Was muss sich in der Agrarpolitik ändern?
Seit Monaten protestieren Landwirte in ganz Europa: gegen billiges ukrainisches Getreide, gegen hohe Treibstoffpreise und gegen die EU-Agrarpolitik. Diese berücksichtigt seit 2023 Umweltaspekte stärker, was mit neuen Auflagen verbunden ist. Europas Presse analysiert, ob die Proteste berechtigt sind und geht den Gründen für die breite Unterstützung der Bauern nach.
Wettbewerbsfähigkeit stärken
Frankreich braucht eine angebotsorientierte Agrarpolitik, schlussfolgert Chefredakteur David Barroux in Les Echos:
„Ein x-tes Gesetz vorzuschlagen, um das Einkommen der Landwirte sicherzustellen, ist nicht mehr als eine unzureichende konjunkturelle Antwort auf ein tiefgreifendes strukturelles Problem. Wir sollten nicht verwaltungstechnisch versuchen, die Rohstoffpreise in die Höhe zu treiben. Damit würden wir lediglich unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft und die Kaufkraft der Haushalte bestrafen. Stattdessen müssen wir die Furchen graben, die es unserer Landwirtschaft ermöglichen, Produktivitätsgewinne zu erzielen und wettbewerbsfähiger zu werden.“
Landwirtschaft und Umweltschutz sind eins
Die Klimaaktivistin Adélaïde Charlier spricht sich in ihrer Kolumne in La Libre Belgique für eine Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU aus:
„Um der Landwirtschaft zu helfen, sollte nicht der ökologische Wandel verlangsamt, sondern die GAP überarbeitet werden. Insbesondere sollte man landwirtschaftliche Praktiken anstelle von landwirtschaftlichen Flächen subventionieren. Unsere Landwirte müssen von ihrer Produktion leben können und sollten für die erbrachten Ökosystemleistungen wie die Erhaltung der Biodiversität und die CO2-Abscheidung entlohnt werden. ... Landwirtschaft und Umweltschutz sind EINS.“
Schluss mit den Extrawürsten
Dass Bauern den Markt außer Kraft setzen wollen, findet die Neue Zürcher Zeitung unverständlich:
„Weshalb sollte es bei handelbaren Produkten, zu denen auch die landwirtschaftlichen Güter zählen, ein Recht auf einen Preisaufschlag geben? Fiele er bei anderen Produkten ebenso hoch aus, würden die Konsumenten auf die Barrikaden steigen. Gewiss sollen Bauern für zusätzliche Leistungen wie bei Bio-Produkten einen Aufpreis verlangen können ... . Doch ob 'bio' oder konventionell: Es gibt in einer Marktwirtschaft gerade keine Garantie, dass man stets 'ein angemessenes Einkommen' erzielt. ... In der Landwirtschaft verfangen Forderungen nach fairen Preisen wohl nur deshalb, weil der Markt durch Subventionen, hohe Grenzbarrieren und Vorschriften seit Jahrzehnten ausgehebelt wird.“
Auch für Konsumenten klar, dass etwas nicht stimmt
Die breite Unterstützung für die Proteste analysiert Naftemporiki:
„Warum setzen sich die Bürger - anders als in der Vergangenheit - dieses Mal für die Landwirte ein? Weil der Hauptslogan 'Was wollt ihr ohne uns essen?' leicht zu verstehen und schwer zu widerlegen ist. … Weil wir wissen, wie weit der Weg vom Feld zum Regal ist. Wenn der allgemeine Preisindex sinkt, aber die Lebensmittelpreise in den Geschäften steigen, wenn der Erzeuger Orangen für 40 Cent pro Kilo verkauft und wir sie im Regal für 1,40 Euro sehen (ein Anstieg von 250 Prozent), können wir uns darauf einigen, dass etwas nicht stimmt.“
Reaktionen diametral anders als bei Klimaprotesten
La Repubblica beobachtet:
„Der 'Marsch der Traktoren' scheint in der Bevölkerung großen Anklang gefunden zu haben, erst recht im Vergleich mit der Unbeliebtheit der Aktionen der Letzten Generation. ... In beiden Fällen handelt es sich um 'ökologische' Bewegungen. ... Theoretisch sollten Landwirte und Umweltschützer eine solide Allianz bilden. Und doch scheint das politische Schicksal dieser beiden Gruppen heute sehr unterschiedlich zu sein. Erstere haben ein unmittelbares öffentliches Ventil und institutionelle Gesprächspartner, Formen der kollektiven Organisation und zumindest Ziele, die teilweise erreicht wurden. Bei der Letzten Generation ist das Ergebnis ein ganz anderes. … Die Bauern intervenieren in der Gegenwart und in immanenten Notlagen, die Klimaschützer kämpfen heute für morgen.“
GAP fehlt echte Wirkung auf dem Land
El País fordert einen neuen Subventionsschlüssel:
„Die aktuelle Situation kann nur mit Brüssel überwunden werden, und nicht mit wahllosen Angriffen auf die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), wie es sie bei den jüngsten Proteste in unverantwortlicher Weise gab. ... Auf keinen Fall darf die Vereinbarkeit der Landwirtschaft mit dem Kampf gegen den Klimawandel in Frage gestellt werden. ... Aber die GAP müsste überdacht werden, um eine effektive Verteilung ihrer 378 Milliarden Euro (2021-2027) zu gewährleisten. Bislang erhalten 20 Prozent der Landbesitzer 80 Prozent der Direktzahlungen. ... Der EU-Agrarpolitik fehlt eine echte Wirkung auf dem Land. Sie erfüllt nur die Forderungen der Bauernverbände, die nicht mit den Interessen der Bevölkerung zusammenfallen.“
Im Würgegriff der Lobby
Die Bauernproteste verdienen ihren Namen nicht, schimpft NRC-Kolumnistin Caroline de Gruyter:
„Als die Gemeinsame Agrarpolitik der EU 1962 ins Leben gerufen wurde, erhielten die Bauern Geld, um zu produzieren. ... Nach einer Weile gab es so viel subventionierte Nahrung, dass Bauern bezahlt wurden, um nicht zu produzieren oder Überschüsse nach Afrika zu verschachern. Heute haben wir ein anderes System: Der Markt regelt die Produktion, aber Bauern bekommen Subventionen pro Hektar. Ergebnis: Die Agrarlobby hat die Politik im Würgegriff und treibt Wähler in die Arme der radikalen Rechten. Der Kleinbauer hat das Nachsehen. Die europäische Agrarpolitik muss gründlich reformiert werden, und zwar jetzt.“
Subventionen kürzen!
Drastische Maßnahmen aus Brüssel fordert Magyar Hírlap:
„Die Notwendigkeit von Kürzungen steht außer Frage. ... Die Landwirte in der EU - vor allem in Westeuropa - sind aufgrund der massiven Subventionen bequem geworden: Trotz aller Entwicklungsmaßnahmen und der riesigen Geldsummen, die in den Sektor geflossen sind, sind sie nicht so effizient, wie sie sein könnten. Sie könnten auch niedrigere Preise durch höhere Renditen ausgleichen. ... Sie sind die Begünstigten eines überholten Subventionssystems. Auch sie müssen sich fortbewegen, nicht nur die Agrarpolitik, und wenn sie das nicht können, dann sollen sie eben aufhören.“
Ungesunde Machtverhältnisse
Das Argument, Verbraucher seien nicht bereit, mehr für Lebensmittel zu bezahlen, ist Augenwischerei, bemerkt De Standaard:
„Der Bauer hat nichts zu sagen über den Preis, den er für sein Produkt bekommt. Was der Bauer bekommt, sagt etwas über die Machtverhältnisse in der Nahrungsmittelkette aus. Die anderen Player sind schlicht eine Nummer stärker: die Unternehmen, die die Produkte verarbeiten, die Großhändler, die Verkäufer. ... Nun wird dem Verbraucher die Schuld in die Schuhe geschoben. Er wolle nicht mehr bezahlen für sein Essen, verteidigen sich die Supermärkte. Aber seit wann entscheidet der Verbraucher, wieviel er für seinen Lauch oder sein Kotelett bezahlen will?“
Kommunikation mit allen Akteuren nötig
Kathimerini warnt:
„Die Kräfte der extremen Rechten, die schon immer gegen eine 'grüne' Politik waren und auch die Unterstützung der EU für die Ukraine ablehnen, sind in der besten Position, die Wut der Landwirte auszunutzen. ... Wenn diese Kräfte bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni an Einfluss gewinnen, wird der Kampf gegen den Klimawandel noch schwieriger und die Landwirte müssen mit noch mehr Katastrophen rechnen. Neben Maßnahmen in Brüssel und den Mitgliedstaaten ist es essenziell, dass zwischen den politischen Entscheidungsträgern, den Landwirten und allen Bürgern angemessen über die Bedeutung der landwirtschaftlichen Produktion und die Möglichkeiten, diese zum Wohle der Allgemeinheit weiterzuentwickeln, kommuniziert wird.“
Politik opfert Wohlstand
Die Tageszeitung Die Presse kritisiert, dass die Bauernproteste dem europäischen Wirtschaftsraum insgesamt schaden:
„Politische Folgen hat dieser große Bauernaufstand von 2024 bereits. Und zwar weitreichende. Am Dienstag erklärte Emmanuel Macron, ... die Verhandlungen der Europäischen Kommission mit den vier Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay über ein Freihandelsabkommen seien abgebrochen. ... Europas Politiker opfern den Wohlstand der vielen und Stummen der Agitprop der wenigen und Lauten. An Dienstleistungen, medizinischen Produkten, Maschinen und ja, der Autoindustrie hängen viel mehr Arbeitsplätze in Europa als an der zusehends mechanisierten Landwirtschaft.“
Widersprüchliche, unerfüllbare Forderungen
Auf ein rasches Ende der Proteste in Frankreich könne man nicht setzen, schlussfolgert der Korrespondent von Le Temps in Paris, Paul Ackermann:
„Eine der Grenzen der Bewegung liegt darin, dass es nicht nur die eine französische Landwirtschaft gibt. Es gibt mehrere französische Landwirtschaften mit verschiedenen Schicksalen. Ihre Forderungen sind so vielschichtig, wenn nicht sogar widersprüchlich, dass die Regierung niemals in der Lage sein wird, in ihrer Gesamtheit auf sie einzugehen. Selbst wenn sie wollte. Es sei denn, diese Vielzahl divergierender und damit unerfüllbarer Forderungen führt dazu, dass die Bewegung zwangsläufig noch länger andauert... wie seinerzeit jene der Gelbwesten.“
Einheitsfront schwer erreichbar
Ob sich Europas Bauern nun vereinen werden, um mehr Druck auf Brüssel ausüben zu können, fragt news.bg:
„Die Antwort darauf lautet: wahrscheinlich nicht. Neben gemeinsamen Interessen haben die Landwirte in den verschiedenen EU-Ländern auch ihre eigenen Interessen. Der Agrarsektor ist vielleicht der heikelste Wirtschaftssektor in der EU und sicherlich derjenige, der am stärksten von der Politik sowohl der nationalen Regierungen als auch der Europäischen Kommission abhängig ist. Die europäische Landwirtschaft unterliegt Quoten, Subventionen und Vorschriften und ist sehr sensibel. Die Erfüllung der Forderungen der Landwirte in einem Land benachteiligt automatisch Kollegen in anderen Ländern.“
Bitte weg vom Mythos des bürgerfernen Brüssel
Die dänische Politik muss ihren Bauern reinen Wein einschenken, fordert Der Nordschleswiger:
„Auf europäischer Ebene haben demokratisch gewählte dänische Politikerinnen und Politiker längst eine Landwirtschafts- und Klimapolitik mit ausgearbeitet ..., die massive Umstellungen in der Förderung und Regulierung zur Folge hat. Daheim in Dänemark wird dann so getan, als wolle 'Brüssel' nun halt dieses und jenes und man versuche alles, um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft hierzulande so weit wie möglich abzumildern. Das ist verlogen, es nährt den fatalen Mythos vom fernen Brüssel, das angeblich über unsere Köpfe hinweg entscheidet – und es hilft vor allem unserer Landwirtschaft nicht dabei, die Herausforderungen anzugehen, die anstehen.“
Hohes Risiko bei geringen Margen
De Standaard hat Verständnis für das ungute Gefühl, das die Landwirte verbindet:
„Genau wie die Industrie steht die europäische Landwirtschaft vor einer enormen Transformation. Sie muss CO2-neutral werden, das Gleichgewicht mit der Natur wiederherstellen und standhalten in einem gnadenlosen weltweiten Wettbewerb. Kein Wunder, dass die einzelnen Bauern sich in der Mangel fühlen. Wenn dann auch noch das finanzielle Risiko vor allem auf ihren Schultern liegt, während die großen Gewinnspannen bei den höheren Rängen in der Kette anfallen, kann es nicht verwundern, dass ihr Wohlbefinden unter dem flämischen Durchschnitt liegt.“
Landwirtschaft ist kein Wohltätigkeitsverein
Bauern sollten viel mehr als Privatunternehmer gesehen werden, ärgert sich Journalist Toms Lūsis bei Tvnet:
„Ein zu trockener Sommer? Hey, Staat, gib mir eine Entschädigung! Der Sommer ist zu nass? Wo ist meine Entschädigung? Hagel? Entschädigung! Der Staat knöpft einfach den Geldbeutel auf. Im kommenden Jahr, wenn das Wetter dann perfekt ist und die Bauern Rekordernten verzeichnen, feiern sie. ... Dem Staat sind sie doch nichts schuldig. ... Landwirtschaft ist keine Wohltätigkeit zu Gunsten des gesamten Staates, betrieben von Altruisten mit dem einzigen Ziel, ein hungerndes Land zu ernähren. Dafür sollte der Rest Lettlands nicht ständig und bedingungslos dankbar sein. Es ist ein privates Geschäft, dessen Hauptzweck letztlich darin besteht, Geld zu verdienen.“
Vom Wetter gegerbt, von Subventionen verwöhnt
Realistische Forderungen mahnt La Stampa an:
„Die grenzüberschreitenden und sich von einem Land zum anderen ausbreitenden Unruhen sind in vielerlei Hinsicht paradox, die Vorwände klingen improvisiert. Ja, die Landwirte müssen im Staub schuften, inmitten des Gestanks von Dung, wie unser Minister Lollobrigida es ausdrückte, und ihre Einkommen sind anfällig für alle Unwägbarkeiten des Klimas, die in Zukunft wahrscheinlich noch zunehmen werden. Allerdings ist die Berufsgruppe durch jahrzehntelange großzügige öffentliche Förderung auch verwöhnt. ... Gerade weil die in den Traktorparaden so viel gescholtene Gemeinsame Agrarpolitik unterm Strich recht großzügig ist, kann man nicht erwarten, dass sie mehr Mittel ohne Gegenleistung zur Verfügung stellt.“
Von drei Optionen ist nur eine vernünftig
Historiker Benoît Bréville beschreibt in Le Courrier drei Zukunftsperspektiven für Landwirte:
„Das Verschwinden, bedingt durch die europäische Arbeitsteilung und den EU-Beitritt großer Getreidenationen. Das Überleben, indem man den von Bürokratien und Investmentfonds vorgegebenen Weg der zügellosen Industrialisierung einschlägt – allerdings um den Preis von Schäden an Mensch und Umwelt, die bereits hier und da zu Aufständen führen. Oder der Kampf, damit eine bäuerliche Landwirtschaft durchgesetzt werden kann, die ihre Funktion als Ernährerin wieder aufnimmt und gleichzeitig die Unabhängigkeit ihrer Arbeiter sicherstellt. ... Eine Vielzahl an Viehzüchtern und Landwirten strebt danach, die Konsumenten wünschen es sich, und die Vernunft verlangt es langfristig.“
Importe und Green Deal belasten Agrarsektor
2023 war ein äußerst schwieriges Jahr für die Bauern, zeigt Gazeta Wyborcza Verständnis:
„Die Produktionskosten stiegen und die Verkaufspreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse sanken, die Landwirte konnten nicht in die Entwicklung ihrer Betriebe investieren und die Stimmung im ländlichen Raum verschlechterte sich. ... Nicht nur wegen der Flut von Agrargütern aus der Ukraine. Es war auch ein Jahr der Änderungen bei den Agrarsubventionen und der Gemeinsamen Agrarpolitik, auf die in Polen niemand so recht vorbereitet war. ... Der Green Deal sollte die Antwort der Europäischen Kommission auf den Klimawandel sein und den Verbrauchern entgegenkommen, die Bio-Lebensmittel mit mehr Rücksicht auf Nutztiere als bisher wollen. ... Für die Landwirte bedeutete dies jedoch höhere Kosten und geringere Erträge.“
Fahrlässig von Brüssel herbeigeführt
Für Efimerida ton Syntakton hat die Politik den Unmut zu verantworten:
„Die Frage, die die europäischen Landwirte indirekt stellen, ist klar: Wer zahlt die Kosten für die Ökologisierung der Landwirtschaft? Im Moment die Landwirte selbst, aber auch die Verbraucher, die sehen, wie die Kosten für Lebensmittel in die Höhe schießen. Die EU-Führung und die Regierungen der 27 Länder haben einen unnötigen, künstlichen Widerstand der Landwirtschaft gegen die tatsächliche Notwendigkeit umweltfreundlicherer Anbaumethoden geschaffen. Jetzt ernten sie die Früchte ihrer Saat. Und dazu gehört auch das Geschenk an die Rechtsextremen, die sich die Wut der europäischen Landwirte mit großem Vergnügen zu eigen gemacht haben.“
Subventionen besser verteilen
Die von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen begonnenen Gespräche sind gut gemeint, aber reichen für De Morgen nicht:
„Die heiße Kartoffel wird verschoben bis nach der Europawahl. Ein riskanter Zug, vor allem da den Umfragen zufolge die radikale Fraktion Identität und Demokratie Chancen hat, drittstärkste Kraft im Europäischen Parlament zu werden. ... Eigentlich müsste bei europäischen Agrar-Subventionen von 386,6 Milliarden Euro kein Bauer leiden. Wenn es trotzdem so ist, dann hapert es bei der Verteilung. Der Unterschied zwischen großen Agrar-Konzernen, die das meiste Geld einstecken, und kleinen Bauern bleibt groß. Die EU sollte diese Kluft lieber schnell überbrücken, denn auf einen Bauernkrieg kann Europa bei all den anderen Krisen gut verzichten.“
Zugeständnisse garantiert
Europas Landwirte werden in diesem Jahr noch einige Erfolge vermelden können, ist Dilema Veche überzeugt:
„Die Proteste der Bauern haben auch Politiker zum Umdenken gebracht. Das hat dazu geführt, dass Umweltreformen aufgeschoben oder auf Eis gelegt wurden. Bei der anstehenden Europawahl will jeder Politiker, ganz gleich welcher Ausrichtung, die Stimmen der Landwirte gewinnen. Wer sie bekommen wird, bleibt abzuwarten, aber eines steht fest: Je nachdem, wie die Europawahl ausgeht, werden wir sehen, wie schnell die Reform der europäischen Landwirtschaft vorankommt und wie viel Geld die Landwirte vom Staat erhalten müssen, um zufrieden zu sein.“
Populisten kommt das gerade recht
Wer die Proteste anfeuert, beschäftigt La Repubblica:
„Der Protest der Bauern ist zu einer Sicherheitsfrage geworden. ... Und zwar nicht, weil die Demonstrationen überall zu Unruhen führen - laut einer Meldung werden derzeit zwei Tote und Dutzende Verletzte gezählt -, sondern weil die Analysten nicht umhin konnten, die Art und Weise der 'Ansteckung' zu bemerken: konkrete und tief empfundene Themen sind gewiss die Grundlage [des Unmuts]. ... Beunruhigend ist jedoch, mit welcher Wucht sich der Zeitpunkt und die Art und Weise des Protests ausgeweitet haben. Und vor allem, wer zu diesem Protest bläst: ein Teil der extremen Rechten mit einer rot-braunen Note, mit Anti-Europäismus und Anti-Umweltschutz als gemeinsamem Nenner.“
Kluft zwischen Städtern und Landwirten
Auch in Vilnius rollten die Traktoren, aber die Stadtmenschen haben dafür kein Verständnis, konstatiert LRT:
„'Jeder Unternehmer würde Sie um die Unterstützung, Anreize und Subventionen beneiden, die Sie erhalten, ganz zu schweigen von Lehrern oder Ärzten', äußert sich ein verärgerter Städter auf der Gediminas-Straße. Der Bauer vom Traktor aus kontert: 'Und ich ernähre euch.' Die protestierenden Bauern haben nicht nur Vilnius, sondern ganz Litauen gespalten, wenn auch unbeabsichtigt. ... Die Städter fragen sich, wogegen die Landwirte eigentlich kämpfen, während sie polnische Milch ins Glas einschenken und marokkanische Kartoffeln braten.“
Französische Heuchelei
Frankreichs Agrarpolitik ist voller Widersprüche, kritisiert L'Opinion:
„'Wir sind alle Bauern', ja, wenn wir Lebensmittel von Qualität 'Made in France' fordern; aber nein, wenn die von den großen Handelsketten genährte Kultur der niedrigen Preise die Gewinnspanne bis zum Bankrott auffrisst. Ja, wenn wir lokale Produkte fordern; nein, wenn das Prinzip 'not in my backyard' bestimmte Vorgehen beeinträchtigt. ... Ja, im Stolz, einer Agrarmacht anzugehören, die der Schlüssel zur nationalen Souveränität ist; nein, in der Gleichgültigkeit gegenüber den übermäßigen Normen, Kosten, Verboten und Kontrollen, die ganze Branchen zerstören. … Diese Inkonsequenzen haben einen hohen Preis. Hoch für die Landwirte, aber noch höher für das ganze Land.“
Viele Landwirte, kleine Flächen
Landwirte und Spediteure in Rumänien protestieren und blockieren Grenzübergänge zur Ukraine sowie den Schwarzmeerhafen in Constanța. Sie kritisieren, dass ukrainisches Getreide weiterhin auf dem rumänischen Markt landet und fordern ausstehende Subventionszahlungen. Jurnalul National liefert Hintergrund:
„Rumänien hat mit 3,5 Millionen die meisten Landwirte in der EU, wobei 90 Prozent der Betriebe Flächen unter fünf Hektar bewirtschaften. ... Probleme wie Unterfinanzierung, schlechter Zugang zu Bewässerung und Mechanisierung führen zu Wettbewerbsproblemen, die durch die Konkurrenz des übergroßen Nachbarn Ukraine schon jetzt verschärft werden. ... Nehmen wir nur die Zuckerrübenproduktion: 2023/2024 wird die Ukraine rund 650.000 Tonnen in die EU liefern - das 30-fache von dem, was sie vor 2022 geliefert hat.“
Gemeinsame Wurzel des Problems
Laut Krónika, teils von Ungarn finanziertes Medium der ungarischen Minderheit in Rumänien, sind die Getreideimporte aus der Ukraine die Ursache für die Unzufriedenheit der EU-Landwirte:
„Die Forderungen der deutschen, rumänischen und polnischen Landwirte haben gemeinsame Wurzeln. ... Das Problem liegt im Dilettantismus der Politiker in Brüssel, die in verantwortungsloser Weise die billigen ukrainischen Agrarprodukte, die gar nicht den EU-Normen entsprechen, zollfrei in die Märkte der EU-Mitgliedstaaten eindringen ließen, um der Ukraine zu helfen. Das ist genauso, als würde ein Nichtschwimmer versuchen, einen Ertrinkenden aus dem Wasser zu retten, und beide würden untergehen.“
Europäisch und positiv denken
Eine Herausforderung für die EU beobachtet Ouest-France:
„[Die Protestwelle] ist ein gefundenes Fressen für alle euroskeptischen Bewegungen, die schnell bereit sind, die nationale Präferenz zu ihrem Steckenpferd bei den Europawahlen zu machen. ... Doch die Lage der nach dem Brexit stark leidenden britischen Landwirtschaft sät Zweifel an diesen Forderungen. Die wahren Antworten muss man in Brüssel suchen. … Der dringend notwendige Generationswechsel kann nur durch die Wiederherstellung von Vertrauen erreicht werden. Das erfordert auch eine neue Rhetorik der Bauernverbände, insbesondere des COPA, der die wichtigsten europäischen Bauernverbände vereint. Sie sollten den jüngeren Generationen Perspektiven und einen Horizont bieten.“