein, aber sie ist die einzig richtige. ... Es braucht keine Erklärung mehr, dass die EU sich in diesem multipolaren Kontext so weit wie möglich als ein Block aufstellen muss, um nicht zermahlen zu werden. ... Aber Symbolik reicht nicht aus. Es ist Sache aller Mitgliedstaaten, Macrons Warnung vor der Verletzlichkeit der EU nicht in den Wind zu schlagen.“
Gefangen in einer toxischen Beziehung
Es ist illusionär, Europa und China als Partner zu sehen, wirft die Kleine Zeitung ein:
„In Bezug auf China ist die EU jedenfalls in schwacher Position, da sollte man sich nichts vormachen. In Wirtschaftsfragen kann man damit rechnen, dass sich die Wogen früher oder später wieder glätten; auf beiden Seiten ist man letzten Endes an profitablen Verbindungen interessiert, das gilt durchaus auch für Umweltauflagen. Was jedoch die internationale Politik betrifft, macht China, was seinen Interessen entspricht, und nicht das, was Brüssel oder Washington für erforderlich halten. Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Europa und China sind in einer permanenten, toxischen Beziehung gefangen.“
China unbeeindruckt von Europas Zeigefingern
Der Westen findet einfach keinen angemessenen Umgang mit China, klagt der Freitag:
„Die Angriffe wirken kleinteilig, teils kleinkariert. ... Xi Jinping lässt sich nicht vereinnahmen, hegemoniales Gebaren ist ihm fremd, er empfiehlt weder anderen einen Wertekanon noch maßt er sich die Einmischung in innere Verhältnisse von Staaten an, wie das derzeit die deutsche Außenpolitik bis zur Anmaßung betreibt. Deshalb wird in Peking der Westen auch häufig als übergriffig empfunden, aber eher gelassen und maßvoll, wenn überhaupt, in die Schranken gewiesen. Dass China sich in dieser Hinsicht nur selten herausfordern, sondern kühle Souveränität walten lässt, sollte endlich in Paris, Brüssel oder Berlin mehr Beachtung finden, wo man sich vorstellt, das Maß der Dinge zu sein.“
Serbiens Regierungslager beweihräuchert sich selbst
Vor Xis Besuch in Belgrad hatte der serbische Präsident Vučić dem chinesischen Staatssender CCTV ein Interview gegeben, das laut regierungsnahen Medien 300 Millionen Chinesen gesehen haben. Pešćanik kann das Trara darum nicht verstehen:
„Selbst wenn alle anderthalb Milliarden Chinesen Vučić gesehen hätten, hätte das nichts geändert. ... Ebenso unerheblich ist, ob er bei diesen 300 Millionen gut ankam oder nicht. China ist kein demokratisches Land. Es ist völlig unerheblich, wie viele Menschen Vučić im Fernsehen gesehen haben, denn sie entscheiden über nichts, nicht nur in Bezug auf Serbien, sondern ganz generell. Xi wird Vučić heute [am Dienstag] treffen. Das allein zählt. Darüber, ob auch Macron CCTV ein Interview gegeben und wenn ja, wie vielen Leuten es gefallen hat, sind wir nicht informiert worden.“
Der Westen muss China einbinden
Die Vorstellung, dass der Westen sich gegen China stellen könne, findet die Tageszeitung Welt naiv:
„Das megareiche Land hat ein ausgeprägtes Netz von Allianzen und Abhängigkeiten im aufstrebenden Globalen Süden aufgebaut. Die Strategie des Westens kann jetzt nur sein, China einzubinden: Nicht mit dem obsoleten Ziel, Xis Diktatur durch Handel zu wandeln, sondern um die politischen und ökonomischen Kosten des Wettbewerbs von rivalisierenden Supermächten massiv zu senken. Und die EU hat einen effektiven Hebel: eine ungeheure Nachfrage- und Innovationskraft, die China auch künftig so dringend braucht.“
Nicht länger zu Uiguren-Unterdrückung schweigen
In Le Monde wendet sich Dilnur Reyhan, Soziologin mit uigurischen Wurzeln, an Macron:
„Unseren Henker mit allen Ehren zu empfangen, verstärkt nur das Gefühl der Ungerechtigkeit, Ohnmacht und Unsicherheit in der uigurischen Diaspora. ... Die Botschaft lautet, dass das Leben des uigurischen Volkes im Vergleich zu den chinesischen Yuan-Milliarden kaum von Bedeutung ist. Diese Politik der Verachtung ist auch eine Politik der Komplizenschaft, denn die wirtschaftliche Kooperation mit China stärkt den chinesischen Rassenkapitalismus, der auf Zwangsarbeit setzt. ... Sie, der Sie die tragischen Fehler der französischen Politik in Ruanda anerkannt haben, gehen Sie nicht als derjenige in die Geschichte ein, der zum Genozid an den Uiguren geschwiegen hat, obwohl er davon wusste, und der nichts getan hat, obwohl er konnte.“
Für Berlin geht Deutschland vor Europa
T24 kommentiert, warum Bundeskanzler Scholz Macrons Einladung ausschlug, ebenfalls nach Paris zu kommen:
„Scholz befürwortet eine weichere Haltung gegenüber China. ... Er gibt den nationalen Interessen Deutschlands den Vorrang vor denen der EU als Gemeinschaft, weil er fürchtet, dass deutsche Investitionen in China beeinträchtigt werden können. Aus diesem Grund soll Scholz letzten Monat in China das Thema Menschenrechtsverletzungen nicht angesprochen haben. Zudem wurde die Ankündigung deutscher Sanktionen gegen Huawei auf die Zeit nach diesem Besuch verschoben. ... Dass Scholz nicht an dem Treffen teilnimmt, wird der chinesische Staatschef als Schwäche der EU-Einheit ansehen und sich zweifellos darüber freuen.“
Fraglicher Nutzen ungarischer China-Nähe
Wie Ungarn Chinas Wirtschaft den roten Teppich ausrollt, wirft für Népszava Fragen auf:
„Für China sind wir zu einer Art Montagehalle geworden, und die Regierung nimmt diese Rolle nicht nur gerne und bereitwillig an, sondern sie nimmt auch Investitionen an, die mit chinesischen Krediten finanziert werden und sich vielleicht nie auszahlen, nur um Brüssel zu ärgern. ... Präsident Xi hat erkannt, dass er Ungarn nutzen kann, um eine einheitliche europäische Politik gegenüber China, die sich Macron vorstellt, zu verhindern. Das ist sicherlich gut für Xi, aber welchen Nutzen das dem ungarischen Volk bringt, ist eine andere Frage.“
Nicht mehr als leere Versprechen
Le Figaro warnt:
„Europa wacht erst langsam auf angesichts dieses Monstrums. Dessen Aggressivität wird immer offensichtlicher – durch sein Wettrüsten, seine Ansprüche im Chinesischen Meer, seinen Ressourcenraub, den internationalen Aktivismus seiner Spione und seiner Geheimpolizei. 30 Jahre lang glaubte Europa, China für die Regeln des fairen Wettbewerbs gewinnen zu können; heute stellt es fest, dass Peking seine industriellen Überkapazitäten massiv subventioniert, bevor es sie bei geringen Kosten auf unserem überfreundlichen Markt ablädt. Wird Macron mehr erreichen können als fromme Versprechen über 'Gegenseitigkeit'? ... Die Chancen sind gleich null, ebenso wie die Chancen, dass Peking die wichtigen Hilfen für die russische Rüstungsindustrie einstellt.“
Strategisches Abwarten
Europa unterschätzt die Bedrohung durch China, warnt die Sinologin Marie Holzman in Libération:
„Die trügerische Neutralität ermöglicht es ihm, seine Schachfiguren für die Zukunft zu platzieren: Wenn Russland die Ukraine besiegt, wird Chinas Seite gestärkt und der Taiwan-Konflikt kann beginnen; wenn Putins Regime (im Falle einer Niederlage) zusammenbricht, wird China in Sibirien freie Hand haben. … Die Herausforderungen sind kolossal. Es wäre an der Zeit, dass unsere Politiker sich dessen bewusst werden.“
Europa fehlt die Führungskraft
In seinem jüngsten Interview mit The Economist machte Macron drei tödliche Gefahren für Europa aus – darunter auch China. Politiken vermisst hinter solch eindeutigen Worten auch entschlossenes Handeln:
„Wie auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist Macron deutlich besser darin, Reden zu halten und Veränderungen zu versprechen, als sie politisch umzusetzen. Und das ist das größte Problem: dass es der EU in einem so entscheidenden historischen Moment an energischen Führungspersönlichkeiten mangelt und dass die Achse Paris-Berlin in der EU brachliegt. Macrons Analysen und Ideen sind richtig. Aber wo ist die politische Macht, sie zu verwirklichen?“
Macrons Aussagen kommen in Peking gut an
Xi erhofft sich, Europas Partnerschaft mit den USA via Macron ins Wanken zu bringen, ist La Stampa überzeugt:
„Die Positionen der beiden Staatsoberhäupter liegen weit auseinander. Macron erwägt die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine, Xi betrachtet die Waffenlieferungen an Kyjiw als 'Benzin ins Feuer gießen' und hält Sanktionen gegen Moskau für unrechtmäßig. China findet jedoch Gefallen an den wiederholten Forderungen des französischen Präsidenten nach strategischer Autonomie der EU und erinnert sich oft daran, dass Macron bei seinem Besuch in Peking im April 2023 sagte, ein Verbündeter der USA zu sein, bedeute nicht, ihr Vasall zu sein. Darauf will Xi aufbauen, um potenzielle Zweifel der europäischen Staats- und Regierungschefs an der Angemessenheit der strategischen Ausrichtung auf die US-Außenpolitik zu wecken.“
Divide et impera
China ist bemüht, mögliche europäische Sanktionen zu verhindern, beobachtet De Standaard:
„Die europäischen Anschuldigungen bezüglich unausgewogenem Handel, gefährlicher Überkapazitäten und unlauterem Wettbewerb hat China bisher als 'Hype' abgetan. Aber intern macht Peking sich doch Sorgen. Und Xi Jinping wird in Paris vor allem versuchen, den Druck abzuhalten, indem er die interne Spaltung der EU strategisch nutzt. Und das nicht nur durch die Folgebesuche in russlandtreuen Ländern wie Ungarn und Serbien. ... Über die klassische Strategie des 'Teile und herrsche' versucht China auch, die starke Abhängigkeit vieler großer deutscher Exportunternehmen vom riesigen chinesischen Markt auszunutzen.“
Kein Vasall Chinas werden
Jutarnji list schaut auf den Umstand, dass Xi die beiden Nachbarländer Ungarn und Serbien besucht. Kroatien sollte deren Außenpolitik aber keinesfalls zum Vorbild nehmen, so die Zeitung:
„Budapest sieht sich als Tor zum Osten und Serbien glaubt, China werde wie der Westen seine Multi-Vektor-Außenpolitik akzeptieren. Unabhängig von den strategischen Themen bleibt auch die Besorgnis erregende Einsicht, dass der chinesische Präsident zwei Länder besucht, die seine Unterstützungshaltung zum Krieg in der Ukraine teilen. ... Angesichts der globalen Spaltungen ist die einzige Lösung für kleine europäische Staaten eine starke und einheitliche EU sowie eine starke Nato. Alles andere führt uns zu einer Vasallenstellung gegenüber Russland und China.“