Eine besser gerüstete EU: Wie könnte das gehen?
Auf einem Sondergipfel in Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs der EU darüber beraten, wie mehr Ausgaben für die Verteidigung finanziert werden können. Während es über gemeinsame europäische Schulden keine Einigung gab, schlug Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine großzügige Auslegung der Schuldenregeln vor. Kommentatoren debattieren nicht nur über Geldmittel, sondern größere weltpolitische Zusammenhänge.
Gemeinsam und robust zugleich
Die EU wird auch in der neuen Weltordnung einen kooperativen Stil pflegen müssen, schreibt die Frankfurter Rundschau:
„Zunächst untereinander, aber auch mit all jenen, die willens sind, die regelbasierte Weltordnung zu bewahren. Den anderen sollte man selbstbewusst entgegentreten. Das gilt bei allen Unterschieden für Russland, China und auch für Trumps USA, jedenfalls da, wo Washington die Gemeinsamkeiten der transatlantischen Beziehungen aufkündigt. ... [D]ie EU wird nur eine Handelsmacht bleiben, wenn sie ihre Interessen mit Partnern gemeinsam umsetzt und zugleich sich robust gegen Opponenten behauptet. Die Möglichkeiten hat Europa. Bevölkerung und politisch Verantwortliche müssen nur wollen.“
Es fehlt an Kraft, Geld und Willen
Der Tages-Anzeiger zeichnet ein düsteres Bild:
„Die europäischen Mitglieder in der Nato müssen in Zukunft deutlich mehr für ihre Verteidigung ausgeben. Nicht nur wegen Donald Trump. Aber auch, weil es dem Mann im Weissen Haus einfallen könnte, den amerikanischen Schutzschirm einzuklappen. Oder über die Köpfe der Ukrainer hinweg mit Wladimir Putin einen Deal auch auf Kosten aller Europäer abzuschliessen. … An Warnungen mangelt es nicht, doch hat Europa die Kraft, sich gegen ein imperiales Russland und womöglich ohne amerikanische Hilfe zu behaupten? In Paris oder Rom fehlt das Geld für massiv mehr Verteidigungsausgaben, Deutschland und die Niederlande sind gegen Eurobonds, um gemeinsame Rüstungsprojekte wie ein System zur Raketenabwehr zu finanzieren.“
Riskante Charmeoffensive
Der beim Gipfel als Gast geladene Premier Keir Starmer könnte mit Annäherungsversuchen an die EU Trump verärgern, mahnt The Spectator:
„Die Regierung setzt darauf, dass engere Beziehungen zur EU zu Wirtschaftswachstum führen. ... Zunächst einmal kommt dieser Wandel zu einem Zeitpunkt, an dem Trump möglicherweise Zölle gegen die EU verhängt, nicht aber gegen Großbritannien. Werden engere Beziehungen es für Großbritannien schwieriger machen, neutral zu bleiben? Zweitens hat die EU in der Vergangenheit gezeigt, dass sie es nicht mag, zu schnellen Verhandlungen oder 'Rosinenpickerei' gedrängt zu werden. Das bedeutet, dass jedes Abkommen ein politisches Risiko birgt. Zu einer Zeit, in der die Reformpartei an Boden gewinnt, könnte Starmer so Nigel Farage jede Menge Angriffspunkte für die nächste Wahl liefern.“
Handelskrieg darf nicht ablenken
Beim EU-Gipfel muss man gemeinsam gegen Putin Front machen, rät The Times:
„Es ist richtig, dass Starmer sein Brüsseler Debüt nutzt, um seinen Wunsch nach besserer Zusammenarbeit bei Verteidigung und Sicherheit zu äußern. ... Aber inmitten von Handelskriegen, die den Westen spalten werden, und detaillierten Gesprächen, die Großbritannien und die EU beschäftigen, sollten er und seine europäischen Amtskollegen bedenken, dass es bei der Verteidigung um mehr als Panzer und Flugzeuge geht. Russland weiß, wie man westliche Regierungen schwächen oder stürzen kann, ohne einen Schuss abzufeuern. Neue Verteidigungsmaßnahmen, einschließlich der Offenlegung dieser Aktivitäten, eine Stärkung der Wahlgesetze und die Diskreditierung derjenigen, die von Moskau bezahlt werden, sind dringend erforderlich.“